„Hass“ ist überall. Ja. Aber erst seit einiger Zeit, sagen sie. Ach so.
Mittlerweile moderiert ein ehemaliger Eiskunstläufer das interaktive Format im ZDF, Aktenzeichen XY. Was nicht heißt, dass es nun geschmeidiger zugeht, wenn „die Polizei wieder um Ihre Mithilfe“ bittet. Doch der Hass, er wird mehr, sagen die, die früher nicht dabei waren. Die Gesellschaft verrohe und verblödet; die Jugend vornedran. Ein Argument der Alten, das bis in die Antike zurückreicht. So war bereits der Sokrates gar nicht zufrieden mit seinen Nachkommen: „Die Jugend hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollten.“. Ach, Herrje.
Wenn heute der Oppositionsführer nach der Bundestagswahl sagt, er wolle Angela Merkel jagen, so wird dieses Zitat als steter Beweis geführt, wie roh es zugeht, gerade von rechts. Dass „Wir werden den Kanzler jagen“ aus dem Mund eines Grünen kam, was DER SPIEGEL dankend aufnahm, um eine Kampagne gegen Helmut Kohl zu starten, geschenkt. Was es nicht besser machte, dennoch fehlte die inzwischen jahrelange Empörung. Und noch mehr geschenkt, dass Alexander Gauland ein wirklich bedenkliches Wort im selben Interview zum Besten gab, welches im Gegensatz zur „Jagd“ tatsächlich Anlass zur Sorge gibt: „Wir holen uns unser Land zurück“.
Besonders perfide argumentierten Politiker, Gauland hätte mit diesen Worten Mitschuld am Mord von Regierungspräsidenten Lübcke. Man braucht kein intellektueller Riese zu sein, um dies als durchschaubare Taktik „gegen Rechts“ zu nutzen. Dabei liegen die Argumente gegen die Etatisten, zunehmend sozialistischen, wie fremdenfeindlichen Politikern der AfD doch auf der Hand – man muss sich nur etwas Mühe geben. Mit der Nazikeule lässt sich jedenfalls kein Blumentopf gewinnen. Spaßfakt am Rande: Ein beliebter Musiker, ich würde sagen für nicht wenige ein Idol, prägte in einer US Sendung den Satz „Words are just words , als er von politisch enorm Korrekten wegen seiner gar nicht so korrekten Texte angegangen wurde. Ein Argument, was heute freilich nicht mehr gilt. Trump trägt Schuld am Rechtsterror, Gauland hat Lübcke auf dem Gewissen. Und 2pacs ersten beiden Alben trugen aktiv zur Ermordung von Polizisten bei. So simpel, auch wenn es uns die Restles und Reschkes glauben machen wollen, ist die Welt, Gott lob, nicht.
Politiker wissen, wie sie verstanden werden wollen und Herr Vollmer von den Grünen und Herr Gauland wussten, was sie mit „Jagen“ aussagen. Sie wollten keinen „Hass“ sähen, auch so eine beliebte Floskel; dieses sähen, welches vor der Ernte kommt. Sie wollten die Selbstverständlichkeit von Opposition ausdrücken, nämlich die Regierung zu fordern, sie vor sich herzutreiben, in die Enge drängen, ja, wenn Sie es so wollen, den Kanzler zu jagen. Alles andere Verhalten politischer Gegner würde mich überraschen, was freilich in der willkommenstrunkenden Zeit der Fall war. Auch wegen mangelndem Jagdinstinkt, fehlender Schärfe, aufgrund einer seltsamen Einigkeit bei Themen wie Energiewende, Eurorettung und Flüchtlingskrise steht die AfD heute so stark da. „Mehr Jagd wagen“ hätte die AfD vielleicht verhindert.
Der Duden sagt, Hass sei ein starkes Gefühl der Ablehnung und Feindschaft gegenüber einer Person, Gruppe oder Einrichtung. Ich habe Hass erlebt. Diese Erfahrungen ist der Stachel in meinem Fleisch, nie jemanden so sehr abzulehnen, dass ich ihn für seine Existenz hassen müsste. Ich kann sagen, dass mir das bisher gelungen ist. Und ich kann sagen, dass es vielen Menschen nicht gelingt. Doch Hass ist, wie so vieles im Leben, eine Sache der Betrachtung, wie im Falle des bekanntesten Ex-Senators von Berlin.
Thilo Sarrazin wird gerne als Wegbereiter des Hasses gesehen, wie ich in Talkrunden schon gehört habe. Nicht selten sagen das Leute, die kein Buch von ihm gelesen haben, was ich in in mehreren privaten Diskussionen hören durfte. Es gibt „so eine Idee“ von Sarrazin, ein „Narrativ“, wie es im Neusprech so schön heißt, über den Mann mit der ungelenken Sprache. Man hat einen sz Artikel gelesen, zwei noch vom Stern und eine ausführliche Besprechung seines 4. Buches in der taz. Das alles ist okay und mir recht, aber daraus eine Meinung über einen Autor zu kreieren, noch dazu eine solch schwerwiegende wie „Hass“, oder Wegbereiter dessen, halte ich für tendenziell dürftig. Sarrazins Bücher sind akribisch, was die Quellen angeht, ausführlich, was die Herleitungen betrifft und außerdem stilistisch mehr oder weniger fad. Sarrazin ist sprachlich gar nicht in der Lage und es ist auch nicht sein Anspruch, „Wegbereiter des Hasses“ zu sein. Das würde ich eher lausigeren und von Emotionen getriebenen Journalisten unterstellen, die das Buch mit einer tödlichen Krankheit vergleichen. Eine solch abstruse Überschrift kenne ich von vergleichbaren Medien wie FAZ oder Welt nicht. Zärter besaitete Seelen würden das als hasserfüllt bezeichnen.
Ist es nicht viel mehr das Problem einer im Kern zunehmend verweichlichten Gesellschaft, in der Eltern die alles toll finden, was ihre Kinder so fabrizieren und mindestens Lehrer oder Schule Schuld haben, warum es nicht mit dem Gymnasium klappt? Diese Pflänzchen werden älter, bezeichnen alles Widerwort als „Hass“ , weil sie im wattegepackten Konsens aufgewachsen sind. Diese ehemaligen Kinder betreten dann die Redaktionsräume als Mitarbeiter und die Plenarsäle als Abgeordnete und verbreiteten eine sonderbare Form der Selbst- und Fremdzensur: Die politische Korrektheit. Zugegeben, simplifiziert, aber ein Funken Wahrheit dürfte bestehen: Was früher, siehe 2pac, die Puritaner waren, die Hochscheinheiligen aus dem Christentum, sind heute immer mehr die linken Moralisten, die den Zeigefinger gen Horizont heben, wenn ein Wort den Konsens des politisch Korrekten verlässt. Dieser Versuch der Fremdzensur, zwar nicht behördlicher Seit’s, jedoch moralischer Art, ist meiner Meinung nach ein weiterer Grund, warum die AfD so stark ist. Sie verkörpern das von intellektuellen oft belächelte Gefühl des „das wird man doch mal sagen dürfen“ par excellence.
Wie Parmesan auf Bolognese passt die Diskussion über eine Studie des Allensbach Institut in der ZEIT. Mehr als 70% der Befragten geben an, beim Thema Flüchtlinge in der Öffentlichkeit vorsichtig formulierten. Alleine die Tatsache ist für Journalist Christian Staas Anlass zur Behauptung, „das Forschungsinstitut bediene rechte Ressentiments“, freilich ohne, das ist in dem Milieu üblich geworden, „rechts“ überhaupt zu definieren. Diese Diskussionskultur ist der Kollaps eben dieser. Wie Empirie als solche „rechts“ sein kann, ist ebenso unklar, wie Herr Staas zu seinem Job kam. Wobei ich mir letzteres erklären kann: Rechtes Label druff, Deckel zu. Das scheint als Empfehlungsschreiben für die Hamburger Wochenzeitung genügt zu haben.
So lange viele Linke alles als Hass bezeichnen, was fernab ihrer politischen Linie verläuft, bleiben sie die neuen Puritaner. Die politische Korrektheit wird zum Lastenaufzug moralischen Seufzens. “ Wir haben sowohl das politisch unkorrekt anmutende Problem erfolgreich verdrängt, ebenso haben wir den Gegner „Hass“ unterstellt“. Traurige Diskussionskultur.
Hass, ja. Ich wünsche niemanden, Hass am eigenen Leib erfahren zu müssen. Und ich wünsche mir, dass man mit einem solch scharfen Schwert, wie das Wort „Hass“, bedachter umgeht. „Words are just words“, ja, wahrscheinlich ist es nicht ganz so einfach. Am Ende des Tages liegt es an uns, wie wir Worte bewerten. Doch ein Wort hat noch keinen umgebracht und für Wahnsinnstaten bedarf es mehr als bloß Wahnsinnsworte. Sonst müsste man den Koran verbieten, Filme über Hass und der Dinge mehr. Ich glaube, es hilft schon, Worte und deren Urheber nicht gleich mit Hass zu etikettieren. Es hilft niemanden weiter, das zu tun, außer Diskussionen unmöglich zu machen. Denn mit „dem, der hasst“, redet man nicht gern, wie man mit den Schmuddelkindern nicht spielt , obwohl die Argumente durchaus hörenswert wären.