„Ein Tag zum Helden zeugen!“, denke ich mir, als ich in die Sonne blicke, natürlich mit Sonnenbrille. Nachdem ich ein paar mal blinzle, sehe ich ein Eichhörnchen, nicht weit von mir auf einem Ast. Wir blicken uns an, ich lächle scheu und ich bilde mir ein, das Tierchen erwidert dies, ehe es in den Weiten der Baumkrone verschwindet. Unweigerlich muss ich an Claudia Roth denken. Sie sagte immer, dass sie gute Börek machen kann. Ich habe nie einen probiert.
Ich mache mich auf und gehe zu einem Kaufmannsladen, denn ich habe Glück gehabt. Einmal im Monat werden vom Bundesamt für korrekte Ernährung (BfkE) Fleischmarken verlost, die man dann in ausgewählten Demeter Bioläden einlösen kann. Am Ende stand ich als einer von stolzen anderen 200 Menschen fest. Und so holte ich mir voller Freude meine 250g Hühnerbeine für 1999999,99 Euro. Ja, ja. Die Preise wirken so hoch. Aber dafür bekommen wir auch mehr Grundeinkommen. Es gleicht sich also aus. Ich öffne meinen Geldkoffer und bezahle.
Das wird ein Festmahl und eine Überraschung, denn ich habe meinem Partner nichts erzählt. Hihi.
Weniger schön ist, dass ich in wenigen Monaten 50 Jahre alt werde. Nicht nur der Tatsache, dass kaum einer gerne altert, ist es auch so, dass das Stimmrecht ab diesem Tag halbiert wird. Für weiße Männer, versteht sich. Herren mit dunkler Hautfarbe können auf Antrag beim Bundesamt für korrektes Wählen (BfkW) auf Verlängerung stellen. Voraussetzung ist, dass wenigstens 25 Frauen, die sich nachweislich nicht kennen, bescheinigen, dass der Mann kein Sexist ist.
Hintergrund dieser Grenze: Es hat sich gezeigt, dass Männer ab 50 Jahren schlicht falsche Entscheidungen getroffen haben. Viele ältere Menschen erinnern sich an den Brexit oder an die Wahl eines Donald Trumps. Nachdem die Grünen im Jahr 2025 erstmals den Kanzler stellten, wurde dieses Gesetz Schritt für Schritt verwirklicht. Der damalige Regierungschef Robert Habeck hat dafür eigens seinen Twitter Account reaktiviert. Mit Vollendung des 65 Lebensjahr, dieses Gesetz wurde im vergangenen Monat beschlossen, erlischt das Wahlrecht für Männer in Gänze. Es wird schade sein für mich, aber ich glaube, es ist besser so. Der weiße, alte Mann hat uns nichts als Ärger gebracht.
Wir schreiben das Jahr 2038 und Claudia Roth wurde zum 3. mal zum Bundespräsidenten gewählt. Da dieses Amt inzwischen nur Frauen bekleiden dürfen, so lange, bis exakt so viele Frauen, wie Männer das höchste Amt im Staat bekleidet haben. Seit Gründung des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Und die Wahl war einfach. Niemand sonst hat Verve und Beliebtheit, die Kraft und die Freude, dass Temperament, die Schönheit und Schläue, um das höchste Amt der Republik auszufüllen. Aufgrund dieser unumstrittenen Tatsachen wurde die Begrenzung auf zwei Wahlperioden auf neun verlängert. Eine der vielen wichtigen Reformen von Grün-Grün.
Zwar hätte Bündnis 90/die Grünen nach der letzten Wahl auch alleine regieren können, bei rund 51% war die Mehrheit da. Aber als Symbol des Zusammenhalt schlossen sie eine Koalition mit dem Wahlbündnis „Muslime seid Brüder!“ kurz MsB. Es ging um nicht mehr als Zeichen setzen. Wir alle, die MsB vorne weg, sind sich sicher. Ein solcher Anschlag wie vor zwei Jahren auf insgesamt 15 Wintermärkte in Deutschland, bei denen rund 500 Menschen starben, darf sich nicht wiederholen. Und MsB Ehrenvorsitzender und ehemaliger Innenminister Adam Mazyek brachte es unlängst in seiner stets empathischen Art auf den Punkt:
Heute trauern wir. Aber wir lassen uns auch nicht einschüchtern, denn eines ist klar: Das hat nichts mit dem Islam zu tun. Wir dürfen jetzt den Rechten nicht das Feld überlassen! Dieser Anschlag ist Wasser auf die Mühlen der AfD! Daher rufen wir auf eine gesamtdeutsche Großdemo „gegen Rechts“ auf. Ich habe schon mit meinem Freund Campino telefoniert. Er war sofort dabei.
Ich fahre also mit meiner Delikatesse, die ich krampfhaft in den bloßen Händen halte (Seit 2030 dürfen Geschäfte auch keine Papiertüten mehr verkaufen, höchstens Jute Beutel für einen Festpreis von 2499999,99 Euro und ich hatte leider keine Tragemöglichkeit dabei) mit der U-Bahn nach Hause. Es ist ein Segen, dass die grün-grüne Regierung allen Städten auferlegt hat, dass der ÖPNV kostenlos zu sein hat. Kleiner Nachteil: Hier in Nürnberg fährt die U-Bahn nur noch stündlich und am Wochenende gar nicht. Muss man sich eben die Zeit einteilen. Und so stelle ich mich in das Abteil, in dem noch Platz ist. Sitzmöglichkeiten gab es früher, leider wurden diese aufgrund von Vandalismus schließlich ganz abgeschafft. Ist auch besser so, denn so passen mehr Menschen in die Wagons.
Manchmal passiert es, dass die Bahn einige Minuten oder Stunden stehen muss. Das kommt einerseits daher, dass die Führerwägen teils veraltet und defekt sind. Hauptgrund sind jedoch sogenannte „Positive Mikroshutdowns“. Das geht so: Da Deutschland seit 2030 nur noch auf erneuerbaren Energien setzt, kann es sein, dass der ÖPNV, gerade in Süddeutschland, nur unzureichend mit Strom versorgt werden kann. Aber heute ging ja Wind und die Sonne scheint immer noch! Ich freue mich auf das Essen.
Als ich an der gewünschten Haltestelle angekommen bin, laufe ich an einem verwahrlosten Haus vorbei, wo gerade ein Mann abgeführt wird. Ich kenne ihn. Es ist Herr Walk, der einst eine große Metzgereikette besaß. Als die Politik das „Gutes Essen Gesetz“ verabschiedete, in denen der Fleischkonsum strikt rationiert wurde und die Fleischsteuer eingeführt wurde, eine zusätzliche Umsatzsteuer auf alle tierischen Produkte von 35% bzw 75% bzw 125%, musste er die meisten Filialen schließen. Und als dann das Gesetz „Hallal für Alle“ seinen Weg in die Bücher fand, bei dem der Verkauf von Schweinefleisch zur Freiheitsstrafe führen kann, tauchte Walk unter. Man munkelt, dass er eine Schwarzmetzgerei mit eigener Schlachtung betrieb. Eklig. Das ist wohl nun wohl vorbei.
Gut möglich, dass dies auf die Initiative „Die Wahrheit kann so schön sein“ zurückzuführen ist. Hierbei wurde eine neue Behörde erschaffen, die sowohl dem Justiz-, als auch dem Innen-, und Verteidigungsministerium unterstellt war, die sich Ministerium für alternativlose Fakten (MfaF) nennt. Aufgrund dieser Initiative muss jeder Bürger eine entsprechende App installiert haben, in der man gesetzes- so wie gesinnungswidriges Verhalten (der Strafbestand der Gesinnungswidrigkeit wurde bereits 2023 ins Strafgesetzbuch aufgenommen) von Bürgern melden kann. Einfach Name, Adresse aufnehmen, am besten mit Foto. Zur Belohnung bekommt man ab einer bestimmten Punktzahl Zugang zu lukrativen Behördenjobs, oder aber Gutscheine für Fleisch.
Ein Freund kommt mir entgegen und grüßt mich lächelnd. „Na du hast aber gute Laune“, entgegnete ich ihm. Ein Hühnerbein entgleitet mir. Er hebt es auf und reicht es mir.
„Ja, ich habe endlich Arbeit!“. Mein Freund ist Ökonom und war zeitweise Mitglied der verfassungswidrigen FDP, ehe er von dem Berufsverbot erfasst wurde. Aufgrund des Antikapitalismus und den Kampf dafür, wurden viele Gesetze erlassen. Man darf zum Beispiel nicht mit Kapitalisten verkehren. Leute mit offensichtlich israelischen Namen, denn da sitzt ja das ganze Kapital, müssen sich Gesinnungstests unterziehen.
Ich erwidere ihm, dass es mich freut und frage, wo er denn nun untergekommen ist.
„Ich bin jetzt Lehrer. Physik und Latein. Und Moral, klar, muss jeder machen. Konzentriertes Primärfach. Ich wurde eben noch vereidigt. Das war aufregend! Unsere bayrische Landesmutter, unsere Katharina Schulze war live dabei! Und ganz ehrlich, sie ist genau so nett, wie im Fernsehen. Du. Ich muss weiter. Morgen beginnt meine erste Stunde und ich muss noch ein bisschen vorbereiten. Man sieht sich!“
Ich wollte ihn noch fragen, wie er zu Physik und Latein kommt. Ich kann mich nicht erinnern, dass er zu den Disziplinen einen besonderen Bezug hätte. Aber bestimmt hat er einfach noch mal studiert. Ich freue mich, dass er Arbeit gefunden hat. Gerade im Staatsdienst. Da ist es noch sicher! Offensichtlich werden wieder Männer eingestellt, nachdem die Quote von 50% Frauen oder ähnliche Geschlechter doch sehr schwierig zu erreichen war.
Ich finde es gut, was der Staat erreicht hat. Eine Staatsquote von 70% bescherte uns in den letzten Jahren einen properen Zuwachs an Wohlstand. Das bedingungslose Grundeinkommen, was gerade wieder erhöht wurde, sorgt dafür, dass wir mehr konsumieren können. Das sorgt wieder für mehr Beschäftigung. Warum sind die Politiker nicht früher darauf gekommen? Und seit dem die Arbeitslosenzahlen nicht mehr veröffentlicht werden, sinkt laut Regierung die Zahl der Arbeitslosen.
Ja, es stimmt schon. Es gibt weniger Geschäfte und ja, manchmal habe die keinen Kaffee, oder Milch. Aber darf ich ehrlich sein? Dieser ganze Konsumwahn hat uns krank gemacht. Überall immer das neueste, schnellste, schönste. Gesund war das nicht. Und dann noch dieser ewige technische Fortschritt. Und die Strahlen, hör mir auf! Ich habe mit meinem Nachbarn gemeinsam eine Rohrpost gebaut. So können wir kommunizieren und, wir haben auch noch Spaß dabei. Kaffee hat mir nie geschmeckt. Ja.
Ich laufe ein wenig weiter. Immer wieder kommen mir Menschen entgegnen und fragen nach Geld. Eine Ungeheuerlichkeit, angesichts der Tatsache, dass der Staat doch alles tut für uns. So viel gab noch keine Regierung für uns Bürger aus! Eine Frau mit kaum mehr Zähnen und abgewetzten Klamotten zerrt an meinen Hühnerbeinen. Ich schlage sie mit meinem Geldkoffer. Sie klappt zusammen wie ein Butterfly. Ich gehe. Blöde Kuh. Wie könnte sie überhaupt ohne Zähne das Fleisch verspeisen?!
Ich überlege, ob ich noch einen Abstecher mache und durch den herrlichen Basar laufe. Ich entscheide mich dagegen. Der Magen knurrt und diese Hühnerbeine sehen köstlich aus! Ich komme an einem Restaurant vorbei mit gesprungenen Fensterscheiben. Es hat seit kurzem geschlossen und heißt Tel Aviv-Jaffa. Der Name lässt unschwer erahnen. Juden. Ich habe gar nichts gegen diese Leute. Gibt ja nicht mehr viele und die paar fallen nicht auf. Immer wieder höre ich über Übergriffe von Besserdeutsche auf Juden, was von der Regierung dementiert wird. Es sind die Nazis, die den Juden jagen. Die Besserdeutschen nicht. Im Gegenteil. Im Koran steht ausdrücklich, dass Juden zu mögen sind. Glaube ich zumindest. Jedenfalls schade, dass sich das Restaurant nicht mehr rentiert hat. Hat wohl nicht sollen sein.
Als ich zu Hause bin freut sich mein Partner sakrisch über die Hühnerbeine. Ich setze mich vor den Fernseher. Private Sender wurden 2030 aufgrund des Gesetz für „Hochwertige Unterhaltung und gesinnungskonformer Nachrichten“ vom damaligen Minister für Medien mit Haltung, Klaus Kleber, durchgesetzt.
Ruhe. Ich mache den TV an und sehe eine Rede von Claudia Roth, die auf allen Kanälen übertragen wird. Trotz ihres Alters hat sie kein bisschen an Anmut und Intellekt verloren. Ich lausche gespannt:
„Wir möchten heute Inne halten. Wir möchten an jemanden erinnern. Ich möchte an jemanden erinnern. Jemand, der dieses Amt der Bundespräsidentin auch einmal ausfüllte. Davor war sie Kanzlerin. Sie hat unser Land geprägt. Heute vor zwei Jahren verstarb Angela Merkel. Sie begann etwas, was wir damals „Willkommenskultur“ nannten. Heute heißt es „Toleranzpflicht“. Eine Pflicht, die wir gut und gerne erfüllen. Wir sind noch lange nicht am Ende. Und eines noch…“ Claudia stockt der Atem und eine Träne kullert an ihrer Wange entlang, verfängt sich doch in einer Falte. „Angela…. du fehlst.“
Auch ich kann mir das Weinen nicht verkneifen. Claudia, das hast du toll gesagt!
Nach dem Essen, das vorzüglich schmeckt, schaue ich weiter StaatsTV. Neben Tatort läuft eine Dokumentation über Eichhörnchen. Wie schön. Diese agilen und frechen Tierchen! Noch ehe ich mich freuen konnte, kam die kurze Warnung. „In 60 Sekunden beginnt der positive Mikroblackout, der voraussichtlich bis 23 Uhr andauern wird.“
Macht ja nichts. Ich wollte eh schlafen und heute, ja, da habe ich doch schon ein Eichörnchen gesehen. Ich möchte es Angela nennen. Oder Claudia? Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Ich schlafe ein.
2 Antworten auf „Nachts sind alle Eichhörnchen rot(h) – Eine grüne Dystopie“
keine nette vorstellung…
mir ist schlecht
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[…] Tage später verfasste ich eine Kurzgeschichte: „Nachts sind alle Eichhörnchen rot(h), die von einer grünen Diktatur handelte. Ein kleiner […]
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