Kategorien
Allgemein

Julians Coronatagebuch – Folge 8 – Meister Eder und sein Pumuckl

Was hab‘ ich mich amüsiert, als ich gestern den Meister Eder geschaut habe. Nebst Kobold versteht sich. Pumuckl im Zoo hieß das Stück, auf das ich dank erinnernder Empfehlung eines Freundes stieß und sogleich konsumierte. Und was soll ich sagen? ich kam aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Wie der Eder dem Pony hinterher rennt, weil er denkt, sein Pumuckl sei auf dem kleinen Pferd und er anschließend im Biergarten ein friedliches Nickerchen macht, der Anstrengung wegen. Wunderschön. Dem Schauspieler Gustl Bayrhammer ist das Textlernen vermutlich leicht gefallen, besteht doch rund 50% seiner Sätze bloß aus einem Wort; nämlich „Pumuuuckl!“ in unterschiedlicher Phonetik. So schön, so friedlich. Aufwachen tut der Meister dann auch, nachdem der schwer genervte Kellner den Schreiner unwirsch aus dem Schlummer rüttelt. Und noch im Schlafe trunken murmelt der Eder eine der meist frequentierten oberbayrischen Grundformeln: „Jetzt trink ma‘ noch a Radlermaß und dann gehts weider“.

Die Pumuckl Geschichten sind super. Dialoge, die man heute nicht mehr findet und Charaktere, die allesamt eines gemeinsam haben: Liebevoll einen an der Klatsche. Sodann geht’s, wer hätte es geahnt, auch gut aus in der Folge mit dem Zoo. Wie bei jeder Episode,  die tragische „der große Krach.“ einmal ausgenommen. Harmonie ist steter Begleiter und Leitmotiv der Kinderserie, die auch gut und gerne die Großen schauen können.

Ganz so harmonisch lief es die Tage in Corona World leider nicht ab. Am Freitag gehe ich einkaufen. An der Kasse steht ein älterer Herr, dem auffällt, dass er keine Tüte mitgenommen hat. Fluchs dreht er sich zum Tragetaschenort unterhalb des Kassenbandes. Und was macht man am besten, um den Gegenstand grifffest zu ergattern? Richtig, man befeuchtet mit Speichel seine Finger. Das ganze machte er zwei mal. In Zeiten einer Pandemie, die durch Tröpfchen- und Schmiereninfektion breiter und breiter wird, eine wirklich tolle Idee. So mir blieb nichts übrig, als dem Mann meinen viel zitierten Satz ins Gesicht zu spitten, wie Kool Savas die Kreuzreime spittet: „Geht’s eigentlich noch?“

Dieses in die Finger, pardon, rotzen, um mit den Griffeln irgendetwas besser greifen zu können, scheint eine Tugend zu sein von vornehmlich Herren fortgeschrittenen Alters. Ohne Virus, beim Blätter austeilen in der Schule oder beim Schafkopf’n, ist dies ein mittelmäßiges Ärgernis.  Doch im Moment ist diese Un- bis Abart brisant, weil gefährlich, weil Corona. Eben ein Fall für, ich erwähnte es bereits: „Geht’s eigentlich noch?“

Was mir, nicht die Tage, aber vor Monaten immer mal aufgefallen ist, ist den Pfandzettel sich in den Mund zu stecken. Ja, wirklich, Leute tun so etwas! Was dann dazu führt, dass sich Einkaufsmärkte genötigt fühlen, diese Zettel, danke werter Bruder für dies‘ illustre Fundstück, an den Automaten zu hängen:

Die Harmonie rund um die Debatte „wie geht man mit der Krise um“ bekommt zunehmend Risse. Und das ist auch okay. Denn Harmonie in der Demokratie ist auf lange Sicht eine Diktatur, die sich Demokratie nennt. So gibt es von vielen hagelnde Kritik, die es wagen („how dare you?“) von den Verantwortlichen eine mittelfristige Strategie zum Ausstieg aus dem Shutdown zu fordern. Und ja ich finde auch, wir müssen darüber reden.

Das Lockern der Maßnahmen wird sicher nicht heute oder morgen oder in 14 Tagen stattfinden. Ich weiß nicht, wann, woher auch. Da vertraue ich der Expertise der Experten, die sich nicht bei allem einig zu sein scheinen, was logisch ist. Ich gebe eines zu bedenken: Die ökonomisch-gesellschaftlichen Schäden werden mit jeder Woche gravierender. Das ist kein „bisschen ruckeln“, das wird zu einem Beben, bei dem das Degenerieren der verhassten Automotive-Branche das geringste Problem sein wird.

Warum schreibe ich „ökonomisch-gesellschaftlich“? Das ist recht simpel. Ich habe oft den Eindruck und darüber habe ich bereits geschrieben, dass „Wirtschaft“ von Gesellschaft, von einigen getrennt betrachtet wird. Das ist jedoch Unsinn. Es wird so getan, als wäre diese Wirtschaft ein Subsystem der Berliner Politik, das extrahiert von Mensch und Gesellschaft statt findet. Die Wahrheit ist: Wir alle sind Ökonomie. Selbst wenn wir beim Staat arbeiten oder gar nicht arbeiten, gehen wir zum Bäcker, fahren wir in den Urlaub und kaufen uns Autos.

Und daher ist ein ökonomischer Einbruch auch ein gesellschaftlicher Einbruch. Natürlich können wir den Shutdown bis zum Impfstoff irgendwann 2021 verlängern. Doch dann werden wir dieses Gesundheitssystem nicht aufrecht erhalten können, dann bricht die Grundversorgung zusammen. Das kann keiner wollen. Daher, wann auch immer das sein wird, müssen wir bereits jetzt Strategien über ein Ausweg aus dem Shutdown entwickeln.

Abschließend etwas grundsätzliches. Ja, dieser Virus ist ganz besonders gefährlich und auch wenn ich von Virologie so viel verstehe, wie vom Paalauf, sind das die wesentlichen Argumente dafür: Lange Inkubationszeit, lange „Lebenszeit“ in der Atmosphäre, kein Impfstoff und immer noch nicht eine 100% eindeutig definierte Risikogruppe. Vergleiche mit der Menschengrippe sind mindestens  aufgrund dieser Punkte falsch.

Wahr ist aber auch und das ist vielleicht die bittere Erkenntnis: Wir können nicht jeden schützen und werden nicht jeden schützen. Wir haben auch nicht am Rande der Autobahn alle fünf Kilometer eine Notaufnahme und nicht in jedem 500 Seelendorf sitzt eine Polizeistation. Ein Maß an Sicherheit macht Freiheit erst möglich, aber wie bei der Laffer Kurve ist das Peak der Parabel irgendwo zwischen den beiden Seiten. Ohne Freiheit ist der sicherste Ort der Welt ein fremder, steriler und menschenverachtender Platz.

So politisch wollte ich gar nicht werden, aber na ja, so isser halt. Was heut‘ sicher passieren wird, ist, dass eine neue Folge vom Pumuuuckl laufen wird. So viel steht fest. Und morgen gibt es wieder ein Rezept, denn ich habe heute eine neue Variante der Sandwichsensation probiert, die ich morgen verfeinern werde. Ich sag‘ nur: Vollkorn! (Zwinker)

 

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s