„Political Correctness ist die buckelige Verwandtschaft der Lüge“
Ja.
Eigentlich könnte ich aufhören zu schreiben und stattdessen mit Zitaten glänzen, denn „es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“
Was soll’s. Dafür mach ich das zu gern.
Robert Pfaller nennt sie Erwachsenensprache. Der Philosoph mit dem lustigen Schmäh sieht die Selbstzensur in Wort als Teil des Problems. Man traue seinen Mitmenschen schlicht nicht mehr das direkte Wort zu. So werden aus Ausländer „Menschen mit Migrationshintergrund“, aus der Unterschicht „sozial Schwache“. Ein Kind, brunsblöd, ist nicht einfach doof wie Schifferscheiße, nein, es ist „alternativ begabt“ und hat „besondere Bedürfnisse.“ Klar. Hatte ich auch.
Dass ich mit 30 schon mit Formulierungen wie „heut‘ zu Tag“ und „früher“ arbeiten muss, spricht entweder für mich, oder eben nicht, Bände jedoch in jedem Fall. Denn „heut‘ zu Tag‘ hat sich der Filz der politisch Korrekten so dermaßen weit verbreitet, dass man ihn, ebenso wie bei #metoo, als neuen Puritanismus sehen kann. Arg protestantisch kommen die Hüter der verbalisierten Moral daher.
Nicht falsch verstehen. Ich, wie die wenigsten Menschen würden einen Schwarzen „Neger“ rufen. Das verbietet sich und ist mit einem Maß an Anstand nicht vereinbar. Das ist auch nicht das Thema. Der Anteil an Menschen, die den Afrikaner mit dem N-Wort ansprechen, ist marginal. Doch die Debatte wächst. Aus „Flüchtling“ wird „Geflüchteter“, eine sprachliche Abartigkeit, die demnächst wohl nur noch mit der passenden Genderangleichung getoppt wird.
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
dann bin ich um den Schlaf gebracht“
Heinrich Heine hätte sich nachhaltig eine neue Sprache gesucht, würde er heute noch sein. Ja.
So wie alles Übel begann auch die politische Korrektheit als gute Idee. Die Linken in den USA sahen durch die Sprache eine Diskrimierung von Minderheiten. Um diese zu umgehen, etablierten sie korrekte Formulierungen, die nicht verletzen sollte.
So weit, so nachvollziehbar. Doch inzwischen hat sich dieses „Projekt“ so verselbstständigt, dass es zensorisch wirkt. Ob in Literatur oder Politik, die moralisch Einwandfreien ziehen durch das Land und tun das, was sie am besten können: Sie belehren.
Keiner weiß mehr, ab wann es korrekter wurde, anstatt eines Unterstriches für die geschlechtliche Unterscheidung einen Stern (*) zu verwenden. Ist auch egal, die linken Lemminge folgen wie die kommodesten Mitläufer und hinterfragen nichts.
Wie spießig ist das denn? Wo früher noch die Konservativen für prüde Stunden sorgten, zugeknöpfter Gesellschaft, antiquierte Sexualmoral und so weiter, sind es heute die Linksbewegten. Ja. Woher kam das?
Und so ist #metoo zum jetzigen Stand Ausdruck dieser Prüderie. Ich habe lange überlegt, ob ich mich überhaupt dazu zu äußere. Einfach deswegen, weil mich die Sache zunehmend anödet. Ja, halten Sie mich für herzlos und ignorant. Ich erzähle auch nicht, wie ich in Schwulenclubs entweder von meist älteren Herren oder, was zweifellos grausamer war, von Mädels mit „Jungesellenabschiedshintergrund“ begrabscht wurde, manchmal sogar mehr. Oder, ich habe Theater gespielt und gesehen, wie „offen“ Frauen werden können. Offen wie Scheunentore, sage ich Ihnen.
Zu 80% war mir scheiss egal, zu 10% ein wenig unangenehm und mindestens zu 10%, ja ich bin ehrlich, fühlte ich mich geschmeichelt. Warum sollte es Frauen anders gehen?
Für jemanden wie mich, der sich durchaus für Feminismus interessiert, gerne philosophisch, aber auch ganz praktisch und im Sinne von „Terre de Femme“, ist das Frauenbild doch arg gestrig. Im Ernst! Metoo zeichnet das Bild der ewig passiven Dame, die allenfalls auf ein männliches Begehren reagieren kann, was „nein heißt nein“ so krass verdeutlicht. Frau sein, so will es die Debatte, ist auf kollektive Unterstützung und Kampagnen angewiesen, um endlich aktiv zu sein. Dazu wird ein gesellschaftliches und per se vorhandene Machtverhältnis unterstellt, in jedes Mädchen kraft ihrer Geburt gefangen sei. Leider bleibt eine Behauptung eine Unterstellung, wenn man sie nicht begründet, sondern sie wie eine hängende Schallplatte immer und immer wieder sagt.
Und das macht #metoo so falsch. Es ist so unfassbar verallgemeinernd, was allein der Begriff schon zeigt, so dass ich mich frage, wo die Standards denn dahin sind? Denn eines der ersten Gebote linker Dialektik ist das Mantra „nicht über einen Kamm scheren“. Dies scheint für eigene Debatten nicht zu gelten. Der Mann an sich ist Täter und die Frau an sich Opfer. Und das in Situationen, Machtkonstrukt hin oder her, wo sie natürlich auch andere Handlungsoptionen gehabt hätte.
Also warum dann der Gang in die Öffentlichkeit? Für gefügige Mitläufer war das Denunzieren immer ein beliebtes Mittel. Es spart den Mut einer direkten Konfrontation. Im Kindergarten war es stets der simplere Weg, zur Erzieherin zu gehen und zu petzen, als ein klärendes Gespräch zu führen. Letzteres ist für einen vier Jährigen nicht unbedingt zu erwarten.
Für Erwachsene freilich schon. Außer man lebt in einem totalitären System, das durch Denunzierung erst möglich wird.
Zunehmend viele Menschen sehen das anders. Sei es Caterine Deneuve, Birgit Kelle oder die Chefin des „Philosophie“ Magazins.
Die hiesige Debatte ist nun auf dem Stand, dass die Öffentlichkeit zum Richter wird. Dieter Wedel, Film-, und Theatermacher, männlich, beides höchst verdächtig, hat aufgrund bloßer Beschuldigungen seinen Job als Intendant verloren. Wenn das der erwünschte Effekt war, dann können sich die Initiatoren zufrieden geben und gleichzeitig die Unschuldsvermutung beerdigen. Rest in Peace.
Ebenso wie die Sprach-, und Verhaltenspolizei der politisch Korrekten, sind auch die Meetoo-Bewegten in die gleiche Falle getappt. Aus Angst, dass eine Verführung schief geht, wird diese, so wie sie vom Mann ausgeht, verteufelt. Diese Verprüdung erinnert mich eher an die 50ziger Jahre, als an ein emanzipiertes 2018
Sie nehmen alles in Kauf, was nützlich erscheint. Sei es Selbst,- Fremdzensur, Denunziantentum, wie das NetzDG und seine Folgen anschaulich beschreibt, oder das Manifestieren eines passiven, stets reaktivem Frauenbild.
Zeit, dem mit Verve und weniger mit moralinsauerer Bevormundung entgegen zu treten.
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