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Die Legende um den weißen Mann oder – Der arrivierte Rassismus

Ich mag‘ urbane Legenden. Ja. Slenderman zum Beispiel, den einige Kids etwas zu ernst genommen haben und sich Nachts im Wald gegenseitig abstechen wollten, um der arg gruseligen Gestalt zu gefallen. Was folgte, war eine Debatte um Digitalisierung, die in Deutschland wahrscheinlich nur noch von Christian Pfeiffer und Manfred Spitzer übertroffen würde.

Urbane Legenden. In Polen gab es den „schwarzen Wolga“, ein dunkles Fahrzeug, in dem der Erzählung nach wahlweise Priester, Juden oder Vampire saßen und kleine Kinder verschleppten. Ich habe noch in der Schule „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ gespielt, mit Heidenspaß, und ich hatte nicht mal eine Sekunde an einen Mohren gedacht, sondern an eine Gestalt im Schatten. All diese Schauermärchen haben, neben dem Gruseleffekt, auch ganz praktische Gründe. Wenn das Kind Angst vor dem Slenderman hat, wird es sich womöglich weniger am Abend draußen bewegen, eben weil er sich fürchtet. Die Eltern können dafür durchatmen. Top Pädagogik.

Heut‘ zu Tag‘ gibt es eine andere urbane Legende, die ebenfalls Befürchtungen evoziert  und an unser schlechtes Gewissen appellieren soll. Es ist die Story um den „weißen Mann.“

Die Geschichte ist schnell erzählt. Der weiße Mann, wahlweise Europäer oder US-Amerikaner, hat Schuld. Ja. Am Klimawandel, am Rassismus, am Leid der Dritten Welt, am Sexismus, an Le Waldsterben, an Helene Fischer, an den Niederlagen des FC Bayerns, an Krebs, Aids und Feinstaub, an Seehofer, Merkel, ah, ne. Nicht an Merkel.

Ich bin jetzt 31. Einen solch arrivierten Rassismus, eine so etablierte Verschwörungstheorie habe ich noch nicht erlebt. Es ist erstaunlich, wie die Hälfte meines Umfeldes auf diesem Trip ist und gar nicht mehr runterkommt. Aufwachen!

Rassismus ist eine Einstellung gegenüber Menschen mit bestimmten biologischen Merkmalen. Weil der weiße Mann so ist, wie er ist, handelt er so. Er ist kein selbstbestimmtes Wesen, sondern aufgrund seiner Hautfarbe nicht Herr seiner selbst. Damit ist die Theorie um den weißen Mann auch zutiefst antiliberal und kontrahumanistisch. Denn beide gehen von einem selbstbestimmten Menschen aus, der, ganz wörtlich, sich selbst bewusst ist. Der weiße, wahlweise „alte, weiße Mann“ kann gar nicht anders, als sich wie das letzte Scheißhaus aufzuführen. Es sind die Gene. Herrgott, in 100 Jahren würde mir so etwas nicht einfallen, über Schwarze oder wen auch immer zu sagen oder auch nur im Traum zu denken.

Explizit wird der ethnische Kontext natürlich selten benannt, dafür sind die linksgrünen Bildungsbürger viel zu kultiviert. So wie sie ihren Antisemitismus „Antizionismus“ nennen und hinter „Israelkritik“ alles, was sie schon immer gegen den Juden hatten, loswerden, so kodieren sie ihren, von Selbsthass getriebenen, Rassismus gegen den „weißen Mann“. Sie sind männlich, heterosexuell, haben Kinder, sind verheiratet und wohnen im Reihenhaus? Damit sind Sie eine Tätergruppe! Deal with it.

Wenn Sie alle Errungenschaften des weißen Mannes abziehen, diese ab morgen nicht mehr nutzen, so ist das Ihr gutes Recht. Bedenken Sie dabei, dass Sie dann nicht mehr mit dem Tesla zum Biomarkt fahren, sondern mit nem alten Gaul zur nächsten Stadt galoppieren, wenn es gut läuft. Und statt dem neuen iPhone dürfen Sie Ihren Liebsten via Rauchzeichen kontaktieren. Ganz schön retro, wa? Dafür darf der Holzofen bleiben, ist ja romantisch, mit gutem Gewissen zich mal mehr Feinstaub wegzublasen, als die Fake Messstellen am Nackartor bei Dieselfahrzeugen jemals gemessen haben.

Ach ja, eure Lieblingspartei, die Grünen, könnt ihr auch knicken. Sogar die haben u.a. weiße Männer gegründet. Rot-Grün? Erfindung von weißen Männern. Willy Brandt? Weißer Mann.

Mir ist rätselhaft, wie Horden an intelligenten Menschen es fertig bringen, so sackdoof zu argumentieren. Jede Diskussion über Sexismus ist erst dann komplett, wenn „der weiße Mann“ angeprangert wurde. Haargenau so verlaufen Debatten um die Dritte Welt. Der Kolonialismus des weißen Mannes ist bis heute daran schuld, dass Afrika so arm ist. Das sagen übrigens hauptsächlich ebenfalls die Weißbrote, während viele afrikanische Ökonomen dies bestreiten und fordern, aus der Opferrolle herauszukommen. Afrika braucht nicht den larmoyanten Selbsthass der Europäer. Afrika braucht Demokratie, Kapitalismus, Rechtsaatlichkeit mit Rechtssicherheit, Abbau der westlichen Agrasubventionen und das Eindämmen der Korruption. Der weiße Mann kann da wenig richtig machen, dafür sehr viel falsch.

Im Kampf gegen die eigene Identität ist den Linksbesaiteten fast alles Recht. Dass sie dabei argumentieren, wie der tumbeste Rassist, wahlweise der Ethnopluralist, geschenkt.  Es geht um’s große Ganze: Die Deutungshoheit der Geschichte und Gegenwart. Und da war das Cleverle schon immer der, der mit Moralinsäure um sich spritzt. Am Ende liegt es an den Vernünftigen, den Wahnsinn nicht epidemisch werden zu lassen. Denn der weiße Mann ist so wenig übel, wie der schwarze oder gelbe.

Alles andere ist faschistoid.