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Hühnerbrust mit Nazisoß‘ oder: Jans kleiner Hitler im Kopf

Hoch stand die Moralinsäure, als Jan Böhmermann per Videoübertragung zur hiesigen re:publica sprach. Und während die Gemeinde vor Erregung ins kollektive Stangenfieber fiel, plauderte der Bub aus Bremen über sein neustes Projekt, das auf den Namen „Reconquista Internet“ hört.

Hierbei handelt es sich nicht etwa um das neuste Buch von Rolf-Peter Sieferle (RIP), dessen „Finis Germania“ von der Spiegel Beststellerliste entfernt wurde. Nein, nein. Doch um Zensur, wenn auch nicht de jure, geht es bei Böhmermanns unlängster Aktion schon. Aber eins nach dem anderen.

„Reconquista Internet“, das das rechtsextremistisches Konglumerat „Reconquista Germanica“ kapern soll, verbalisiert eine Twitter-Liste, in der „Trolle und Rechte“, was die „Wendy“ des „Spiegels“ weiß, aufgezählt werden. Das Ziel ist klar: Maximale Stigmatisierung bestimmter Meinungen, die sich vom linksgrünen Mainstream absetzen und diese kollektiv zu Löschen und zu Melden, letzteres in guter deutscher Denunziantentradition. Mittlerweile hat Böhmermann mehr als 50.000 Mitstreiter rekrutiert. Bezahlt aus Ihren Rundfunkgebühren.

Das ganze hätte eine gewisse, wenn auch begrenzte, Berechtigung, wenn auf dieser Liste, die inzwischen 46 Seiten umfasst, Straftäter zu lesen wären. Triebtäter zum Beispiel, vor denen die Gesellschaft Angst haben muss. Von wegen und viel zu harmlos!

Da ist zum einem Jürgen Fritz, der einen anständigen Blog betreibt, den ich gerne lese. Man kann vieles über Jürgen sagen. Ein Extremist ist er nicht und ebenso wenig ein Troll.

Weiter ist Dushan Wegner zu finden. Ernsthaft? Der Autor des Buches „Talkingpoints“. schreibt zum Beispiel für die Achse des Guten und hat einen durchaus veritablen Einblick in die US-Gesellschaft. Seinen letzten Beitrag auf achgut muss man nicht mögen; eine legitime Meinung und keine Extreme noch dazu, skizziert Wegner auf jeden Fall.

Doch die Blacklist des Hühnerbrüstigen geht weiter. Die Junge Freiheit. Klar. Bestimmt ist die JF nicht die Taz, aber eine doch solide Wochenzeitung, für die schon Peter Scholl-Latour schrieb.

Der Wahnsinn wird epidemisch. Als nächstes lese ich Roland Tichy. Wirklich wahr! Tichy war Chefredakteur bei der „Wirtschaftswoche“, bis er dann den schönen Blog Tichys Einblick ins Leben rief, der seit letztem Jahr sogar in Print erscheint. Für ihn schreiben Leute wie der FDP Politiker Frank Schäffler, das Mitglied im hessischen Landtag Ismail Tipi (CDU), oder der ehemalige „Aspekte“ Moderator Wolfgang Herles. Alles unverdächtige, seriöse Leute. ich bezweifle, dass Böhmernann auch einen der drei Namen kennt, geschweige denn länger als 120 Sekunden auf Tichys Einblick gelesen hat.

Ich könnte viele aus dieser Liste aufzählen. Der Schwulenrechtler David Berger, einst Liebling der Linken, weil er die Bigotterie der katholischen Kirche aufschrieb. Mittlerweile ist Berger, der bis vor wenigen Jahren ein Homomagazin leitete, auf dem Boden der linken Tatsachen angekommen und gilt als die Deutsche Variante des Milo Yiannopoulos – also für Linke eine Persona non grata .

Der Aufschrei über eine irre Liste wäre groß und umfangend, hätte, zum Beispiel die BILD Zeitung, eine Liste mit Twitter Accounts veröffentlicht, auf denen potentielle Pädophile zu lesen gewesen wären. Oder potentielle Islamisten. Der Unterschied ist freilich der, dass es sich bei „Reconquista Germanica“ um eine völlig austauschbare Aufzählung handelt, während wir bei Islamisten oder Pädophilen um mögliche Straftäter sprechen. Aber der Widerstand von links, von der SZ zur FAZ, von der Tagesschau bis hin zum irren Klaus Kleber, wäre gewiss gewesen.

Als Armee, so Böhmermann, will er die 50.000 Follower nicht verstanden wissen. „Das erinnert an vor 80 Jahren“, spricht er bei der re:publica und ist sich dessen Zustimmung gewiss. Witzig. Eine Veranstaltung, die die Bundeswehr auslädt, weil sie ihr zu bunt ist, dafür aber Straftäter wie Chelsea Manning hofieren, sollte sich durchaus überlegen, wo ihr moralischer Kompass ist.

Mich erinnert Böhmermanns Aktion eben genau an die Zeit von 1933: Sprechverbote, Listen mit unliebsamen Menschen, Stigmata. In Böhmis mitfühlender Meinungsdiktatur gibt es zwar eine Bühne für Andersdenkende. Nur kriegen diese kein Mikrofon. Die Menge sieht sie, aber antworten können sie nicht. Nur folgerichtig wäre im nächsten Schritt das Konzentrationslager. Mitfühlend, versteht sich.

Doch warum der Aufwand?“, fragt ihn dann noch Bento. „Was ist denn sonst für Lösung ?(sic!) antwortet Böhmermann. „Ist von rechts überhaupt eine Debatte gewollt?“
Die Frage kann man durchaus zurückgeben. Ist von Böhmermann, der noch nie irgendeine Debatte geführt hat, ein Gespräch erwünscht, wenn er andere in einen Sack wirft und drauf los knüppelt, mit der Gewissheit, dass er schon den Richtigen trifft?

Ich kann sagen, dass Dushan Wegner, Roland Tichy, David Berger und viele andere auf der Liste durchaus Debatten führen. Sie sind in Talkrunden, auf Podien und sie schreiben. Nichts davon tut Jan Böhmermann. Er surft auf der Welle des Linksmainstreams und weiß weite Teile der Gesellschaft hinter sich. Er riskiert nichts, das hat er nie getan. Sonst würde er sich tatsächlich in eine Fernsehshow setzen und Rede, wie Antwort stehen.

Weil er das nicht tut, bleibt er der Pausenclown der Linksbewegten, der den unbedingten Willen hat, endlich, endlich nicht mehr das einzige Mainzelmänchen zu sein, sondern den Lerchenberg mit politischer, satirischer Bedeutung zu fluten, wie es Harald Schmidt bei anderen Sendern scheinbar spielerisch geschafft hat. Doch er ist kein Harald Schmidt.

Er ist nur ein Blender.

Anmerkung: In der letzten Version wurde „Reconquista Germanica“ wie „Reconquista Internet“ verwendet. Obwohl durch das Kapern mittlerweile das eine zum anderen verschmilzt und die Geisteshaltung sich am Ende des Tages nur an der Windrichtung, nicht an er Methodik ändert, hätte ich dies mit einem Satz erwähnen können. Doch nun, und das ist wohl das Ziel der Aktion und das sehen wir in Twitter ganz besonders, werden beide Begriffe synonym verwendet.

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