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Hoffnung und innere Hygiene – Bayernwahl und Gratismut

Bis zuletzt war ich unschlüssig. Ja.

Soll ich die SPD wählen, der Tradition wegen und ob des Mitleids, beides fleischgeworden im, von Humorlosigkeit gezeichneten, „Ätsch-Gesicht“ von Ralf Stegner? Oder die CSU, bis dato immer ein no-Go, was nicht zuletzt an den Protagonisten liegt, angesiedelt in Nürnberg oder Ingolstadt?Wie dem auch sei, am Ende waren’s die Liberalen. Ein bisschen aus Überzeugung, aber viel mehr aufgrund der mangelnden Alternativen. So ist das nun mal bei einer Wahl.

I

An alle Kulturpessimisten, die Woche für Woche bei „Phoenix Runde“ sitzen und für die SZ, wahlweise Die Zeit, schreiben, sei gesagt: Nicht mal eure austauschbaren Phrasen bewahrheiteten sich. Wohin man nur blickte, sah ich Frauen und Männern mit aufgedunsenen Tränensäcken und Faltengräben im Gesicht, die an Furchen von schwerem Gerät in der Landwirtschaft erinnert. Die sagten dann: „Die Demokratie ist in Gefahr“, oder „Deutschland wird unpolitischer“, freilich auch „Die AfD ist antidemokratisch“ und sowieso ist die AfD Auffangbecken der Politikverdrossenheit. Hierzu nur eine Zahl: Die Wahlbeteiligung ist entgegen 2013 um fast 10% auf 72% gestiegen, was vor allem an der AfD liegt. Denn einerseits mobilisierten sie Nichtwähler sie selbst zu wählen, andererseits auch Menschen, die auf jedenfalls ihre Stimme abgeben wollen, eben gegen die AfD. Ich finde das gut.

II

Das Maximilianeum war noch nie so plural bestückt. Sechs Parteien finden dort Platz. Da wäre die restkonservativ-soziale CSU, die historisch verlor, dennoch klar stärkste Partei ist. Wobei lediglich 37% zu erreichen, angesichts der Tatsache, dass Söder keinen Gegenkandidat hatte, ist nicht gerade eine Auszeichnung für den Ministerpräsidenten. Ge!

III

Zweitstärkste Kraft mit mehr als 17% bilden die Grünen, was auf vielen Ebenen logisch erscheint. Zum ersten wäre da die Malaise der SPD. Zum anderen profitiert die Ökopartei von einer beispiellosen medialen Aufmerksamkeit. Keine andere Partei wird von der Journaille so wohlwollend behandelt, wie die Grünen. Von SZ bis zur FAZ gab es Gratiswahlwerbung in Form von doppelseitigen Portraits und liebevollen Interviews. Da macht es auch nichts, dass die Spitzenkandidatin wie eine Schülersprecherin auf Christal Meth wirkt. Ganz ehrlich: Bei der Propaganda, die vergleichbar ist mit der in der Dädärä bis 1989 „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“ für die SED an den Tag gelegt hatte, hätten die Grünen auch eine Dattelpalme auf Platz 1 stellen können. Die Forderungen entsprechen ähnlich der Fasson von Katharina Schulze und erinnern an meine alte Öko-AG in der 9c mit Lehrerin Frau Sonne. So wollen die Grünen die „Betonflut“ mit Verboten eindämmen. Hübsche Idee. Bauen wir die Wohnungen, die fehlen, einfach ohne Beton und unter die Erde!

IV

Die Freien Wähler kommen auf 11,6%. Ein Wahlbündnis, bei dem ich mir zwei Fragen stelle: Wer wählt die? Und wofür stehen die? Irgendjemand sagte einmal, die FW seien die CSU+Freibier. Gut, das wäre also schon mal eine Forderung. Trotzdem bleibt mir ein Verein, der praktisch nur aus einer Person besteht, suspekt. Immerhin ist Aiwanger für gebührenfreie Kitas.

V

Mehr ausgemalt hat sich sicherlich die AfD, denn mit 10% liegt das Ergebnis deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das widerlegt eine weitere Phrase der Ewigpessimistischen: „Punkte der AfD aufzunehmen nützt nur der AfD“. Die CSU hat sich, leider wirkungslos, aber immerhin klar, gegen die Flüchtlingspolitik von Merkel gestellt. Zwar verloren die Christsozialen trotzdem an die AfD, der Aderlass hätte dennoch schlimmer ausfallen können. Denn im Vergleich zum Bund liegt die CSU rund 10% höher in Bayern.

VI

Die SPD verliert historisch. Einstellig. Zweitschwächste Fraktion. Damit konnte sich die Partei nicht von der desaströsen Performance der Bundesgenossen lösen. Auch ihre Kampagne zündete nicht. Ich habe die Plakate der SPD nicht verstanden, sorry. Was will man mit einem Gesicht und darüber „Wohnen“ denn anfangen? Man könnte vieles über die Sozis verlieren. Aber auf Leuten, die am Boden liegen, soll man nicht noch treten.

Hauptgegner der SPD müssen nun die Grünen sein. Denn die Habeck Partei surft auf einer Wohlfühlwelle. Knickt die Konjunktur ein, wird es den Grünen an Konzepten fehlen, denn ökonomische Kompetenz sucht man dort vergebens. Dann reicht auch die Selbstgefälligkeit und eitle Arroganz ihres Bundesvorsitzenden nicht. Das wird die Zeit der SPD sein. Sie ist sie Partei der Baisse. Die nötige Abwertung und Reform, die Agenda 2010, konnten ausschließlich die Sozialdemokraten durchsetzen.

Die Genossen bilden die einzige Partei, die im Mitte-Links Milieu ökonomisch diskutable Vorschläge bringt. Ich bin nicht immer ihrer Meinung, dennoch ist es im ökonomischen Diskurs, so wie er politisch wird, wichtig, dass er im Plural geführt wird. Die Ökonomienobelpreisträger 2018, Romer und Nordhaus, beweisen das eindrucksvoll. Doch so lange sie sich zunehmend linksliberal positionieren, so lange Kevin Kühnert an Macht gewinnt, wird die SPD klein bleiben. Denn im Zweifel wählen die Leute das Original, die Grünen, oder im extremen, die Linke.

Die SPD darf sich nicht von den Jusos, die nur einen Bruchteil der Partei ausmacht, geiseln lassen. Ihr Potential liegt bei den Facharbeitern, die zunehmend zur AfD wandern. Und denen sind offene Grenzen, mit Verlaub, scheiß egal. Der größte Fehler der Sozis war, dass sie sich im letzten Grundsatzprogramm als „Links“ bezeichneten, was bis heute gilt. Hier ist kein Platz mehr. Die SPD muss wieder die Partei sein, die sich nicht nur Grüne und Linke im Zweifel vorstellen können, zu wählen. Sondern auch CDUler, die keinen Bock mehr auf Merkel haben oder AfD Wähler, die „ihre Partei“ zu unappetitlich wurde. Im linksgrünen Milieu werden die Roten untergehen.

VII

Die FDP ist wieder im Landtag. Knapp 5% entschieden sich für mehr Selbstbestimmung und Freiheit. Die elf Abgeordneten werden bestimmt nicht das Land verändern. Wohl aber können die Liberalen auf Probleme hinweisen. Denn neben klarer ökonomischer Kompetenz, ist die FDP ein durchaus veritabler Ansprechpartner, was Kultuspolitik angeht.

Ich bin immer wieder überrascht, wie oberflächlich und unwissend die Debatte über die FDP geführt wird. Sicher, die letzte Schwarz-Gelb Koalition war keine Glanzzeit. Sie war es aber nicht wegen liberaler Inhalte, sondern weil Merkel eben keine FDP Politik zugelassen hat. Das war der Kern des Problems und der Grund, warum die Wähler sich von den Freiheitlichen abwandten.

VIII

Überrascht bin ich auch deswegen, wie nonchalant die Diskussion auf „Arbeitnehmer“ gegen „Arbeitgeber“ gelenkt wird. Dieses marxistische Denken, das der Sozialismus in „Arbeit“ gegen „Kapital“ formulierte, erscheint mir nicht mehr zeitgemäß. Nur ein simples Beispiel: Volkswirtschaftlich hat ein Unternehmen zwei Ziele: Produkte herzustellen und Arbeitsplätze zu schaffen. In beiden Fällen sind hohe Steuern ein Hindernis. Je höher die Abgabe ist, desto weniger innovativ werden die Produkte, das Unternehmen kann nun weniger investieren. Ebenfalls wird er weniger Menschen, im Zweifel mit geringeren Salär, einstellen. Also ist die Forderungen, Steuern für Unternehmen nur auf dem ersten Blick lediglich „arbeitgeberfreundlich“. Bei näheren Hinsehen ergeben sich auch Vorteile für den Rest der Gesellschaft. „Arbeitgeberfreundlich“ ist übrigens einer der wenigen Worte, in denen „freundlich“ drinsteckt, was aber in den allermeisten Fällen gar nicht „positiv“ im Alltagssinn gemeint ist.

IX

Das Wahlergebnis ist doch gar nicht übel. Sicher, die Grünen sind 10-15% zu stark, die SPD zu schwach, auch die FDP könnte mehr bekommen und die AfD muss meinetwegen überhaupt nicht in den Landtag. Aber so haben die Bayern nun mal gewählt. Sehr vermutlich folgt eine Koalition aus CSU und Freien Wählern, was nach eingeschlafenen Füßen klingt.

Was weg ist, ist das bayrische Selbstverständnis einer alleinigen CSU Regierung. Und das allein ist bereits ein Fortschritt. Kein Fortschritt sind dagegen die reaktionären Bestrebungen der Grünen, was Energiewende, Gentechnik und diverse wissenschaftliche Feindlichkeit einerseits, und die der AfD, einen soziokulturellen Wandel in der Gesellschaft zu bekämpfen, andererseits. Da helfen auch keine neuen Love Paraden in Berlin, in denen Linke, Grüne, Gewerkschaften, Terroranhänger (Antifa, PKK) verfassungsfeindliche Parteien (MLPD), verlängerte Griffel von Erdogan (Zentralrat der Muslime) gemeinsam gegen alles mögliche demonstrieren. Wenn 60.0000 ordentlich Kohle lassen, um Grönemeyer mal wieder Auf Schalke zu sehen, so ist es nur folgerichtig, dass mehrere Zehntausende zum anschließenden Gratiskonzert der Gratismutigen am Samstag nach Berlin pilgerten. #unteilbar hilft niemanden, trotz teils obszön propagandistischer Presse. Es ist absolut indiskutabel, dass führende AfD Anhänger mit Neonazis demonstrierten. Gar nicht erst diskutiert wird jedoch, dass haufenweise nicht radikale Bürger mit Leuten wie die oben genannt mitmarschieren, die sich im Wortlaut von Pegida nicht mehr unterscheiden Siehe hier. Es ist das leicht debile Gefühl auf der richtigen Seite zu sein, das die Augen ganz weit zudrückt.

X

Was hier hilft, ist das offene Wort und nicht die geschlossenen Floskeln. Man kann wählen was man will und marschieren mit wem man mag. Am Ende geht es jedoch um die Frage von Glaubwürdigkeit und innerer Hygiene. Mindestens letzteres haben einige Politiker längst nicht mehr auf dem Schirm.

2 Antworten auf „Hoffnung und innere Hygiene – Bayernwahl und Gratismut“

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