Es war einmal ein Bundesland, das von Kriminellen CDs erstand, um die katastrophale Haushaltslage im Land zu kitten. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Staat wurde zum Datenschlepper, der Haushalt trotzdem nicht ausgeglichen und die katastrophale Regierung in Nordrhein und Westfalen formvollendet abgewählt. Der damalige Chefhehler, Norbert Walter Borjans, der noch nie in seinem Leben eine Wahl jenseits seiner Partei gewann, ist das nun „Comeback Kid des Jahres“. Er wurde gemeinsam mit einer völlig unbekannten Politikerin, zu ihr später mehr, zum Vorsitzenden der SPD gewählt.
Vor mehr als einem Jahr und noch bevor Andrea Nahles ihr Gastspiel als Chefsoze aufnahm und just wieder abgab, schrieb ich bereits über die SPD, den offenkundig die Mitglieder im Willy Brandt Haus nicht gelesen haben. Schad‘. Denn sonst hätten sie kein dezidiert linkes Duo ins Amt gelobt, das lediglich einen Teil der Partei repräsentiert. Warum, wenn schon Doppelspitze, warum dann nicht Personen aus verschiedenen Lagern? Wer Volkspartei sein will, muss auch die Diversität des Volkes wiedergeben. Wie beschrieben: „Am Stammtisch einer Volkspartei sitzt der Lehrer neben dem Arbeiter, dem Professor und dem Arbeitslosen. Irgendwie sind bei der SPD bis auf ein paar Lehrer und ein Professor alle gegangen.“ Nowabo, wie Norbert-Walter Borjans abgekürzt wird, zementiert die programmatische Einseitigkeit.
Der Sieg des Duos zeigt auch die Dominanz der Jusos. Kevin Kühnert hat es geschafft, die Jugendorganisation zum Sprachrohr des immer mächtiger werdenden linken Flügels zu machen. In meinem Brief an die SPD heiß es: „Sinnbild der sozialdemokratischen Schwäche ist die Stärke der Jusos. Jeder kennt den Namen Kevin Kühnert. Doch niemand erinnert sich an Johanna Ackermann oder Sascha Vogt, beides ehemalige Vorsitzende. Es ist wie daheim: Wenn die Kinder in der Familie sagen, wo es lang geht, läuft etwas schief.“ Kühnert ist längst ein politisches Schwergewicht, auch wenn er in seiner Rhetorik keinen Unterschied zur Linkspartei erkennen lässt. Genau das ist das Problem.
Problem war für die Sozis auch die Alternative zu Nowabo. Olaf Scholz. Ok, immerhin hat er bereits echte Wahlen gewonnen, in Hamburg zum Beispiel die absolute Mehrheit erreicht, trotzdem hält sich seine Ausstrahlung, sagen wir es freundlich, in überschaubaren Grenzen. Und er ist in der Partei unbeliebt. Daher wählten wohl viele im Zweifel gar nicht, obwohl sie keinen Linkskurs wollten, ebenso wenig jedoch Scholz. Wenn man die Wahl hat zwischen einem Technokraten mit dem Charisma eines Tankwarts und einem greisen Altsozialisten, kann es sein, dass man es ganz lässt.
Die SPD steht vor der Schwierigkeit, im Merkel Regime ihre sozialdemokratische Politik durchgesetzt zu haben und nun nach den neuen Vorsitzenden Argumente braucht, aus der Koalition auszusteigen. Ich bin gespannt, wie die beiden das anstellen werden. Vermutlich wird sich ein Thema gesucht, Finanztransaktionssteuer, Vermögenssteuer oder Hartz IV abschaffen, bei denen die CDU niemals mitmachen wird. Das wird dann zum Generalstreit stilisiert, um am Ende aus vorgeschobenen inhaltlichen Gründen die Groko beenden zu können. Eigentlich aber geht es den Protagonisten um die schleierhafte Annahme, man würde sich in der Opposition erneuern können. Dabei ist die SPD längst erneuert. Sie ist dezidiert Linker, als sie vor 10 Jahren war. Auch das zeigt die Wahl. Man muss Wolfgang Clement nicht mögen, aber es hat seinen Grund, warum er aus seiner Partei ausgetreten ist.
Ein weiteres Problem und das hat es mit allen knappen demokratischen Mehrheiten gemein, ist, dass die Wahl bei sehr vielen großen Verdruss erzeugt. Immerhin waren 48% für Scholz. Die neue Führung benötigt gehörige Bindungsfähigkeiten, um diese große Minderheit weiter in der Partei zu integrieren. Und da habe ich bei einem Duo, das so eindeutig aus einer Strömung kommt, große Zweifel. Und von der Strahlkraft eines Robert Habeck, die für diese Bindung sorgen könnte, ist Nowabo so weit entfernt, wie die Sozen von der absoluten Mehrheit.
Wenn Sie jetzt fragen, warum ich die weiblichen Kandidaten, Frau Esken und Frau Geywitz, bisher nicht erwähnt habe, so ist die Antwort einfach: Sie sind irrelevant. Das Verfahren dieser Wahl ist so himmelschreiend sexistisch, dass es mich wundert, keine Feministinnen vernommen zu haben, die das erkannten. Denn zu erst war der Mann, Scholz und Borjans. Da das Statut es vorsieht, mit einer Frau anzutreten, gingen sie auf die Suche und wurden fündig. Selbstverständlich wäre Scholz am liebsten alleine angetreten. Die Frau als Anhängsel, als Notwendigkeit, kenne ich aus patriachalen Zeiten, in der es sich in der Gesellschaft nicht schickte, single zu sein. Ein Mann braucht eine Frau und eine Frau braucht einen Mann. Simone de Beauvoir würde der SPD ordentlich die Leviten lesen.
Vielleicht doch ein von zu den Damen. Ein Satz, oder besser ein Tweet von Frau Esken, die nun ebenfalls Bundesvorsitzende werden wird, der für sich steht, 100 Millionen Tote negiert, Nationalsozialismus nicht berücksichtigt und die Einstellung der Frau von Nowabo zusammenfasst:
Ich lass‘ das mal wirken.
Während ich mich von der Partei verabschiede und zum Abschied leise „SPD“ sage, befinden sich Journalisten in tiefer Trauer. Lesen Sie diesen Zeit Artikel, er lohnt sich. Man hört förmlich den Walkürenritt im Hintergrund, als Autor Peter Dausend den ganz großen Farbkasten des Pathos herausholte und zu schreiben begann, als wäre es das letzte, was er noch tun konnte. „Tapfer“ ertrage Olaf Scholz „die Schmach“, als das Ende „all seiner politischen Träume“ verkündet wurde. Trotzdem verhielt er sich „pflichtbewusst“, als seine „politische Welt zusammenbrach“, während seine Partei ihm beim „Abstürzen noch ein wenig zusehen mag“. Herr Dausend, dessen Redaktion den Text allen ernstes „Analyse“ nennt, kann es einfach nicht fassen, dass die Mitglieder anders abgestimmt haben, als er sich das vorgestellt hat, was ein recht typisches Phänomen von Journalisten ist. Und er mag den Olaf und die SPD. Nur eben nicht so, nicht mit Nowabo. Blöd gelaufen.
Wahrscheinlich hat Dausend sogar recht. Es war keine gute Idee, Borjahns und Esken zu wählen. Die 48% Gegenstimmen können sich jedoch trösten und mit guten Gewissen in die CDU eintreten, die dank Merkel die weitaus produktivere Sozialdemokratie geworden ist.