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Der aufgeklärte Konservative – Ein Versuch in zehn Punkten

Wie fang‘ ich an.
Es gibt so vieles über dieses Thema zu schreiben. Konservatismus. Aufgeklärt. Liberal. Puh. Vielleicht ein Zitat eines mir nicht ganz fernen Menschen.

Wolfgang Bosbach ist ein ultrakonservativer, rechter Politiker.

Unabhängig vom CDU Mann, beginnen wir doch von vorne. „Ultrakonservativ“ ist ein Kampfbegriff und bedeutet „stark konservativ.“ Nur ohne Polemik. Aber was ist das, dieses „konservativ“? Helmut Kohl, Pollunder, Mittagessen um halb 12, Trachten, Volksmusik? Gute Manieren und schlechter Geschmack? Samstag die Straße kehren? Sex nur im Dunkeln und unter der Decke und mit Anziehsachen? Ist konservativ irgendwie christlich? Muss man Homos hassen?! Herrgott, bitte hilf!

Ok, ich mach’s.

Anbei eine unvollständige Auflistung im aufzählerischen Stil einer Kolumne von Wolfgang Herles. Das Plagiat in der Methodik möge er mir verzeihen, ist jedoch das Imitieren die höchste Form der Anerkennung.

I.

Um zu verstehen, was „konservativ“ ist, ist es notwendig, in die Geschichte zu blicken. Als Vater des Konservatismus gilt Edmund Burke. Sein Counterpart übernahm im 17. Jahrhundert der liberale Vordenker Thomas Paine, späterer Verfasser der „Rights of man“ und einer der Urheber der US Verfassung. Hier wird bereits deutlich: Der Konservative vor 300 Jahren, nachfolgend „Burke-Konservatismus“ genannt, hat vom heutigen, ich nenne ihn stark vereinfacht „Bosbach-Konservatismus“, manches gemein, vieles hat sich jedoch geändert.  Denn die Menschenrechte gelten als unveräußerlich und sind in einen der diversen Spielarten des Naturrechts fest verankert. Wo wir bei einer Parallele sind, die sich, von Burke bis eben Bosbach durchzieht. Der Rechtspositivismus wird im Allgemeinen skeptisch betrachtet. Doch zunächst zu den Begriffen.

II.

Die rechtsphilosophische Unterscheidung beider fundamental differenten  Denkschulen ist insofern wichtig, als dass er „den Geist dahinter“, sprich den moralischen Motor des Konservativen (freilich auch des Liberalismus) auf den Punkt bringt. Die Naturrechtslehre meint, dass jede Rechtsordnung einen natürlichen Ursprung hat. Jedes geschriebene Gesetz obliegt einem höheren Gesetz – eben dem Naturrecht. Kraft der Geburt hat der Mensch unveräußerliche Rechte, die ihm kein anderes Gesetz nehmen kann. Das natürliche Recht des Thomas Paine waren die Menschenrechte. Edmund Burke sah das anders. Sein Naturrecht galt ihm als gottgegeben, wo sich bereits die ersten Probleme auftun. Denn dieser Gott ist ein recht divers interpretierbares Wesen. Paines Definition war dagegen pragmatischer:  Seine „Rechte des Menschen“ entsprangen der Vernunft. Er gilt daher mit Recht als ein wichtiger Player der Aufklärung, wenn nicht der Aufklärer während der amerikanischen Revolution. In Europa gilt er bis heute als wenig populär, was verwundert, denn gerade in Zeiten, in denen Menschenrechte immer wichtiger genommen werden, weil sie von Diktatoren missachtet werden, wäre Paine eine echte Argumentationshilfe.

III.

Da „Vernunft“, „Natur“, oder „Gott“ nicht immer eindeutige Begriffe sind, etablierte sich die Idee des geschriebenen Gesetz, das alleine deswegen gilt, weil es niedergeschrieben wurde. Komme was wolle. Diese Rechtsphilosophie hört auf den Namen „Rechtspositivismus“. Es gibt nichts, so lehrt es uns diese Denkrichtung, was über dem menschengemachten Recht steht. „Nichts“ bedeutet in dem Kontext auch keine Menschenrechte. Der radikale Rechtspositivist kann also durchaus die Menschenrechte außer Kraft setzen, denn es gilt ja alles als legitim, was danieder geschrieben wurde.  Auf diese Philosophie beriefen sich in regelmäßigen Abständen Kriegsverbrecher. Und auch in einer der zentralen Fragen der Aufarbeitung des 3. Reichs wurde diskutiert, inwieweit die Wehrmacht Verantwortung für die Verbrechen übernehmen muss, ob sie den Gehorsam hätte verweigern müssen. Da dies nicht der Fall war, stellte sich die weitere Frage, ob und wie weit das Handeln der Soldaten justiziabel gewesen sei. Die Nürnberger Prozesse und die Aussagen der Angeklagten sind ein eindrückliches Beispiel, in welche Malaise ein reiner Rechtspositivismus führen kann. Ein Bundeswehrsoldat darf heute einen Befehl verweigern, wenn dieser gegen die Menschenwürde verstößt. Das ist nur ein Beispiel, dass unser Grundgesetz den Geist des Naturrechts trägt und dahinter eine moralische Haltung steht, die bereits im ersten Artikel unmissverständlich definiert wird.

Auch hier die ist die Unterscheidung des Burke-Konservatismus vom Bosbach-Konservatismus eindeutig. Beide sind Christen. Doch während sich Burke allein den göttlichen Gesetzen unterwirft, ist es beim Bosbach-Konservatismus eine Melange aus Menschenrechten und seinen christlichen Überzeugungen. Der Konservatismus hat sich in den letzten 300 Jahren erheblich emanzipiert. Neben dem erwähnten Thomas Paine haben ganz sicher auch linke Kräfte ihren Einfluss geltend gemacht.

IV.

Dass es Homosexuelle gibt, die sich problemlos dem konservativen Lager zuordnen, ist ein Erfolg der liberalen Gesellschaft. Vor wenigen Jahrzehnten noch waren Schwule wie selbstverständlich links. Ja, sie mussten es auch, denn unsere Rechte lagen im Argen, die gesellschaftliche Anerkennung dieser Sexualität war katastrophal. Der Konservatismus irrte zwischen Ressentiments einerseits und einer kruden, christlichen Sexualmoral andererseits, umher. Die Öffnung hierbei ist eine erfreuliche Entwicklung und freilich vor allem linken Kräften zu verdanken. Und so ist es das Verdienst eben dieser progressiven Menschen, von Harvey Milk bis Rosa von Praunheim, dass heute Homos wie selbstverständlich auch konservativ sein können.

V.

Es gibt auch einen Konservatismus ohne Gott. Christopher Hitchens, Zeit seines Lebens Journalist und Querdenker, begriff sich als glühender Atheist und, zumindest in seinen letzten 20 Jahren, als Konservativer. Der ehemalige Trotzkist hat eine nicht untypische „Meinungskarriere“ hinter sich. In den 70zigern und 80zigern noch bei den Studentenbewegungen aktiv, wandelte sich im Laufe der Zeit die Geisteshaltung. Viele sogenannte „Neokonservative“ haben sich früher in das linke Spektrum eingeordnet, was nicht zuletzt auch für den Autor selbst gilt. Was von der Zeit geblieben ist, so scheint es mir, ist der rebellische Impetus und der Hang zum Anarchischen in der Form, dass Hierarchien stets hinterfragt werden. Gerade letzteres ist die stärkste Unterscheidung von „rechts“ und „konservativ“, was im Laufe des Textes klarer wird. Für den deutschen Raum seien Henryk Broder und Jan Fleischhauer genannt. Letzterer hat sogar ein Buch genau über dieses Thema geschrieben.

VI.

Die Abgrenzung „rechts“ und „konservativ“, vielleicht noch „reaktionär“ ist schwierig und wie bei allem: Definitionssache. Aber ich versuche es. Ich beginne mit dem Simpelsten der drei Begriffe: Reaktionär. Der schrullige Autor Martin Mosebach beschrieb sich einmal wie folgt: „Ich bin nicht konservativ. Ich bin reaktionär! Konservativ klingt mir zu sehr nach Konserve.“ Als reaktionär gilt man, wenn man Arten des Fortschritts feindlich gegenübersteht. Mit Fug und Recht gilt das für Teile der AfD. Doch die „Rechte“, auf den Begriff komme ich noch, hat diesen Begriff nicht exklusiv. Viele Impfgegner würde ich als fortschrittsfeindlich bezeichnen. Sie sind im Wortsinn „reaktionär“. Auch bei den Grünen finden sich diese Tendenzen. So hat die Grüne Partei in ihrer bundesweiten Schaffenszeit bis 2005 systematisch verhindert, dass in Gorleben und Asse weiter als Endlagerlösung für Atommüll geforscht wird. Im Zuge des Atomausstieges, den das Regime Merkel Jahre später noch konsequenter durchzog, sind weite Teile der Nuklearwissenschaft, in dieser Disziplin war Deutschland einst an der weltweiten Spitze, ins Ausland gewandert. Auch im Bereich der „grünen Gentechnik“ ist diese Partei federführend, was Ressentiments gegenüber diese Disziplin angeht. Grüne Gentechnik sehen viele Aggrawissenschafler als die Chance, den Welthunger zu bekämpfen. Biolandbau, der bis zu doppelt so viel Fläche benötigt, wie konventionelle Landwirtschaft, wird dies nicht bewerkstelligen können und ist für den Prenzlauer Berg, nicht aber für Afrika eine Alternative.

Hier trifft sich eine nur auf dem ersten Blick eine merkwürdige, unheilige Allianz. Manch ein Rechter spricht von der „Wahrung der Schöpfung“ und nicht wenige meinen damit „Zurück zur Schöpfung“. Ein ähnliches Konzept verfolgen viele Linksgrüne: Sie nennen es „Nachhaltigkeit“ oder „Ökologismus“. Was folgt sind verkitschte Vorstellung, zum Beispiel vom Wald, wie wir aktuell in der Diskussion um der Hambacher Forst sehen können. Und auch die Wahrnehmung von „Natur“, die der Meinung der Linksreaktionären im Gegensatz zu „Chemie“ stände, passt zu einer Ideologie, auf die sich viele der erwähnten Impfgegner berufen. „Natürlich“ sei per se besser, im Gegensatz zu „chemisch“. Dahinter steckt, neben der erwähnten Wissenschaftsfeindlichkeit, eine generelle Ablehnung gegenüber der Industrie. Auch „industriell“ ist für diese Menschen Teufelszeug. Strychnin ist 100% natürlich, es wird aus einer Nussart gewonnen. Eine Messerspitze davon werde ich trotzdem nicht überleben. Viele Rechte waren, oder sind es noch, reaktionär, wenn es um die Gleichheit vor dem Gesetz geht. Edmund Burke war reaktionär, durch und durch, weil er das Wahlrecht von Frauen ablehnte und sich nicht zuletzt der schärfste Gegner von Paines „Rechte der Menschen“ verstand. Linke können reaktionär sein, wenn sie Fortschritt aufgrund von falschverstandenen Begriffen, wie „Natur“ verhindern.

VII.

Wer „rechts“ ist geht von einer Verschiedenheit der Menschen aus und befürwortet oder akzeptiert gesellschaftliche Hierarchien. Das gilt auch ganz klar für den Burke-Konservatismus. Für ihn waren diese Hierarchien von Gott vorgegeben und nach seiner Meinung müsste diese Ungleichheit der Staat durchsetzen. Auch die „alten Rechten“ argumentieren in Hierarchien. Für sie liegt der Grund aber nicht in Gott, der dies entschied, sondern in der unterschiedlichen Ethnie. So ist die eine „Rasse“, in dem Zusammenhang die „Herrenrasse“, einer anderen überlegen. Tatsächlich Unterschiede werden bewertet, andere hinzugedichtet, was seine scheußliche Vollendung in den Nürnberger Rassengesetzen und dem resultierenden Holocaust widerfand .

Die „neue Rechte“ hingegen lehnt das Konzept der genetischen Unterschiede, zumindest in charta, ab. Sie verfolgt den Begriff des „Ethnopluralismus“. Was erfreulich vielfältig klingt, eben „plural“, ist eine zutiefst diskriminierende Ideologie, dessen Ziel eine Homogenität der Kulturen, also eine alleinige Kultur im angestammten Lande, durchzusetzen. Fremde Kulturen gelten hierbei als unerwünscht und per se gefährlich. In starken Ansätzen erkennt man dieses Weltbild in der aktuellen polnischen Regierung, fast in Reinform bei Machthabern wie Erdogan oder Assad, die ihre Länder explizit kulturell reinhalten wollen.                                  Stark vereinfacht: Man nehme den Rassismus, tausche „Rasse“ mit „Kultur“ und schon darf man sich „Ethnopluralist“ schimpfen.

VIII

Der Bosbach-Konservatismus sieht das freilich nicht vor, denn Stand heute ist Deutschland ein multikulturelles Land. Das ist in manchen Teilen sehr schön, in anderen tolerabel und in wiederum anderen konfliktreich. Hier endet die Toleranz.                                   Bei all den Problemen, gibt es „fremde Kulturen“, die wir nicht mehr als solche wahrnehmen und wenn, dann im Positiven oder zumindest im Neutralen. Ob die sehr sichtbaren Skhis, oder die vielen Vietnamesen, die weiland als Boatpeople fliehen mussten und auch nach Deutschland kamen.  Ob Italiener, Spanier und Griechen, die im Gegensatz zu einigen Türken sich in der dritten Generation als Deutsche sehen und unsere Landessprache perfekt beherrschen. Auch nicht alle Libanesen, Kurden und Palästinenser sind in Clans organisiert. Ein aufgeklärter Konservatismus negiert das nicht. Aber er stellt die oft unangenehmen Fragen, wenn es um kulturelle Schwierigkeiten geht, die offenkundig sind. Und machen wir uns nichts vor: Wir haben großartige konservative Denker in Deutschland, die längst den Kampf von Edmund Burke und Thomas Paine überwunden haben; mit denen „konservativ“ nur mit „liberal“ zusammengeht. Sei es der Cicero Gründer Wolfram Weimer, Zana Ramadani, Peter Hahne, Bassam Tibi, Tamara Wernli, Thilo Schneider oder Antje Sievers, Michael Wolffsohn, Cora Stephan… ach, die Liste ist lang.

IX.

Der aufgeklärte Konservatismus findet statt.

Er ist Vater und Beführworter der sozialen Marktwirtschaft und pocht auf einen starken Staat, der die Regeln des Marktes festschreibt. Wo immer der Markt versagt, stand ein Staatsversagen zuvor. Hier muss der Staat aktiv werden.

Ein wichtiger Aspekt des Konservativen ist die Familie. Sie ist das Fundament der Gesellschaft. Familie muss heute nicht mehr traditionell aussehen, kann es aber ausdrücklich. Eine grundsätzliche Abneigung gegenüber „Mann-Frau-Kind-Kind-Hund“, wie es viele Linke heute immer noch sehen, ist falsch und diskreditiert eben diese Menschen.

Konservative Politik funktioniert nicht ohne freiheitliche Politik. So auch in der inneren Sicherheit. Diese macht Freiheit erst möglich. Eine gesteuerte Einwanderung ist absolute Grundlage eines Staates. No borders, no Nation  bedeutet das Ende des Sozialstaates und der Beginn von Anarchie.

Patriotismus ist die Liebe zum Land. Nationalismus wertet andere Staaten ab. Letzteres lehnt der Konservative ab, ersteres befürwortet er vehement. Auch im Kontext der Migration ist ein selbstbewusstes Nationalverständnis, klare leitende Regeln, die über das Grundgesetz hinausgehen, ein Schlüssel, der in den Debatten zu selten behandelt wird. Nicht ohne Grund nannte ich als einen der Vorbilder Bassam Tibi, der noch lange vor Seehofer und Merz eine (europäische) Leitkultur formulierte.

X.

Konservative sollten nicht der AfD die Deutungshoheit überlassen. Sie sollten sich aber auch gegen unsinnige Diffamierungen, meist von links, wehren, sie seien rechts, Nazis, oder ihre Argumente „spielen AfD in die Karten“, eine durch Redundanz ins komplett dämliche verfallene Floskel. Von welcher Ecke im Raum applaudiert wird, kann man sich nicht aussuchen und so lang man Anstand und den gesunden Menschenverstand walten lässt, so ist das auch nicht wichtig.

Die obige Einordnung der Begriffe „rechts“, „reaktionär“ und „konservativ“ könnte für die ein- oder andere Diskussion Rüstzeug geben. Und auch wenn Journaille und Kultur tendenziell, wie tendenziös links ist, so gibt es auch sehr erstaunliche Ausnahmen. Politik ist gegenwärtig entweder ebenfalls links, Merkel-beliebig, oder im Rechten und partiell auch Rechtsextremen verordnet.

Doch das muss nicht ewig so bleiben.

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Chemnitz – Wenn Medien und Politik den Verstand verlieren

Ob Jakob Augstein, der wöchentliche Linkspodcast „die Lage der Nation“, ob, oh wunder, Sascha Lobo. Ob das Grantlprantl Blatt, die SZ. Ob die RP, oder unser Staatsfunk, der offiziell keiner ist. Sie alle blasen in das gleiche Horn: Chemnitz ist die wahr gewordene Welthauptstadt Germania, zumindest geistig, und der Sachse, ach, der Sachse, ein armes, noch nicht nicht entnazifiziertes Wesen am Rande des Menschseins, kurz vor dem Übergang zum Hominidae und mit logopädischen Aussetzern, die er Dialekt nennt. Ok, über letzteres kann man streiten.

Ich habe bereits im letzten Blog dargelegt, wie wenig ich von Demonstrationen halte. Ich war bei einigen und ich fühlte mich unwohl. Bei Demos gibt es einen lauten Anteil, der meist weiter vorne des Zuges skandiert und der Veranstaltung ein Gesicht gibt. Und da es nie mein Gesicht war, Parolen zu krakeelen, die oft radikal und sehr dumm waren, meide ich die Teilnahme an Demos. So ist es es auch kaum überraschend, dass Hooligans und Leute, die in ihrem Leben sonst wenig zu sagen haben, bei solchen „Aufmärschen“ mal so richtig sie Sau raus lassen. Und morgen gehts „auf Schalke“.

Ich will nicht sagen, dass ich Demonstrieren an sich ablehne, im Gegenteil. Die jüngste Bewegung, die auf der Straße begann und zum fast friedlichen Regime-Change führte, war die orangene Revolution in der Ukraine um Wiktor Juschtschenko. Diese hat gezeigt, dass auch Konservative revolutionieren können. Und so war es sicher gewollt, dass ein Jahr später Angela Merkel in ihrem Wahlkampf auf die Farbe Orange setzte.

In Chemnitz wird gerade so viel demonstriert, wie seit 89 nicht mehr. Nachdem am Samstag ein Bürger erstochen wurde, folgten diverse Märsche. Trauermarsch mit Glatze und schwarzen Stiefeln bei weißen Bändeln. Wenn in dem Kontext „Trauer“ dafür steht, wie traurig dieser Anblick für die Angehörigen steht, ja, dann ist der Begriff passend. Unter den Augen des steinernden Karl Marx, der für links- wie Rechtssozialisten Ideologie bot, formierte sich eine unheilige Allianz von Neonazis, Fussballschlägern und Leuten, die man besorgte Bürger nennt.

Keine 24 Stunden, nachdem ein Mensch erstochen wurde, gehen tausende lauthals auf die Straße. Das hat mit Trauerarbeit, Gedenken oder Anteilnahme nichts zu tun. Das ist pietätlos. Bei aller Kritik handelt es sich hier um bloßen Aktionismus und um einen Schlag ins Gesicht der Familie und Freunde des Opfers.

Der einzige Grund, warum eine Demonstration nicht eine Woche später angekündigt wurde, wogegen ich nichts sagen würde, ist, dass man die impulsive Empörung der potentiellen Teilnehmer nutzen wollte, um noch viel zahlreicher zu erscheinen. Damit haben die Veranstalter die Entscheidung getroffen, dass es ihnen weniger um den Inhalt, als um so mehr um die Lautstärke geht. Um Masse und Dezibel. Und das auf den Rücken der Hinterbliebenen. Ich habe dazu nichts mehr zu sagen.

Und trotzdem ist das Sachsen Bashing dumm und führt nur zur Verhärtung der Fronten.

Ein Beispiel ist der inzwischen gelöschte Tweet von der durchaus prominenten Frau Chebli, Beamtin in Berlin und Mitglied der SPD

Davon abgesehen, dass, wie üblich, zwischen „rechts“ uns „rechtsradikal“ nicht unterschieden wird, empfehle ich, falls dem Leser die Brisanz des Tweets nicht auffällt , „Rechte“ einmal mit „Muslime“ auszutauschen. Beides ist per se erst mal eine Ideologie; letzteres noch eine Religion dazu, was aber in dem Kontext keinen Unterschied macht. Dann steht da:

„Muslime werden immer stärker, immer lauter, aggressiver, immer radikaler, immer selbstbewusster, sie werden immer mehr. Wir sind mehr (noch), aber zu still, zu bequem, zu gespalten, zu unorganisiert, zu zaghaft. Wir sind zu wenig radikal.“

Diese Aussage ist, da brauchen wir nicht reden, eine absolutes No-Go. Die Originalaussage dagegen würde der Durchschnittslinke abnicken. Man könnte sich noch behelfen, dass bei der Ablehnung von „Muslimen“ Rassismus vorliegt, was insofern stimmen würde, wenn man Anhänger einer Glaubensrichtung als „Rasse“ definierte, was unsinnig ist. Pierre Vogel ist so deutsch wie Sauerbraten und trotzdem ein Anhänger des Islams. Der elaborierte Linke käme womöglich mit dem Begriff des „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ um die Ecke, dem ich gar nicht widersprechen möchte. Aber dann zählt er für den Tweet von Chebli und „den Rechten“ ebenso. Freilich ohne einen Funken Empörung bei den Linksbesaiteten.

Aber auch auf der politischen Rechten gab es Unanständiges zu lesen. Markus Frohnmaier, Sprecher von Alice Weidel, lies diesen Tweet ins Netz, den er offenbar so toll fand, dass er ihn an sein Twitter-Profil geheftet hat:

Ein klarer Aufruf zur Gewalt. Empörung aus der eigenen Partei gab es freilich nicht. Auch hier empfiehlt sich das Austauschen von „Bürger“ in „Muslime“. Völlig zu Recht würden wir dann über radikale Muslime reden, die ihre Gesetze über die herrschenden deutschen Gesetze stellten.

Ja. Das Sachsen-Bashing bleibt dumm und geht am Thema vorbei.

Eine gesamte Medienlandschaft spricht von „Hetzjagden“ (Plural), „Zusammenrottungen“ (ein Begriff aus dem DDR Recht) und „braune Invasoren“. Eine gesamte Medienlandschaft hat den Verstand verloren. Eine gesamte Medienlandschaft bezieht sich auf ein Handyvideo., bei dem keiner verletzt wurde und das sich außerhalb der Demo abspielte.

Eine ganze Medienlandschaft vergisst, was der Auslöser war und worum es vordergründig gehen sollte: Um den Tod durch Messerstiche. Straftaten, die in Deutschland zunehmen und ja, vor allem von Migranten. Stattdessen radikalisieren sich beide Seiten, unfähig, das Problem sachgerecht zu beleuchten. Lieber kramt man, wie im Deutschlandfunk, aber auch in der benannten „Lage der Nation“ ein 18 Jahre altes Zitat von Sachsen Ex-Ministerpräsident heraus und lässt den Kontext weg. Kurt Biedenkopf sagte 2000: „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“. Wissen Sie, warum er das ausgerechnet im Jahr 2000 sagte? Da ertrank der kleine deutsch-irakische Joseph in einem sächsischen Freibad. BILD Zeitung, aber auch die SZ und viele stützten sich auf die Aussage des Vaters, sein Sohn sei von zwei Neonazis ertränkt worden, während die anderen Besucher zusahen.

Ende vom Lied: Niemand hatte zugesehen, niemand hatte ertränkt.Joseph litt an einem Herzleiden, der Vater hatte gelogen. Auf die unfassbare Berichterstattung, Grantlprantl berichtete über „die braunen Hintergründe der Tat“, die BILD schrieb von „50 Neonazis“ und „ein Dorf schaute zu“, reagierte Kurt Biedenkopf. Kontext, und so. Er stellte sich schützend vor sein Volk, was heute leider kaum ein Politiker mehr hinbekommt.

Deutschland hat ein Radikalismus Problem. In Sachsen ist der Rechtsradikalismus sicher größer, als in Berlin, wo islamische Clans herrschen und linksextreme Splittergruppen für Chaos sorgen. Schlimm ist, wenn Politiker, oder Medienleute diesen Radikalismus unterstützen. Denn Journalisten beeinflussen. Sie können sehr stark und einseitig berichten, wie gerade über Sachsen, oder verhalten und zu spät, wie weiland in der Kölner Silvesternacht 2015.

Eigentlich haben Medien die Wahl, nicht zu schreiben, wonach Ihnen ist, sondern zu berichten, was ist.