Sascha Lobo ist es. Der Richter von der Lage der Nation auch. Gerhart Baum und der Schnarrendings der FDP sagt man es nach und den vielen, die weiland auf den inzwischen längst entgleisten Schulz-Zug aufsprangen, ebenso. Sie sind alle, na, na? Richtig. Linksliberal.
In der Wikipedia finden Sie darüber einen wuchtigen Beitrag, der auch gar nix auslässt. Von Karl Grün bis zum wackeren Friedrich Naumann, von der Piratenpartei, bis, na klar, zu den Grünen. Ja, sogar die Ex-SED, DIE LINKE, ist mit von der Partie. Allesamt sind nach den Autoren irgendwie linksliberal. Daneben gibt es in dem besagten Artikel einen Zeitstrahl, ab wann die FDP eben linksliberal war, ab wann lediglich wirtschaftsliberal. So tat es in der Silvesternacht 1968 einen Schlag und die Mitglieder der Liberalen wachten auf und waren, ja, Sie ahnen es, linksliberal. So schnell kann’s gehen.
Der Begriff ist in Deutschland geprägt von der sozialliberalen Koalition, also die Koalition mit SPD mit FDP ab 1969 und ebenso geprägt von der zwei Jahre später entstandenen Freiburger Thesen. Ich möchte nicht zu sehr in die Geschichte gehen, zur so viel: Hier manifestierte sich der erste etymologische Fauxpas. Man entwarf das Wort „sozialliberal“ und weil „sozial“ ja irgendwie links ist, tauschte man beide Wörter aus. Das Problem an dem Wort „sozial“ ist, das wusste bereits der Hayek, es ist ein Wieselwort. Klebt man es an ein anderes, bedeutet der Begriff alles und nichts. So gibt es die soziale Frage, Sozialwohnungen, die Sozialdemokratie, der Sozialstaat und den Sozialliberalismus. Und alle bedeuten etwas völlig anderes, ja, mehr noch, das „sozial“ in den Worten bedeutet etwas völlig anderes. Es wieselt so umher und bei politischen Befriffen wie sozialer Frieden, soziales Gewissen, soziale Marktwirtschaft versteht jeder etwas anderes.
Heute hört man ab und an noch „sozialliberal“, häufiger jedoch „sozial“ mit „links“ davor. Ich möchte den Autoren diverser Bücher über das Thema nicht zu nahe zu treten, dennoch halte ich das Wort für ein Oxymoron. So wenig wie der Papst in eine Jüdin ist und Schimmel schwarz sein können oder Schalke Meister wird. Gib’s nicht. Es gibt auch keinen liberalen Kommunismus, oder einen liberalen Islam, auch wenn uns letzteres gerne gesagt wird. Es gibt liberale Muslime, keine Frage, aber wenn dann trotz ihres Glaubens, so wie Stauffenberg vermutlich Nationalsozialist war, aber eben kein Massenmörder. Trotz seiner Ideologie hatte er Herz und Verstand nicht verloren.
Unter „Links“ versteht man grundsätzlich, dass jeder Mensch gleich ist, ich schrieb darüber vor einiger Zeit. Als ideologisches Konzept dient der Sozialismus, der den Kapitalismus überwinden will, die Arbeiterklasse aus der Unterdrückung befreien mag und aus ihrer eigenen Klasse, weil es im Idealzustand keine mehr gibt. Also Klassen, nicht Arbeiter. Wobei sich das mit der Arbeit auch erledigt haben dürfte, aber das nur am Rande der Physik.
Hier beginnt das Problem. Der Liberalismus steht zwar für Gleichheit, aber eben nur vor dem Gesetz und weniger als gewünschten gesellschaftlichen Zustand. Während die Rechte in Hierachien denkt und Ungleichheit in Ethnie und Kultur sieht, hinterfragt der Liberale stets Autoritäten. Das endet bei vielen Linken spätestens, wenn die großen, sozialen Fragen zu lösen sind und daher mehr Steuern eingetrieben werden sollen, was ein enormer autoritärer Akt ist, oder zum Zwecke der Allgemeinheit Hausbesitzer enteignet werden.
Zum Zwecke das Kollektiv zu befrieden, sind bei rechts, aber auch bei links, viele Mittel recht. Hier wird das Oxymoron am deutlichsten. Der Liberalismus entstand aus dem Individualismus. Der Sozialismus ist eine durch und durch kollektivistische Veranstaltung. Ob „Die Arbeiter“, „die Flüchtlinge“, „die sozial Schwachen“, ein Kollektiv findet sich immer, um den geleugneten und verkappten Egoismus, sprich den Altruismus zu rechtfertigen. Der Liberale kann da nur staunen und sich abgrenzen.
Wie soll das also denklogisch funktionieren? Eine kollektivistische, etatistischen Idee, die ihre Ziele nur mit Befehl und Gehorsam durchsetzen kann, zu vereinen mit dem Gegenteil, eine individualistische Vorstellung von Gesellschaft, die Autoritäten hinterfragt? Sie können koalieren, klar, wie 1969. Ich verstehe den Befriff „sozialliberal“ hier auch eher als Kolaborationsbegriff. Hier die Sozialdemokraten, dort die Liberalen. Aber als politische Denkweise taugt der Begriff nicht. Er ist unlogisch und falsch. Er verwirrt.
Sascha Lobo, Sie merken, die Haarbürste triggert mich, beschrieb seinen Linksliberalismus folgendermaßen.“
Ich bin (…) linksliberal im Sinne der gesellschaftlichen Freiheit. Ich bin für die Ehe für alle, für Abtreibung (…). In der wirtschaftlichen Freiheit möchte ich aber Begrenzung, einen angemessenen Mindestlohn, Begrenzung von Mieten (…).
So würden sich wohl auch die allermeisten Linksliberalen beschreiben. Und auch hier liegt ein fulminanter Denkfehler vor, den ich sehr häufig feststelle. Es ist das Selbstverständnis, zwischen „Wirtschaft“ und „Gesellschaft“ zu unterscheiden. Hier kommt einmal mehr die gute, alte marxistische Ideologie, der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, zu Tage. Die Wirtschaft, das Kapital eben, das sich über die Arbeit, die Gesellschaft behauptet, es knechtet und ausbeutet. Eine zeitgemäße Herangehensweise sieht anders aus.
Es gibt nicht „die Wirtschaft“ und dann „die Gesellschaft“. Würden Sie sagen, der Chef in Ihrem Unternehmen, der Eigentümer ist, der Donnerstags Schafkopf spielt, drei Kinder hat und Mitglied im Sportverein ist, ist nicht Teil der Gesellschaft, weil er „die Wirtschaft“ ist? Natürlich nicht. Ich bin der Meinung und das hat auch der Friedman gesagt, keine Angst, der Milton und nicht der Michel:
Es gibt keine gesellschaftliche Freiheit ohne ökonomische Freiheit.
Ich würde das ergänzen in:
Ökonomische Freiheit ist gesellschaftliche Freiheit. Ersteres ist Teil vom zweiten.
Ich bin immer wieder erstaunt, wenn Leute glauben, die Beherrschung der Wirtschaft sei nur von untergeordneter Bedeutung und diese nonchalant für vermeintlich moralisch höhere Ziele, die oft sauer werden, in Kauf nehmen. Die Freiheit, ein Geschäft zu eröffnen, ein Haus zu bauen, eine Investition zu tätigen, eine Banane zu kaufen ist denknotwendig gesellschaftliche Freiheit. Ich muss nicht betonen, wie negativ sich die geringere wirtschaftliche Freiheit auswirkt und wie gesellschaftlich sie wird, wenn man in der Mangelwirtschaft lebt. DDR, Venezuela, Kuba und Co lassen grüßen.
Linksliberal ist also meiner Meinung nach ein Oxymoron. Es geht nicht zusammen, wie Kanibalen und Veganismus, Köln und Düsseldorf, Käse in der Knackwurst und ich mit Sascha Lobo.