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Ins Bullseye des Schwachsinns – Über Juden, Homos und Selling Points

Ich hab‘ da so ein Faible und das ist die Zwiebelkirchweih in Würzburg. Ja.

Immer zum September treffen sich die ankommenden Wallfahrer und genießen die Gastronomie in der ehrwürdigen Semmelstraße. Auch die ansässige SPD ist in ihrem Innenhof zugegen. Bei Musik, Bier und Steak bespricht man die großen und kleinen Themen des Lebens.

Vor einigen Jahren saß ich mit einem regionalpolitisch engagierten Freund ebenda. Und als er sich aufmachte, wisperte eine, mir von Plakaten bekannte, SPD Politikerin zu einem anderen. „Das ist der X, die Schwuchtel“.

Der Hass auf Menschen, die so sind, wie sie sind, ist alltäglich und Betroffene reagieren auf drei Arten darauf: Manche ignorieren es, andere werden wehrhaft und andere wiederum schüchtert es ein. Ich gehörte lange zur ersten Gruppe, mittlerweile tendiere ich stark zur zweiten. Einschüchtern lassen ist dagegen keine Option. Was wäre das für ein armseliges Zeichen gegenüber den Jugendlichen, die sich heute outen, vielleicht in Ländern, in denen sie verfolgt würden? Wenn ich es nicht schaffe, wer dann?

Und es stimmt, ich hatte mit meinem Umfeld, meiner Familie, mehr Glück, als andere. Doch auch in meinem Leben haben sich Freunde abgewandt, was freilich schlimmer war, als ein „Schwuchtel“ zu hören. Manche haben sich entschuldigt, andere nicht. Ich bin niemanden mehr böse. Jeder Mensch hat seine dunklen Seiten, jede Zeit macht seine Wunden, die dann auch mal heilen.

Vielleicht ist das eine Erklärung, warum ich den Kampf gegen Antisemitismus ernster nehme, als andere. Damit möchte ich Schwulenhass weder vergleichen, noch aufwerten. Es sind unterschiedliche Dinge, die ähnlich wirken. Der Grund, warum Judenhass auf ewig präzedenzlos sein wird, ist, neben der historischen Singularität, die Komponente der Verschwörungstheorie. Adorno hatte völlig recht, als er schrieb, Antisemitismus sei „das Gerücht über den Juden“. Der soziologische Neusprech, „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, trifft da nicht ansatzweise den Kern.

Ins Bullseye gezielt hat offenbar Oliver Polak, von dem ich erst eine nette Kolumne auf Welt+ gelesen habe. Weder wusste ich, dass er Comedian, noch, dass er Jude ist. Wozu auch. Deutsche Comedian sind fast allesamt furchtbar und seine Angehörigkeit zu was auch immer tut erst mal nix zur Sache.

Antisemitismus als Selling Point

Nun hat er mit einem Büchlein, das „Gegen Judenhass“ heißt, seine Erfahrungen als Jude aufgeschrieben. Ich möchte nicht dem gelungenen Artikel von Stefan Niggermeier vorgreifen -bitte lesen- nur so viel: Ohne Namen zu nennen beschreibt Polak diverse mehr oder weniger antisemitische Situationen. Immer wieder dabei: Jan Böhmermann.

Ob er während eines privaten Gesprächs Polak immer wieder diabolisch „Jude“ ins Ohr wisperte oder er dem Komödianten in einem Gespräch sein Judentum als „unique selling point“ erklärt hatte, nachdem er mit diesem Satz anmoderiert worden war : „Das nächste mal kommt Oliver Polak, weil der Mossad das will“, (weiter Böhmi unter Vier Augen: „Da musst du jetzt durch“) oder andere Geschmacklosigkeiten.

Jan war dabei. Und er reagierte auf die Enthüllung, die eigentlich keine war:

Davon abgesehen, dass er in seiner Show so ziemlich jede Scheiße promotet: Nicht souverän. Nicht witzig. Aber ein Lacher für seine Zielgruppe. Deutsche Juden dürfen offenbar nicht über ihr jüdisch-sein schreiben, wohl aber dürfen Nichtjuden auf Kosten ihres Judentums lachen. Shakan Shapiras Yolocaust: Ja. Oliver Polak: Nur, wenn er sich über sich lustig macht. Und seit dem Buch ist er eine persona non grata. Zumindest für Böhmermanns geklärte Welt am Lerchenberg.

Statt dass sich Böhmi entschuldigt, antwortet er nach der medialen Aufdeckung mit dieser perfiden Täter-Opfer Verdrehung. Von einem Talkmaster, der nicht selten als moralisches Gewissen auftritt, von einem Gebührenalimenrierten, ist das freilich zu wenig. Es ist gar nichts. So unreflektiert wie der Yolocaust, so unreflektiert antwortet der „Chefsatiriker“.

Ich kenne deutsch-russische Juden, die ihr Judentum im Freundeskreis verheimlichen, weil ihr Freundeskreis, islamisch geprägt, sich aggressiv antisemitisch geäußert hat. Als „Russe“empfängt er noch etwas Restanstand. Als „Jude“ würde er gefährlich leben.

‚Ist ein bisschen wie bei uns Homos. Wieviel unterdrücktes schwules Leben gibt es, weil das Umfeld feindlich ist, wie viele junge Queers sich heute noch verstecken müssen, weil sie so sind, wie sie sind, ist kaum aushaltbar. Ein Bekannter Schwulenrechtler sagte einmal: „Nicht jeder Homosexuelle wurde angegriffen. Aber so gut wie jeder Homosexuelle kennt jemanden, der angegriffen wurde.“ Als ich diesen Satz einem befreundeten Juden mitteilte, nickte er. „So geht es uns auch.“

Leute wie Jan Böhmermann tun niemanden einen Gefallen. Sie sind, wie Angela Merkel sagen würde, „nicht hilfreich“. Wissend, dass die Mehrheit seines Klientels nicht reflektieren will, oder kann, hat er die Klickzahlen auf seiner Seite. Ob Ostdeutsche, ob Juden, ob Nichtlinke. Die Angriffsfläche kann kaum größer sein, die Pointen kaum erwartbarer. Im intellektuellen Niemandsland ist man stets in guter Gesellschaft. Jan Böhmermann will den Spagat zwischen Satire und moralische Instanz schaffen und scheitert letzten Endes an beidem. Der Zielgruppe, das linksbürgerliches Bildungstum, dürfte das nicht auffallen.

Ein schiefer Vergleich

Mir sagte einmal jemand, ihm verwundert mein Engagement für Juden und er vermisse gleiches beim Kampf gegen „Islamophobie“. Da ist etwas dran. Eine ganze Menge sogar. Wundern braucht man sich allerdings nicht.

Zunächst einmal hat jeder so seine Themen. Eine Abwägung, wenn man Dinge mit Ernsthaftigkeit verfolgen will, ist absolut notwendig. Ferner sehe ich eine Armada von Verbänden und Parteien, die sich um das Wohl der Muslimen kümmern. Was auch okay ist, mir ist alles Recht. Während Juden, sowie Homos in Deutschland ganz natürlich Minderheiten sind und bleiben, kann man das von muslimisch geprägten Menschen in westdeutschen Metropolen nicht behaupten. In vielen Stadtteilen dürfte der Anteil über 30% liegen, Tendenz, und da muss man nun kein Orakel sein, steigend.

Natürlich gibt es Hass gegen Muslime. Aber es ist eben ein umstrittener Vergleich, dies mit Antisemitismus zu vergleichen. Denn Antisemitismus entstand aus dem christlichen Antijudaismus, eine über 2000 Jahre gültige Verschwörungstheorie, die seit je her faszinierend ähnlich argumentiert. Sei es im Mantel des Antizionismus, oder im Janker des islamischen Antisemitismus. Antisemitismus braucht kein Ereignis, noch nicht einmal Juden. Er funktioniert fern ab von Raum und Zeit.

Ein weiteres Hinken am Vergleich ist die Tatsache, dass das Judentum wenigstens Volkszugehörigkeit und/oder Religion ist, während der Islam mindestens Religion, kulturelle Herkunft, aber auch Ideologie darstellt. Ein Volk zu hassen ist Rassismus. Eine Religion, oder eine Ideologie abzulehnen ist oft genug Gebot der Stunde. All das rechtfertigt keinen Hass auf Menschen. Aber es lässt verstehen, warum für viele der Islam ein rotes Tuch.

Muslime, die längst den Cadillac der Minderheiten bestiegen haben, erfreuen sich gesteigertem Artenschutz. Dass ihre Ideologie im gleichen Atemzug Handwerkszeug für Diskrimierung von Frauen, Homos, Juden und alles Ungläubige gibt und nicht wenige dies auch nutzen, wird nicht gesehen. Diese Tatsache kommt auch nicht bei Böhmermanns Schenkelklopf-Parade vor.

Vielleicht schaffe ich es nächstes Jahr wieder zur Zwiebelkirchweih. Vielleicht können immer mehr Menschen so leben, wie sie sind. Vielleicht bricht der russische Jude aus seinem Umfeld aus. Wir müssen aufpassen, dass unsere Errungenschaften gegenüber dem einen Patriarchat nicht von einem anderen Patriarchat rückabgewickelt wird.

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Irgendwie Philosoph – Ökonomie als Geisteswissenschaft gedacht und warum das nötig ist

Philosophie, wie ich sie verstanden und gelebt habe, ist das freiwillige Leben in Eis und Hochgebirge – das Aufsuchen alles Fremden und Fragwürdigen im Dasein, alles dessen, was durch die Moral bisher in Bann getan war.“

Das war Nietzsche.

Nun bin ich für wahr kein Philosoph, mag Eis eher am Stil und Hochgebirge tendenziell von Weitem. Und doch bin ich immer wieder dieser Denker gestoßen und tu das noch stets, ob Popper oder Satré, oder sonst wer.  Warum? Weil ein ansatzweises Verstehen der Welt nicht ohne Philosophie, wenn man denn „Out of the Box“ denken will, möglich ist. Schwierig wird aber auch ein Verstehenwollen ohne Ökonomie, die mich schon seit Ewigkeiten fasziniert. Warum ist der Kaffee am Flughafen so schweineteuer? Können Staaten Arbeitsplätze wirklich schaffen? Gibt es Moral am Markt? Wie können Staaten ihren Bürgern zu Wohlstand verhelfen? Was ist überhaupt Wohlstand? Und was Wohlfahrt?!
Ich glaube, dass die Wirtschaftswissenschaften nicht nur als Sozialwissenschaft im weiteren Sinn zu sehen sind und als solche sich mit Stochastik, Algebra und all der Dinge mehr die Welt versuchen, zu erklären. Sie ist und kann nicht anders, als ebenfalls Geisteswissenschaft zu sein. Aber ja! Und wenn man Wilhelm Dilteys Definition folgt, Sozialwissenschaften seien für das Erklären und Geisteswissenschaften für das Verstehen zuständig, so stellt sich die Frage des Abgrenzens.

Das „Wie“ und das „Warum“

Gegenstand der Sozialwissenschaften ist die Gesellschaft. Sie kann untersucht und beobachtet werden. Über die Ursachen von Handeln werden Annahmen gestellt, ein Nacherleben ist nicht möglich. Zwar kann man zum Beispiel unter einer Laborsituation über einen begrenzen Zeitraum ein bedingungsloses Grundeinkommen simulieren. Rückschlüsse darüber, wie sich die Sozialleistung außerhalb des Experiments auswirkt, sind nur bedingt möglich. Denn die Probanden wissen, dass der Versuch endlich sein wird. Ebenso leben sie nicht in einer Gesellschaft des Grundeinkommens, sondern sind nur punktuell und aufgrund von bestimmten Kriterien ausgewählt worden. Ein sozialwissenschaftliches Labor in Echtzeit hätte die Größe einer Kleinstadt und müsste mindestens als Blindtest verlaufen, was freilich nicht durchführbar ist. Das stete Definieren von Annahmen stellen größte Anforderungen, gerade in der Ökonomik, dar.

Die Geisteswissenschaft hat die Erzeugnisse des menschlichen Geistes zum Gegenstand. Diese können, weil sie vom Menschen selbst hervorgebracht sind, verstanden werden. Die spannende Frage, die sich ergibt, ist freilich, inwieweit Menschen Gesellschaften erschaffen (können). Um nicht ein erneutes Fass aufzumachen, geht hier eine Annahme von René Spitz, voraus, der bekannt für seine Experimente an Säuglingen wurde:„Niemand kann ohne andere Menschen existieren.(…)Daher komme ich nicht umhin, zu behaupten, dass Menschen Gesellschaft schaffen.“
Hier ergibt also eine grundliegende Unterscheidung in der Methodik von Beobachten und Erkennen. Das Erklären arbeitet mit den Bedingungen von Ursache und Wirkung ist ist stets so darzustellen, dass jeder den Sachverhalt nachvollziehen kann. So ergibt sich, um beim genannten Beispiel zu bleiben, aus der Beobachtung, dass der Proband mit dem Grundeinkommen nach einigen Monaten vertiefter Ehrenämter ausfüllt. Ursache der Wirkung ist, ich unterstelle, die finanzielle Freiheit.
Beim Verstehen muss jeder, so hat es Diltey formuliert, „sich den Zugang erst freilegen“, indem er sich zunächst klar wird, wie sein Standpunkt ist. Erst dann sind wir in der Lage, das Tun und Handeln des anderen zu verstehen. Wieder zum Beispiel: Nun gilt es zu erklären, was die inneren Beweggründe waren, im Ehrenamt sich stärker zu engagieren. Warum überhaupt Ehrenamt? Wie sieht sich der Proband? Vereinfacht gesagt, befasst sich die das Erklären mit dem „Wie“ und das Verstehen mit dem „Warum“.

Ich setze also, um auf den Kern zurückzukommen, in den folgenden Überlegung voraus, dass Gesellschaft nicht nur durch, sondern auch vom Menschen hervorgeht. Und so wie dies der Fall ist, kann eine im Grunde sozialwissenschaftliche Disziplin durchaus eine Geisteswissenschaft sein, da ihr Forschungsgegenstand eine im Kern verstehbare Gesellschaft ist. Sie muss es sogar.
Professor Alexander Ebner, Wirtschaftssoziologe, hat sich damit sehr viel tiefer befasst. Dieser sitzt an der Uni zu Frankfurt, wie passend, am Theodor-Adorno Platz.
So wie Max Weber für seine Disziplin nicht irgendwie nur Soziologe war, sondern auch ein veritabler Philosoph, so war Milton Friedman auch nicht nur irgendwie Ökonom, sondern mindestens noch Philosoph. Oder Hayek, Vater der österreichischen Schule, war meines Erachtens in erster Linie Philosoph und wurde zwangsläufig zum Ökonomen. Von ihm stammt aus „Der Weg zur Knechtschaft“ dieses passende Zitat:

Ein Physiker, der nur Physiker ist, kann durchaus ein erstklassiger Physiker und ein hochgeschätztes Mitglied der Gesellschaft sein. Aber gewiss kann niemand ein großer Ökonom sein, der nur Ökonom ist – und ich bin sogar versucht hinzuzufügen, dass der Ökonom, der nur Ökonom ist, leicht zum Ärgernis, wenn nicht gar zu einer regelrechten Gefahr wird.“

Es gibt viele Möglichkeiten, die Ökonomie einzuteilen. Doch eine Einteilung wie etwa in Mikroökonomie und Makroökonomie ist spätestens jetzt insuffizient, da ich einen wesentlichen Teil der Wirtschaftswissenschaft in die Philosophie verorte. Daher halte ich eine grobe Einordnung in Ökonomische Philosophie, Ökonomische Theorie und Ökonomische Politik für sinnvoll. Spätere feinkörnigere Einteilungen liegen auf der Hand. Ob, wie erwähnt, Mikro, Makro, oder gar BWL und VWL, wobei ich letzteres für eine ungenaue und in Teilen unzutreffende Unterscheidung halte. Neben der theoretischen Aufteilung, möchte ich auch einen ganz praktischen Ansatz liefern. Als Beispiel wähle ich den Liberalismus, den ich sodann durch die drei Instanzen deklinieren werde und sich als leitendes Beispiel durchziehen wird.

1. Ökonomische Philosophie

Philosophie bedeutet übersetzt die Liebe zur Weisheit. Sie ist die Lehre vom Erkennen und Wissen, das Streben nach Erkenntnis über das Wesen der Welt und die Stellung des Menschen in dieser. Wenn man mit Ökonomie die Disziplin meint, die sich mit dem grundlegenden Aufbau, den Abläufen und Zielen der Wirtschaft befasst unter der Annahme knapper Güter, wird ein Schuh daraus:
Ökonomische Philosophie macht also nichts weiter, als sich mit theoretischen, ethischen, sowie praktischen und politischen Grundlagen der Ökonomik zu befassen. Wo stehe ich als Marktteilnehmer? Gibt es Ethik in Unternehmen? Was ist Wohlstand? Streben Menschen nach Freiheit? Was ist Freiheit? Gibt es politische Freiheit ohne ökonomische Freiheit? Braucht der Mensch Arbeit für seine Existenz?

Nun, es gibt Teildisziplinen der ökonomischen Philosophie Zum Beispiel:

  • Theorie der ökonomischen Erkenntnisse
  • Unternehmensethik
  • Markt, Moral und Politik
  • Wirtschaft, Wohlstand und ein gutes Leben
  • Ökonomie und Ökologie aus ethischer Sicht
  • Ökonomie in der Pädagogik aus ethischer und ökonomischer Sicht
  • Menschenbilder in der Ökonomik

Im Sinne einer Adaption der Managementtheorie ist die ökonomische Philosophie die strategische Haltung. Mit Haltung ist hierbei eine innere Grundeinstellung gemeint, die Denken und Handeln beeinflusst. Strategisch bedeutet, dass sich dieser Zweig mit der Entwicklung, Planung und Umsetzung inhaltlicher Ausrichtung beschäftigt. Hier ist es unerlässlich, dass eine Vision formuliert wird. Eine Vision ist die formulierte Vorstellung des Zustandes und vor allem Ausrichtung von Gesellschaft und Staat. Am Beispiel des Liberalismus sei hier der simple Satz von Milton Friedman genannt, der sich wie ein Kaugummi durch seine Lektüre zieht:

„People wanna be free“.

Doch was ist Liberalismus? Eine Philosophie, klar, die nach Freiheit in Politik, Ökonomie und in sozialer Ordnung strebt. Aus liberalen Bewegungen gingen in vielen Ländern Nationalstaaten und Demokratie hervor. Willkür, Kollektivismus werden abgelehnt, ebenso wie Diktaturen und Gesellschaftsideen, die der Freiheit entgegen stehen.
Zurück zur Managementtheorie. Die ökonomische Philosophie für Staat und Gesellschaft ist nichts mehr, als der Aufsichtsrat für einen Konzern. Er gibt die ethischen Leitlinien vor, er formuliert die Vision, wohin sich die Gesellschaft bewegen soll. Dazu versucht sie Menschenbilder und ökonomische Erkenntnisse begreifbar zu machen.

2. Ökonomische Theorie (Wirtschaftstheorie)

Wenn die „ökonomische Philosophie“ die strategische Haltung sei, dann stellt die „politische Theorie“, wenn man die Managementtheorie von Wöhe weiterhin frei adaptieren will, die taktische Haltung. Sie konkretisiert die strategischen Zielvorgaben für den mittelfristigen Planungszeitraum und formuliert Theorien. Während die ökonomische Philosophie die Gesellschaft verstehbar macht, versucht die ökonomische Theorie diese zu erklären. Hierbei helfen, sozialwissenschaftliche Werkzeuge, häufig geliehen aus den Naturwissenschaften.
Meines Erachtens ist eine ökonomische Theorie nur dann verstehbar, wenn sie zuvor als Geisteswissenschaft betrachtet wurde. Denn wenn die Philosophie die Welt und die menschliche Existenz deutet, dann ist eine Ökonomie beispielsweise mit Konjunkturtheorien, abgebildet in Funktionen, notwendig, nicht aber hinreichend zufriedenstellend. Denn Dinge wie „Moral“, oder „Erkenntnis“ lassen sich schwerlich in Funktionen ausdrücken. Oder doch? Die Ableitung der Funktion von Ethik ist die von Moral? Na,ja, lassen wir das.
Nun haben wir Liberalismus als Philosophie genannt, als strategische Haltung, und Milton Friedman als Vertreter dessen gewählt. Nächster Schritt ist das Formulieren der ökonomischen Theorie und klar, es kann nur der Monetarismus sein. Anhänger dieser Theorie sehen die Geldmenge als Steuerung des Wirtschaftsablaufes an. Eine zu starke Ausdehnung der Geldmenge führe demnach zu Inflation, eine zu starkes Bremsen zu Deflation. Kurzfristige Eingriffe des Staates zur Steuerung der Wirtschaft werden strikt abgelehnt. Der Monetarismus geht ferner von einer relativ stabilen Geldnachfrage aus. Grundlage, um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, ist die Quantitätstheorie.
Aufgrund dessen erscheint es nur folgerichtig, dass ein zentraler Punkt der Monetaristen eine dezidiert nicht politische Zentralbank sei, die mit der Steuerung der Geldmenge das politische Geschehen mitbestimmt. Auch staatliche Eingriffe in die Fiskalpolitik werden als unwirksam abgelehnt. In Wahrheit, so Friedman, sind staatliche Finanzierungen keine Fiskalpolitik, sondern Geldpolitik, also das Ausdehnen der Geldmenge, das aufgrund der Befürchtung von Inflation abgelehnt wird.
Wenn die ökonomische Philosophie der Aufsichtsrat darstellt, ist die ökonomische Theorie, oh Wunder, der Vorstandsvorsitzender, die die Strategie, das Leitbild, auf die taktische Ebene herunterbricht. Sie versucht mit empirischen Mitteln ökonomische Entscheidung einzuordnen und Handlungsanweisungen für die Zukunft zu kreieren.
Keine Taktik, ohne Strategie. Und schon gar kein Handeln ohne Taktik, oder Strategie, wo wir schnurstracks in die Richtung der Wirtschaftspolitik marschieren.

3. Ökonomische Politik (Wirtschaftspolitik)

Ökonomische Philosophie ist das begreifbar machen von Gesellschaft z.B. in Form von ethischer Einordnung. Ableitend dazu versucht die ökonomische Theorie, Gesellschaft und Staat als ökonomische Stakeholder mit sozialwissenschaftlichen Instrumenten zu erklären. Daraus wiederum abgeleitet, will die Wirtschaftspolitik konkrete Entscheidungen kreieren.
Wir betrachteten den Liberalismus als Beispiel für die Philosophie, daraus entstehend Friedmans Monetarismus. Die Umsetzung dessen, auch wenn sie in Ansätzen z.B. in den USA unter Reagan geschah, hat leider keinen wirklichen, unpolemischen Namen. Also sei er nachfolgend „angewandter Miltonismus“ genannt. Milton Friedman möge mir das verzeihen. Die Wirtschaftspolitik ist also die  operative Haltung, die ausführend und aufbauend auf der ökonomischen Theorie ganz konkrete Vorschläge macht. Sie ist das Consulting der Politik in speziellen Fragestellungen.
Aus der ökonomischen Theorie ergeben sich nun ganz praktische politische Handlungsanweisung. Als Beispiel des Miltonismus seien genannt und das sind die entsprechenden Rückschlüsse:

  • Keine politische Beeinflussung der Notenbank
  • Die Notenbank macht keine Wirtschaftspolitik mit der Druckerpresse (Kein Draghi „Whatever it takes“), sondern beschränkt sich darauf, die Geldmenge stabil zu halten
  • Ablehnen von Monopole
  • Wenn Monopole unvermeidbar sind, sind private Monopole wünschenswerter, als staatliche Monopole
  • Keine staatlichen Schulen, stattdessen staatlich anerkannte Schulen – Die Kinder bekommen Bildungsgutscheine, die Schulen treten in Konkurrenz um die Schüler
    Möglichst geringe Steuerlast
  • Statt Sozialleistungen soll gegebenenfalls eine negative Einkommenssteuer gezahlt werden. Wenn ein Bürger unter einem definierten Existenzminimums verdient, bekommt er anteilig vom Finanzamt in Form eines Bürgergeldes diesen Betrag aufgestockt. Er bekommt um so mehr, bis hin zum gesamten Betrag, je weniger er verdient. Friedman bezeichnete den Gang zum Sozialamt als entwürdigend und ein Akt der Unfreiheit. Nur am Rande: Die negative Einkommenssteuer gilt als eine Variante des Grundeinkommens.

Und nu?

Mir ist klar, dass mein Versuch, ökonomische Philosophie unter anderem mit Managementtheorien zu erklären, nicht auf nur Gegenliebe stößt. Und gerade sehr algebraisch gepolte Mikroökonomen werden die Augenbrauen hochziehen, wenn sie lesen, ihre Ökonomik sei durchaus auch eine Geisteswissenschaft. Aber mei, irgendwer regt sich immer auf.
In dem Zusammenhang seien aber auch der mir nicht ganz unbekannte Prof. Harald Bolsinger genannt, aber auch der Bestseller Autor Tomáš Sedláček. Beide schlagen in die gleiche Kerbe. Aber auch Hans-Werner Sinn, der im übrigen zum Thema Karl Marx promovierte, würde meinen Ausführungen vielleicht nicht zustimmen, mir womöglich in Teilen Recht geben. Und es stimmt schon: Ein Ökonom, der nur Ökonom ist, wird, laut Hayek, nicht nur leicht zum Ärgernis, sondern sehr schnell und schwer zum Problem. „Deformation Professionelle“ ist in vielen Disziplinen eine tragische Angelegenheit. Gerade in der Ökonomie. Ich bin mir sicher, dass eine geisteswissenschaftliche Betrachtung dieser Disziplin dem entgegen wirken wird.
Die Wahrheit ist: Die Philosophie kommt mit einigen Wehwehchen durchaus ohne die Ökonomie aus. Wirtschaft jedoch ohne Philosophie zu denken, halte ich für, im Wortsinn, undenkbar. Man kann nicht nichts verstehen, aber alles erklären wollen. Und so sind viele Ökonomen durchaus philosophisch interessiert und der eine, oder andere war und ist, klammheimlich, irgendwie Philosoph.

Quellen:

Martin Dormes – Die Psychologie von Rene A. Spitz

https://www.haushaltssteuerung.de/lexikon-management-strategisch-taktisch-operativ.html

Hayek: Der Weg zur Knechtschaft

http://www.fb03.uni-frankfurt.de/49144096/Ebner_2014_Oekonomie-als-Geisteswissenschaft.pdfwöhe einführung in die allgemeine betriebswirtschaftslehre

Wöhe- Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre

https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/philosophie-53895

https://www.akademie.de/wissen/unternehmensvision-entwickeln/was-ist-eine-vision-0

https://www.duden.de/rechtschreibung/Haltung

Thomas Meyer: Die Struktur des Monetarismus

Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit

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Liebe SPD, ich mag dich, aber….

Liebe SPD,

mit dir hab‘ ich es nicht leicht. Deine Renitenz hat mir das eine oder andere mal den Puls nach oben schießen lassen. „Soziales“, immer wieder „sozial“. Ja, ja. Was das heißt, verwirrte nicht nur einst Hayek, sondern auch mich. Aber, du Partei, ich mag dich, mit all deinen Kanten und Narben und Krampen, all das was im Argen liegt bei dir, ach ja. Du hast’s nicht leicht. Ich seufze tief und schreib‘ mit letzte Tinte, wie weiland der Grass, dies‘ Worte. Pathos, Pathos!

In meinem letzten Blogpost schrieb ich, liebe SPD, man solle auf dich nicht treten, denn du liegst ja schon am Boden. Einen Text jedoch über die Sozialdemokratie ohne Kritik ist leider schon am ersten Absatz gescheitert. Sorry dafür. Dennoch möchte ich einiges klarstellen, weil ich glaube, dass du möglich bist. Ja. Du bist möglich.

Ich habe Schröder Zeit seines Amtes geschätzt und gehasst. Letzteres, weil ich mich damals links verstand und mir daher die Agenda 2010 als großen Fehler erschien. Ersteres, weil du die Reform gegen all die Widerstände durchgeboxt hast. Am Ende fehlte sogar nicht viel, dann hättest du die Wahl gewonnen 2005 gewonnen, denn trotz der Konkurrenz der Lafontaine-SED-Partei bzw. auch Dank eines schrottreifen Wahlkampf der CDU,  trennten SPD und Union nur weniger Prozentpunkte.

Liebe SPD, was hast du für Böcke geschossen! Riesen Viecher, ich sag’s euch.  Im Wahlkampf 2005 setztest du auf Frieden. Schröder sagte „nein“ zum Irak Krieg, verschwieg aber, dass Deutschland natürlich mit hing, denn Bündnisverpflichtungen galten nach wie vor. Die irrste Pirouette auf der Politbühne vollbrachtest du aber mit der „Merkel Steuer“. Die CDU wollte in ihrem Wahlprogramm einerseits die Mehrwertsteuer um  2% erhöhen, um damit die Lohnnebenkosten zu senken. Diese Erhöhung nanntest du, wie erwähnt, „Merkel Steuer“.

Und was passierte dann in der Großen Koalition?. Aus zwei mach drei % und, ach ja, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden nicht gesenkt. Das ist bis heute meine griffigste und traurigste Geschichte, wenn es um Lügen im Wahlkampf geht. Ja, liebe SPD, die hast du zu verantworten. Und komm‘ mir jetzt bloß nicht mit „den anderen“, den Schwarzen oder der FDP. Die haben auch ihre Leichen im Keller, ja, aber hier geht es gerade um dich.

Es folgten Kanzlerkandidaten wie Steinmeier, der rhetorisch wie Schröder klang und Steinbrück, ein wackerer Ökonom, dem man ein viel zu linkes Wahlprogramm zugemutet hatte. Beide Kandidaten hatten – a nativitate – den gleichen Fehler: Sie waren Minister aus der aktuellen Regierung und insofern ab einen gewissen Punkt kastriert, wirklich glaubwürdig die CDU zu kritisieren. Merkel, inzwischen arriviert im Überparteilichen, konnte mühelos auf, die in ihren Augen, Erfolge verweisen, die sie mit den beiden Kandidaten jeweils vollbracht hatte.

2015 folgtest du, wie selbstverständlich und trotz der Warnungen vieler deiner Bürgermeister, Merkels Einwanderungspolitik. Die Kanzlerin befahl dem Innenminister, ein Dekret zu erlassen, was De Maizière dem Bundespolizeirpräsidenten auch mündlich überbrachte. Dies lautete:„Drittstaatsangehörigen ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente und mit Vorbringen eines Asylbegehrens ist die Einreise zu gestatten.“ Das gilt übrigens bis heute. „Vorbringen eines Asylbegehrens“ ist hübsch technokratisch formuliert und heißt lediglich, das Wort „Asyl“ formulieren zu können.

Da hätte ich mir schon, liebe SPD, gewünscht, dass du das kritisiert. Denn bis heute gibt es keine explizite Anordnung, geschweige denn eine Entscheidung des Parlaments. Gerade von dir, der als Moralist im besten Sinne die Geschichtsbücher schmückt und nicht zuletzt wegen der Stimmen gegen das Ermächtigungsgesetz das Parlament zu dem wichtigsten Ort der Politik gemacht hat, hätte ich erwartet, dass in eben dieser Instanz über die singuläre Entscheidung der Grenzöffnung debattiert und abgestimmt wird. Dies geschah nicht und ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte präzedenzlos und kein Ruhmesblatt der Demokratie.

Auf die späteren und multiplen Entgleisung des Schulzzuges möchte ich gar nicht eingehen. Das haben schon genug und ich denke, liebe SPD, du weißt: Das war nüscht.

Und jetzt stehst du da, nicht an der Laterne, wohl aber mit Tränen im Gesicht. Ein erneuter Schlag, ein erneuter Tiefpunkt. Unter 10% in Bayern ist dramatisch, könnte aber, wenn du es richtig angehst, durchaus Trendwende sein. Dazu habe ich sieben Vorschläge.

 

  1. Der Hashtag #SPDerneuern ist Sinnbild der Leere, die hinter dem Wort steckt. „Erneuern“ wäre glaubhaft, wenn du inhaltlich oder personell etwas geändert hättest, was in Gänze gar nicht möglich ist. Wer sollte denn Parteichef werden und mit welchen Inhalten? Dein Wording, wie man so schön sagt, ist katastrophal ausgelutscht. Ihr braucht dringend neue Vokabeln. Gestrichen sind ab jetzt „Sozial“, „Solidarisch“, „Gerechtigkeit“. Das sind, wo wir wieder bei Hayek wären, Wieselwörter. Die alles bedeuten können und somit gar nichts aussagen. Die Leute können das nicht mehr hören.
  2. Wenn die SPD Volkspartei sein will, falls das noch möglich ist, dann muss sie sich auch wie eine Partei des Volkes aufstellen. Vor allem inhaltlich. Das Problem ist, dass die Linksliberalen, die eine „No Borders no Nations“ Utopie träumen, völlig überrepräsentiert ist. Am Stammtisch einer Volkspartei sitzt der Lehrer neben dem Arbeiter, dem Professor und dem Arbeitslosen. Irgendwie sind bei der SPD bis auf ein paar Lehrer und ein Professor alle gegangen. Will sagen: Ihr seid zu links. Ja. Und links ist kein Platz mehr. Es gibt eine Grüne Partei, die in ihrem verstrahlten Wohlfühlwahlkampf alles Linksbürgerliche mitnimmt. Und wenn einem die Grünen zu bourgeois sind und sie mit Alt-SED Kader und Extremisten kein Problem haben, geht man zu den LINKEN. Früher saßen an dem genannten Sozi-Stammtisch Leute wie Renate und Ulla Schmidt neben Wolfgang Clement, Otto Schily und gegenüber Andrea Nahles, neben Rudolf Dreßler, usw. Heute ist die parlamentarische Linke programmatisch nicht mehr von der Gesamt SPD zu unterscheiden. Vom Seeheimer Kreis möchte ich gar nicht reden. Den gibt es wohl nur noch in Seeheim.
  3. Sinnbild der sozialdemokratischen Schwäche ist die Stärke der Jusos. Jeder kennt den Namen Kevin Kühnert. Doch niemand erinnert sich an Johanna Ackermann oder Sascha Vogt, beides ehemalige Vorsitzende. Es ist wie daheim: Wenn die Kinder in der Familie sagen, wo es lang geht, läuft etwas schief. Die Jusos schlagen mit ihrem Slogan „Sozialistisch. Feministisch. Internationalistisch“ genau in die in Punkt 2 angesprochene Kerbe. Der Prenzlauer Berg ist endlich. Und die Antifanten wählen im Zweifel auch nicht SPD.
  4. Die SPD muss wieder Politik für ihre Potentiale machen. Dem Angestellten bei Siemens interessieren offene Grenzen oder sicherere Herkunfsländer herzlich wenig. Sie sehen aber, dass ihre Schulen im desolaten Zustand sind und ihr Internet katastrophal ausgebaut ist. Ihnen fällt auf, dass sie fast 50% ihres Gehaltes abgeben müssen. Und dann machen sie die Zeitung aus und lesen die mehrstelligen Milliarden, die für Flüchtlinge ausgegeben werden. Was tun sie am Wahlabend? SPD wählen sicher nicht. Ich weiß, das Beispiel ist plakativ und der Vergleich ist so schief, dass er nicht mal hinkt. Aber so denkt es manchen Menschen. Bevor ihr davon sprecht, die Menschen „mitnehmen“ zu wollen (Wohin eigentlich?) löst doch mal ein paar Probleme vor Ort. Ihr redet von den Mieten, verschweigt aber, dass auch die Mieten die horrenden Energiekosten nach oben treibt. Hier kann der Staat eingreifen. Von 1€ Strompreis gehen 55 Cent an den Staat. Doch statt die Abgabenlast anzugehen, wird von Mietpreisbremsen fabuliert, die entweder nicht greifen oder, wenn sie greifen, das Angebot verkleinern/die Nachfrage nach Wohnungen erhöhen.
    Ein weiterer Punkt von Myriaden, ist die Grunderwerbssteuer. Wenn die Mieten zu hoch sind, kann das Eigenheim eine Alternative sein. Die genannte Steuer macht das Bauen teurer, auch für Investoren. In SPD Ländern wie NRW, Berlin oder Brandenburg liegt diese bei 5%, was ein Spitzenwert ist. Warum diese nicht abschaffen, oder wenigstens kleiner halten? Inhaltlich ist sehr viel für SPD Potentiale zu tun, die genannten Beispiele stehen repräsentativ für sehr viel mehr. Gerne dürfen mich die Genossen buchen, dann folgen noch mehr Punkte. *Zwinker*
  5. Ein bisschen personelle Erneuerung muss dann doch her. In jeder Partei gibt es Menschen, von den mir es ein absolutes Rätsel ist, wie sie an den Job gekommen sind. In der CDU war es dieser Profalla. Was hatte der Mann in der Hinterhand, so dass er Karriere machen konnte? Wie dem auch sei, Profallas gibt es ja auch bei der SPD. Über Ralf Stegner habe ich genug geschrieben, ein selten prägnantes menschgewordenes Politdesaster. Andrea Nahles ist vielleicht sogar noch eher in der Lage, den Laden zu führen. In die Kategorie „Stegner-Wahnsinn“ gehören Leute wie Karl Lauterbach, Heiko Maas, der uns die Zensur ins Land zurückholte (NetzDG), Manuela, ich-kann-mehr-Phrasen-als-Rainer-Grindel, Schwesig oder Swasan Chebli, die viel weint und noch mehr twittert.
  6. Befördern solltet ihr Leute wie Carsten Schneider. Ein fähiger Mann, der ökonomische Zusammenhänge versteht und auch noch recht jung ist.
    Mehr fallen mir nicht ein, sorry. Die Krampen sind in der Delegierten-SPD eindeutig in der Überzahl.
  7. Steht zu euren Erfolgen und nicht nur zu denen, die 40 Jahren her sind. Die Agenda 2010 war das bahnbrechendste Reformprojekt in der Bundesrepublik. Das Thema würde jetzt zu weit führen, in Kürze aber doch: Deutschland war der kranke Mann Europas, weil das Land zu teuer war. Die überproportionale Lohn- und Rentenentwicklung in den 80zigern wirkte sich negativ auf die ökonomische Prosperität aus. Die Strukturen der Sozialversicherungen waren verkrustet, Steuerlast für Unternehmen und Bürger zu hoch. Der ewige Garant, die hohe deutsche Produktivität, war angezählt. Deutschland musste also abwerten. Das ist geschehen. Heute haben wir in vielen Landstrichen Vollbeschäftigung und ja, auch die Löhne steigen.  Der nächste Schlag in die Produktivitäts-Magengrube könnte übrigens die Digitalisierung sein, wo Deutschland jetzt schon hinterherhinkt. Hier hat die SPD kein Profil.

 

Liebe SPD, ich weiß, du hast es nicht leicht. Es reicht aber nicht, sich auf die Vergangenheit zu berufen. Otto Wels ist schon ganz lange tot, der mit der einen Hand auch, Willy Brandt auch, Helmut Schmidt, obwohl er noch lange ausraucht, auch, und Gerd Schröder, nun ja, den willst du ja gerade abwickeln. Mach endlich Politik für deine Potentiale, bekenn dich zu deinen Erfolgen und lass die Jusos Jusos sein. Ihr habt einen schweren Stand. Doch es kommt der Tag, an denen die alles weglächelnden Grünen keine Konzepte haben werden. Dann musst du parat stehen.

Und bitte, bitte. Lass das mit dem „Sozial“. Das Wort bringt es nicht.

 

 

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Hoffnung und innere Hygiene – Bayernwahl und Gratismut

Bis zuletzt war ich unschlüssig. Ja.

Soll ich die SPD wählen, der Tradition wegen und ob des Mitleids, beides fleischgeworden im, von Humorlosigkeit gezeichneten, „Ätsch-Gesicht“ von Ralf Stegner? Oder die CSU, bis dato immer ein no-Go, was nicht zuletzt an den Protagonisten liegt, angesiedelt in Nürnberg oder Ingolstadt?Wie dem auch sei, am Ende waren’s die Liberalen. Ein bisschen aus Überzeugung, aber viel mehr aufgrund der mangelnden Alternativen. So ist das nun mal bei einer Wahl.

I

An alle Kulturpessimisten, die Woche für Woche bei „Phoenix Runde“ sitzen und für die SZ, wahlweise Die Zeit, schreiben, sei gesagt: Nicht mal eure austauschbaren Phrasen bewahrheiteten sich. Wohin man nur blickte, sah ich Frauen und Männern mit aufgedunsenen Tränensäcken und Faltengräben im Gesicht, die an Furchen von schwerem Gerät in der Landwirtschaft erinnert. Die sagten dann: „Die Demokratie ist in Gefahr“, oder „Deutschland wird unpolitischer“, freilich auch „Die AfD ist antidemokratisch“ und sowieso ist die AfD Auffangbecken der Politikverdrossenheit. Hierzu nur eine Zahl: Die Wahlbeteiligung ist entgegen 2013 um fast 10% auf 72% gestiegen, was vor allem an der AfD liegt. Denn einerseits mobilisierten sie Nichtwähler sie selbst zu wählen, andererseits auch Menschen, die auf jedenfalls ihre Stimme abgeben wollen, eben gegen die AfD. Ich finde das gut.

II

Das Maximilianeum war noch nie so plural bestückt. Sechs Parteien finden dort Platz. Da wäre die restkonservativ-soziale CSU, die historisch verlor, dennoch klar stärkste Partei ist. Wobei lediglich 37% zu erreichen, angesichts der Tatsache, dass Söder keinen Gegenkandidat hatte, ist nicht gerade eine Auszeichnung für den Ministerpräsidenten. Ge!

III

Zweitstärkste Kraft mit mehr als 17% bilden die Grünen, was auf vielen Ebenen logisch erscheint. Zum ersten wäre da die Malaise der SPD. Zum anderen profitiert die Ökopartei von einer beispiellosen medialen Aufmerksamkeit. Keine andere Partei wird von der Journaille so wohlwollend behandelt, wie die Grünen. Von SZ bis zur FAZ gab es Gratiswahlwerbung in Form von doppelseitigen Portraits und liebevollen Interviews. Da macht es auch nichts, dass die Spitzenkandidatin wie eine Schülersprecherin auf Christal Meth wirkt. Ganz ehrlich: Bei der Propaganda, die vergleichbar ist mit der in der Dädärä bis 1989 „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“ für die SED an den Tag gelegt hatte, hätten die Grünen auch eine Dattelpalme auf Platz 1 stellen können. Die Forderungen entsprechen ähnlich der Fasson von Katharina Schulze und erinnern an meine alte Öko-AG in der 9c mit Lehrerin Frau Sonne. So wollen die Grünen die „Betonflut“ mit Verboten eindämmen. Hübsche Idee. Bauen wir die Wohnungen, die fehlen, einfach ohne Beton und unter die Erde!

IV

Die Freien Wähler kommen auf 11,6%. Ein Wahlbündnis, bei dem ich mir zwei Fragen stelle: Wer wählt die? Und wofür stehen die? Irgendjemand sagte einmal, die FW seien die CSU+Freibier. Gut, das wäre also schon mal eine Forderung. Trotzdem bleibt mir ein Verein, der praktisch nur aus einer Person besteht, suspekt. Immerhin ist Aiwanger für gebührenfreie Kitas.

V

Mehr ausgemalt hat sich sicherlich die AfD, denn mit 10% liegt das Ergebnis deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das widerlegt eine weitere Phrase der Ewigpessimistischen: „Punkte der AfD aufzunehmen nützt nur der AfD“. Die CSU hat sich, leider wirkungslos, aber immerhin klar, gegen die Flüchtlingspolitik von Merkel gestellt. Zwar verloren die Christsozialen trotzdem an die AfD, der Aderlass hätte dennoch schlimmer ausfallen können. Denn im Vergleich zum Bund liegt die CSU rund 10% höher in Bayern.

VI

Die SPD verliert historisch. Einstellig. Zweitschwächste Fraktion. Damit konnte sich die Partei nicht von der desaströsen Performance der Bundesgenossen lösen. Auch ihre Kampagne zündete nicht. Ich habe die Plakate der SPD nicht verstanden, sorry. Was will man mit einem Gesicht und darüber „Wohnen“ denn anfangen? Man könnte vieles über die Sozis verlieren. Aber auf Leuten, die am Boden liegen, soll man nicht noch treten.

Hauptgegner der SPD müssen nun die Grünen sein. Denn die Habeck Partei surft auf einer Wohlfühlwelle. Knickt die Konjunktur ein, wird es den Grünen an Konzepten fehlen, denn ökonomische Kompetenz sucht man dort vergebens. Dann reicht auch die Selbstgefälligkeit und eitle Arroganz ihres Bundesvorsitzenden nicht. Das wird die Zeit der SPD sein. Sie ist sie Partei der Baisse. Die nötige Abwertung und Reform, die Agenda 2010, konnten ausschließlich die Sozialdemokraten durchsetzen.

Die Genossen bilden die einzige Partei, die im Mitte-Links Milieu ökonomisch diskutable Vorschläge bringt. Ich bin nicht immer ihrer Meinung, dennoch ist es im ökonomischen Diskurs, so wie er politisch wird, wichtig, dass er im Plural geführt wird. Die Ökonomienobelpreisträger 2018, Romer und Nordhaus, beweisen das eindrucksvoll. Doch so lange sie sich zunehmend linksliberal positionieren, so lange Kevin Kühnert an Macht gewinnt, wird die SPD klein bleiben. Denn im Zweifel wählen die Leute das Original, die Grünen, oder im extremen, die Linke.

Die SPD darf sich nicht von den Jusos, die nur einen Bruchteil der Partei ausmacht, geiseln lassen. Ihr Potential liegt bei den Facharbeitern, die zunehmend zur AfD wandern. Und denen sind offene Grenzen, mit Verlaub, scheiß egal. Der größte Fehler der Sozis war, dass sie sich im letzten Grundsatzprogramm als „Links“ bezeichneten, was bis heute gilt. Hier ist kein Platz mehr. Die SPD muss wieder die Partei sein, die sich nicht nur Grüne und Linke im Zweifel vorstellen können, zu wählen. Sondern auch CDUler, die keinen Bock mehr auf Merkel haben oder AfD Wähler, die „ihre Partei“ zu unappetitlich wurde. Im linksgrünen Milieu werden die Roten untergehen.

VII

Die FDP ist wieder im Landtag. Knapp 5% entschieden sich für mehr Selbstbestimmung und Freiheit. Die elf Abgeordneten werden bestimmt nicht das Land verändern. Wohl aber können die Liberalen auf Probleme hinweisen. Denn neben klarer ökonomischer Kompetenz, ist die FDP ein durchaus veritabler Ansprechpartner, was Kultuspolitik angeht.

Ich bin immer wieder überrascht, wie oberflächlich und unwissend die Debatte über die FDP geführt wird. Sicher, die letzte Schwarz-Gelb Koalition war keine Glanzzeit. Sie war es aber nicht wegen liberaler Inhalte, sondern weil Merkel eben keine FDP Politik zugelassen hat. Das war der Kern des Problems und der Grund, warum die Wähler sich von den Freiheitlichen abwandten.

VIII

Überrascht bin ich auch deswegen, wie nonchalant die Diskussion auf „Arbeitnehmer“ gegen „Arbeitgeber“ gelenkt wird. Dieses marxistische Denken, das der Sozialismus in „Arbeit“ gegen „Kapital“ formulierte, erscheint mir nicht mehr zeitgemäß. Nur ein simples Beispiel: Volkswirtschaftlich hat ein Unternehmen zwei Ziele: Produkte herzustellen und Arbeitsplätze zu schaffen. In beiden Fällen sind hohe Steuern ein Hindernis. Je höher die Abgabe ist, desto weniger innovativ werden die Produkte, das Unternehmen kann nun weniger investieren. Ebenfalls wird er weniger Menschen, im Zweifel mit geringeren Salär, einstellen. Also ist die Forderungen, Steuern für Unternehmen nur auf dem ersten Blick lediglich „arbeitgeberfreundlich“. Bei näheren Hinsehen ergeben sich auch Vorteile für den Rest der Gesellschaft. „Arbeitgeberfreundlich“ ist übrigens einer der wenigen Worte, in denen „freundlich“ drinsteckt, was aber in den allermeisten Fällen gar nicht „positiv“ im Alltagssinn gemeint ist.

IX

Das Wahlergebnis ist doch gar nicht übel. Sicher, die Grünen sind 10-15% zu stark, die SPD zu schwach, auch die FDP könnte mehr bekommen und die AfD muss meinetwegen überhaupt nicht in den Landtag. Aber so haben die Bayern nun mal gewählt. Sehr vermutlich folgt eine Koalition aus CSU und Freien Wählern, was nach eingeschlafenen Füßen klingt.

Was weg ist, ist das bayrische Selbstverständnis einer alleinigen CSU Regierung. Und das allein ist bereits ein Fortschritt. Kein Fortschritt sind dagegen die reaktionären Bestrebungen der Grünen, was Energiewende, Gentechnik und diverse wissenschaftliche Feindlichkeit einerseits, und die der AfD, einen soziokulturellen Wandel in der Gesellschaft zu bekämpfen, andererseits. Da helfen auch keine neuen Love Paraden in Berlin, in denen Linke, Grüne, Gewerkschaften, Terroranhänger (Antifa, PKK) verfassungsfeindliche Parteien (MLPD), verlängerte Griffel von Erdogan (Zentralrat der Muslime) gemeinsam gegen alles mögliche demonstrieren. Wenn 60.0000 ordentlich Kohle lassen, um Grönemeyer mal wieder Auf Schalke zu sehen, so ist es nur folgerichtig, dass mehrere Zehntausende zum anschließenden Gratiskonzert der Gratismutigen am Samstag nach Berlin pilgerten. #unteilbar hilft niemanden, trotz teils obszön propagandistischer Presse. Es ist absolut indiskutabel, dass führende AfD Anhänger mit Neonazis demonstrierten. Gar nicht erst diskutiert wird jedoch, dass haufenweise nicht radikale Bürger mit Leuten wie die oben genannt mitmarschieren, die sich im Wortlaut von Pegida nicht mehr unterscheiden Siehe hier. Es ist das leicht debile Gefühl auf der richtigen Seite zu sein, das die Augen ganz weit zudrückt.

X

Was hier hilft, ist das offene Wort und nicht die geschlossenen Floskeln. Man kann wählen was man will und marschieren mit wem man mag. Am Ende geht es jedoch um die Frage von Glaubwürdigkeit und innerer Hygiene. Mindestens letzteres haben einige Politiker längst nicht mehr auf dem Schirm.

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10 Thesen nach 10 Jahren – Die Linke und ich

Ich sag‘ es euch, ich hatte es im Urin.

Mein autobiografisches Gedächtnis läuft eben wie Freibier vor der ARGE, ja, denn beinahe auf den Tag vor zehn Jahren trat ich aus der Partei DIE LINKE aus und, ja, ich hatte es den ganzen Tag geahnt und war mir fast sicher. Auch wenn ich mich wegen mancher Texte, die ich im Laufe der Zeit verfasst habe, fast schäme, so ist dieses Internet eine tolle Art für Schreibende ihr Leben in Retro zu betrachten. Der Kommentar gehörte definitiv zu meinen besseren mit 21. Gott, bin ich alt.

Der eine oder andere wirft mir seit dem vor, ich sei ein Wendehals. Damit kann ich leben und ich werde regelmäßig, von links und zunehmend von rechts, oder einfach nur von „doof“, wesentlich härter angegangen. Mit steigender Reichweite steigt auch die Zahl der Sackblöden, die auf meinen Blog stoßen. Eine Wendehals-Aktion war der Austritt dennoch mit Neffen, äh, Nichten. Denn dann würde ich ja ständig meine Ansichten nach dem Wetter ändern. Meine „Meinungskarriere“ war dagegen nur folgerichtig. Aufgrund ökonomischer Bildung, die in dem verlinkten Brief bereits anklang, verhalf ich der FDP 2009 mit meiner Stimme zu ihrem besten Ergebnis, ehe ich vier Jahre später, aufgrund der vier Jahre zuvor, verdrossen und in Zuversicht das Kreuz bei der Lucke-AfD machte und auch bis 2015 Mitglied war. Und 2017, ja, ich musste verrückt gewesen sein, wählte ich die SPD. Ich hatte die unfassbar naive Hoffnung, Schulz könnte Merkel ablösen. Scheiss doch auf die Demoskopen. Eigentlich keine so schlechte Haltung. Im Nachhinein hatte ich mich klassisch verwählt, denn die Sozis sind für mich vorerst keine Alternative mehr.

Aus der Linken Bewegung, gewissermaßen der mentale Austritt, stieg ich schon eher aus. Ich war ja längst nicht mehr links. In meinem letzten Kommentar befasste ich mich mit dem Thema „rechts“ und „konservativ“. Nun soll es um die Antipoden gehen und ich möchte die Frage stellen, die ich im verlinkten Brief beantwortet habe. Erneut: Braucht es die Linke heute noch?

I.

Die Linke geht von der Gleichheit der Menschen aus. Sie ist damit ganz grundsätzlich der Gegenpol zur politischen Rechten, die Unterschiede der Menschen politisch, wie gesellschaftlich in Hierachien gießen möchte. „Ganz grundsätzlich“ deshalb, weil ich im Laufe des Textes auch Gemeinsamkeiten beider erarbeiten werde. So heterogen die Linke auch ist, in Gleichheit und „Solidarität“, ein in meinen Augen sehr verwirrendes Wieselwort, sind sie sich einig.

II.

Das ideologische Fundament vieler Linken ist der Sozialismus, der sich zum Beispiel im Grundsatzprogramm der SPD wiederfindet. Die allermeisten internationalen Medien sprechen von drei linken Parteien in Deutschland. Eben die SPD, die Grünen und DIE LINKE. In Deutschland wird die SPD auch teilweise als Partei der Mitte gesehen. Im genannten Programm der Sozialdemokraten bezeichnen sie sich jedoch als „linke Volkspartei“.

III.

Das von mir häufig zitierte „No Borders, no Nations“ ist die Vision der internationalistischen Linken. Diese sind in der Regel auch Gegner der Globalisierung. Daneben gibt es auch undogmatische Linke, die gerne im antideutschen Milieu zu finden sind. „Antideutsch“ im Wortsinn sind prinzipiell recht viele Linke. Sprich, sie finden Deutschland schlicht scheiße. Robert Habeck, der mit Deutschland „nie etwas anfangen konnte“ und Nationalstolz „zum kotzen“ findet, mag wohl einfach das Land nicht, von dem er alimentiert wird. Er ist jedoch kein „antideutscher Linker“ im Sinne der politischen Haltung. Diese Anhänger mögen zwar womöglich Deutschland auch nicht, mehr sehen sie „deutschsein“ als prinzipielles Einfallstor für Faschismus und Diktatur. So ist für sie Ausschwitz „deutsch“, weil das deutsche Wesen aufgrund seiner „pathologischen Aggressivität“, eben wegen seiner selbst, KZs gebaut hat. Wegen dieser Überzeugung ergeben sich echte Unterschiede zu den Dogmatikern.

Der Antideutsche ist wie jeder Linker Antifaschist. Aus diesem Verständnis versteht er er sich klar proisraelisch, was ihn fundamental von anderen Linken unterscheidet. „Nie wieder Ausschwitz“ heißt für ihn auch „Tel Aviv schützen“. Ebenfalls divers zu anderen Linken ist das Verhältnis zu den USA. Zwar kritisieren sie die kapitalistische Ausrichtung, ein „Antikapitalismus“, ebenso wie ein „Antiimperialismus“ findet jedoch nicht statt, da beides, laut der Antideutschen zu struktureller Ausgrenzung führe. Auch ist der Antideutsche scharfer Kritiker des politischen Islams, der seine Menschenfeindlichkeit im „islamischen Faschismus“ vollendet. Die Antideutschen sind in der absoluten Minderheit. Die Wochenzeitung „Jungle World“ sei hier als das bekannteste Medium genannt. Im Bundestag kenne ich keinen Vertreter dieses Flügels.

IV

Die Kämpfer auf der Straße nennen sich Antifa. Eine in Teilen paramilitärische Organisation, die in beeindruckender moralischen Flexibilität agiert. So versuchen sie zum Beispiel, Pazifismus mit Gewalttaten durchzusetzen. Den Satz bitte zweimal lesen.

Wie von Rechts genauso, ist der Ort des Demonstrierens ein geeigneter Platz, Frust mit Bier und Aggression zu bekämpfen. Während der Spartakusbund wenigstens noch gegen die SA kämpfte, müssen bei der Antifa Polizei und Gegendemonstranten herhalten und eine Binsenweisheit macht sich breit und breiter: Je länger das Dritte Reich zurückliegt, desto größer ist der Widerstand dagegen.

V

Die Linke bezeichnet sich als emanzipatorisch, wo sich bei vielen Anhängern Probleme auftun. Denn viele Mitstreiter haben sich vom dogmatischen Feminismus abgewandt. Die Philosophin Svenja Flaßpöhler macht das explizit, Ayaan Hirsi Ali und Neclar Kelek ebenso. Auch die gute, alte Schwarzer Alice entsprang zwar aus dem linken Lager, dennoch ist ihre Haltung gar nicht mehr sehr links. Denn einerseits hegt sie Sympathie mit Merkel und andererseits kritisiert sie hart den Islam. So ist sie zumindest nicht genuin links. Die Sonderstellung „Islam“ in der Community verwundert, denn sind doch Linke die ersten, die die christlichen Amtsträger, oft mit Recht, kritisieren.

VI

Gerne werden Muslime general umarmt, ihre Verfehlungen eher verziehen und im Zweifel auf ihre Prägung verwiesen, was in Teilen ziemlich rassistisch daher kommt. Wahr ist aber auch: Seyran Ates beklagt mangelnde Solidarität, gerade von Linken, die dieses Wort sonst mantrahaft betonen, als sie eine liberale Moschee in Deutschland gründete und von Muslimen nicht nur im Inland, sondern sogar weltweit bedroht wird. Ihr Verbrechen ist die Aufklärung, einst Gründungsphilodophie der Linken. Aus der steten Angst, als Rassist zu gelten, wird alles Fremde überhöht, was zwar ebenso rassistisch ist, aber gesellschaftlich wenigstens nicht geächtet wird. Der Antimoslem drückt, der Philomoslem umarmt und bei beidem bleibt die Luft weg.

Damit sind die Linken urdeutsch, ja „German Angst-Deutsch“. In keinem anderen Land wird so penibel darauf geachtet, was andere Staaten von einem denken. Niemals vergessen werde ich den Satz des Vorsitzenden der Stiftung des Holocaustdenkmals in Berlin, dort, wo heute die meisten Selfies gemacht werden.

Der Satz, der ging so: „Es gibt Länder, die uns um dieses Denkmal beneiden“. Einem anwesenden Autor platzte beinahe die Hutschnur und er wollte antworten mit: „Und um den Holocaust auch!“

Der ständige Blick auf die anderen, was sie von uns halten, war ein wesentlicher Punkt für die teilweise unkritische Haltung zu Merkels Migrationspolitik. Endlich war man auf der richtigen Seite der Politik, endlich mag uns die Welt. Dass Merkel im Hinblick auf die anderen Staaten fast singulär handelte, wurde von anderen Ländern gelobt, aber auch als naiv bezeichnet. Doch da hatte die Kanzlerin längst ihren Lotus-Effekt aktiviert. Die Willkommenskultur war der Versuch, das moralische Versagen des Holocausts mit einem neuen moralisch vermeintlich einwandfreien Ereignis rückgängig zu machen. Whatever it takes.

VII

Aus diesem Verständnis heraus ist alles Fremde und vielfältige per se gut. So ist Multikulturalismus auch Sachzwang linker Politik. Probleme werden verschwiegen, denn sie stören das Bild der bunten Vielfalt. Der Fakt zum Beispiel, dass Konflikte bei Vietnamesen, Griechen oder Italiener seltener zu finden sind und wenn man über „Integration“ spricht, man nur Araber/Türken/Muslime meint, wird empört negiert. Da ist man schon mit einskommafünf Beinen im braunen Schubfach. Multikulti geht mit offenen Grenzen und einer fundierten Inländerfeindlichkeit einher. „Lasst uns nicht mit den Deutschen allein“ ist ein beliebterer Bannerspruch auf Demonstrationen. Es geht auch einher mit der Legende, alle Migranten ab 2015 seien Flüchtlinge und „edle Wilde“, die den Kampf übers Meer gewonnen hätten. Dass viele keine Flüchtlinge sind und auch gar nicht so edel sind und aus der oberen Mittelschicht in ihrem Land stammen und immer teils via Flugzeug „fliehen“, passt so gar nicht in das Weltbild. Das ständige Gleichsetzen von Flüchtlingen und Migranten zeugt von der fehlenden Fähigkeit zu Differenzieren oder, was noch schlimmer ist, von selektiver Wahrnehmung.

VIII

Und da gibt es diesen Wagenknecht-Lafontaine-Komplex, der so komplex ja gar nicht ist. Sahra, mit dem „h“ vor dem „r“, wurde beim letzten Parteitag DER LINKEN teilweise heftig angegangen, weil sie es wagte, zu sagen, dass Arbeitsmigration im Land zu Schwierigkeiten führte. Das wars. Unabhängig, wie man dazu steht, ich sehe das tendenziell anders, war diese Aussage Grund für einen Linken Shitsorm nebst dem Klassiker der leeren Worte: „Wagenknecht fischt am rechten Rand“, als seien Wähler tumbe Heringe, denen man nur einen Batzen hinhalten muss, damit sie sich angeln lassen, oder, ein ähnlich dummer Satz: „Wagenknecht ist AfD nah“.

Liebe Journaille: Wenn die AfD zum Beispiel sagt, Währungen werten ab, wenn der Staat durch Markteingriffe mehr Geld in den Umlauf bringt, dann ist das nicht „AfD nah“, sondern korrekt. Und wenn Wagenknecht wie vielleicht Gauland gegen Arbeitsmigration ist, dann fischt Wagenknecht auch nicht am „rechten Rand“, eine unfassbar verblödete Formulierung, ich kann mich da nur wiederholen.

IX

In einigen Punkten trifft sich links mit rechts. Einmal in politischen Fragen, aber auch in agitatorischen, im Populismus, der heute, wie selbstverständlich und fast nur mit dem Zusatz „rechts“ verwendet wird. Und tatsächlich gibt es viele Rechte, die Populisten sind. Ich finde Populismus generell weniger tragisch als andere, denn nicht die Art, wie man etwas ausdrückt, ist entscheidend, sondern der Inhalt. Dennoch gehen Populisten mit teilweise gleichen Methoden den Menschen auf den Leim, bzw umgedreht. Diese sind

– „Wir da unten, die da oben“. Politiker als per se entfernte Macht zu sehen und die klare Unterscheidung zwischen Volk und Elite

– Generell starke Ablehnung der Eliten

– Starker Hang zu Legenden bis Verschwörungstheorien. Von den „Bilderberger“, bis „Rotschild“ oder Konzerne, die die Welt beherrschen

– merklich ausgeprägte Opferrolle

– Pauschale Medienschelte. Die 68ziger sprachen von der „Schweinepresse“, gerne mit „imperialistischer“ davor. Pegida und Co nutzt den Begriff „Lügenpresse“, Frauke Petry wählte gerne den, zugegebenermaßen charmanteren, Begriff „Pinocciopresse“. Raten Sie mal, wie Lafontaine, der Godfather of Populismus, die Taz bezeichnete, weil sie seine Sahra kritisierte?

– „Wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur.“ Oder der Populist. Ob Ausländer, Deutsche, Konzerne, der Staat als Institution, das Feindbild ist Motor, Identifikationsfigur und Bindemittel.

Ich möchte gar nicht auf den Streit unter Politikwissenschaftler eingehen, ob und inwieweit es Sinn macht, Populismus in links und rechts zu unterscheiden. Richtig bleibt, wenn man hier klar trennt, dass weite Teile in der Art der Agitation identisch sind.

X

In politischen Forderungen gibt es erstaunliche Übereinstimmungen. Nehmen wir die Sozialpolitik. Der Höckeflügel der AfD, das absolut rechte Aushängeschild der Partei, möchte explizit einen stärkeren Sozialstaat. Dieser „Rechtssozialismus“ würde sich in vielen Forderungen von linken Parteien wiederfinden. Bei den zweiten Montagsdemos der Geschichte, die Märsche gegen Hartz IV, fanden sich Linke wie Rechte auf der Straße.

Aber auch in der Außenpolitik gibt es Parallelen. Beide Strömungen wollen tendenziell weniger Auslandseinsätze. Auch beobachte ich eine bisweilen unheimliche Anerkennung von Putin und seiner Politik. Woher diese kommt, kann ich nur vermuten. Bei den Linken spielt der tradierte Antiamerikanismus eine Rolle. Putin ist, wie weiland Chávez und Castro, ein klarer Gegenpol zu den USA. Ebenso kausal ist die geschichtlich-ideologische Nähe, der nie ganz abgelegte Sowjetgeist, der zum Corpsgeist von Linken und Putin wurde. Die Liebe von rechts zum russischen Präsidenten kommt meines Erachtens vom starken Denken in Hierachien. Ein starker Führer, der seine Politik konsequent durchsetzt, ist sexy für die Rechte.

Linke wie Rechte stehen ferner freien Handel zwischen Staaten skeptisch bis ablehnend gegenüber. Beide nennen sich Globalisierungskritiker/Gegner.

Die Frage in meinem Austrittsbrief, ob es heute eine Linke braucht, habe ich damals nonchalant beantwortet, ja. Also nein. Die Linke hat sich, zumindest in Deutschland obsolet gemacht, so wie sich Gorbatschow am Ende selbst wegreformierte. Wenn die ehemalige konservative Partei, CDU, linke Politik macht, wie Energiewende, Mindestlohn, die Homoehe in einer majestätischen Geste beim Magazin Brigitte möglich macht, den Sozialstaat aufpumpt, wozu dann linke Bewegungen? Wenn die gleiche Partei die Grenzen de facto öffnet, also no borders no nations forciert, wozu dann linke Bewegungen? Es ist schon paradox: Je linker das Land wurde, desto mehr linke Parteien gründeten sich. Strukturell hat ein linkes Bündnis, rot-rot-grün,derzeit im Bundestag keine Mehrheit, was jedoch jahrelang anders war. Die Bockbeinigkeit aufgrund verletzter Eitelkeiten und gekränkter Herrenseelen verhinderte das Bündnis. Die Frage ist, wie dann linke Politik aussieht? Noch mehr Sozialstaat? Noch höhere Abgaben? Die Agenda 2010 noch mehr abwickeln? Noch weniger außenpolitische Verantwortung? Noch weniger freien Wirtschaftspolitik durch noch mehr Bürokratie? Mehr Putin-Nähe, noch mehr Ditip Moscheen?

Es ist erstaunlich, wenn man schreibt, wie wenig noch gefällt, bei Zeiten, was man schrieb. Der Brief gehört nicht dazu. Ich habe übrigens von den Linken keine Antwort bekommen und habe niemanden der Genossen jemals mehr gesprochen. Aus der Ideologie, aus dem Sinn, heißt es da wohl.