Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk mal wieder Moralfernsehen vorgibt, überlassen die Redakteure und Produzenten nichts dem Zufall. „Gut“ und „Böse“ sind da fein strukturiert und die üblichen und natürlichen Nuancen, die gerade politische Sendungen doch ausmachen, sind in dem Fehl fehl am Platz. Das würde ja den Erziehungsauftrag gefährden. Das deutsche Kind war so ein Film, den ich vor einiger Zeit und völlig zu Recht in den Schredder steckte. Just in den Tagen stieß ich auf die Serie Deutscher. Ich muss sagen, einen solch schwarz-weiß verblödeten Hirnfick habe ich lange nicht gesehen. Doch „first things first“ wie der gepflegte Brite es zu formulieren weiß.
Sie fragen sich vielleicht, warum ich die Serie, die ich offenkundig nicht leiden kann, trotzdem schaue. Die Antwort ist simpel. Weil sie sehr gut inszeniert ist, hochglanz und so, und sie mich unterhält. Im Ernst! Ich musste mehrfach laut lachen, weil so groteske Szenen dabei sind, die in 100 Jahren nicht im Alltag passieren würden, aber dennoch gedreht werden, da sie gezeigt werden müssen. Weil sie das Klischee verwahrheiten. Weil sie das Volk in Stellung bringen, was das Volk denn gefälligst zu denken hat.
Worum geht es in „Deutscher“? In aller Kürze: In Berlin gewinnt eine „rechtspopulistische“ Partei die absolute Mehrheit. Die Serie dreht sich um zwei Familien, Nachbarn, Kinder um die 16 , die befreundet sind. Die einen sind die Guten, die haben die Rechtspopulisten nicht gewählt und sind intellektuell. Die anderen sind, oh wunder, die Bösen. Der Mann im Haus ist Handwerker. Bei seiner Frau ist – Stand Episode 1 – ist es noch unklar, was sie gewählt hat, aber das ist ja auch egal. Sippenhaft is a must! Genauso wie das Kind, das zwar gar nicht wählen kann, aber dennoch eine gewisse Schuld trägt. Mit gehangen, mitgefangen. Alle in einen Sack und Knüppel drauf, man trifft immer den richtigen. Die Bösen grillen übrigens ständig, was ein klarer Hinweis auf Nazigedankengut ist. Logisch. Die anderen, die Bioguten, essen bio (kein Witz). So stellt sich das ZDF also die Deutschen vor.
Wenn der Wahnsinn cineastisch wird, dann findet man ihn in den Öffentlichen. Und so ist auch der Titel der Serie „Deutscher“ kein Zufall. Deutscher! Haben Sie das Wort auch gerade mit Hitler-Akzent im Ohr? Deutsch, so denkt es in den Machern, ist schon unangenehm genug. Aber Deutscher! Also noch mehr Deutsch! Das geht mal gar nicht. Und ist ganz klar rechts. Rechter!
In der ersten Folge gewinnen also die Rechtspopulisten die Wahl. Zwar weiß keiner so genau, was mit „Rechtspopulisten“ gemeint ist, außer, dass es irgendwie schlecht ist. Und die Vorstufe von Neonazis. Also fast Hitler. Die sind nun in Berlin an der Macht und der Handwerker, Sie werden es nicht glauben, ist entgegen der Gewohnheit nach dem Saunagang NICHT hundemüde, sondern bereit für den Geschlechtsakt. Zur Feier des Tages. Der dickliche, etwas doofe Naziwähler kriegt endlich wieder einen hoch, da der Führer den Reichstag betritt. Ja, diese Szene ist echt gedreht und gesendet worden.
Kleine Zwischenbemerkung: In Berlin wird in den nächsten Jahrhunderten nichts mehr an die Macht kommen, was jenseits der SPD ist. Berlin ist so links, wie ein Kommentar von Jakob Augstein. Berlin ist immerlinks, wie immergrün die Tanne ist. Allein diesen Punkt vergessen die Macher, oder sie ignorieren ihn, geht es doch ums große Ganze.
In die Apotheke um die Ecke, in der natürlich der perfekt angepasste Deutschtürke ohne Akzent arbeitet, kommt als Kundschaft die überaus garstige Nazitante in den Laden und kauft ihre Hämorrhoidensalbe. Nicht, ohne das Wahlergebnis zu feiern und den Mitarbeiter sein Deutschsein abzusprechen. Wir sind bei Minuten 10:55 und es sind bereits mehr Stereotype verbraten worden, als bei einem NPD Parteitag.
Minute 11:00. Ein Schüler bricht zusammen, der Vater der intellektuellen Gutnachbarn ist völlig überraschend von Beruf Lehrer. Laut einem anderem Schüler kommt der Hinweis, der Kollabierte Drogen genommen. Der heran eilende Schüler sagt dann auch noch, nachdem er die Nachricht dem Lehrer mitteilte: „Daran sind die Kanacken schuld, die verticken immer scheiß Zeug.“ Ok. Ich muss durchatmen und nachschenken. Wenn der Plot dieses Tempo an Stereotypen einhält, dann wird in Minute 25:00 Buchenwald eröffnet, ich schwör‘. Davon abgesehen wäre das Wort „Kanacke“, wenn ich Lehrer wäre, ein Verweis wert. Aber das nur am Rande.
Minute 12:00. Nazijungs pöbeln beim ausländisch anmutenden Imbiss. Der Druckt steigt.
Doch dann nimmt die Story noch mehr Fahrt auf. Der Sohn der Gutmenschen ist erkennbar von den Nachbarn, also von den Wutbürgern kontaminiert. Denn er spricht im pädagogisch überaus wertvollem, wenn auch kurzen Gespräch mit dem Lehrkrörpervater von „Kanacken“, die dealen und seinen besten Freund, der Sohn vom Nazihandwerker, „abfucken.“, also mobben. Sodann verschwindet er wütend aufs Zimmer. Die Eltern verstehen es nicht, warum der Junge so redet. „Er meint es nicht so“ erwidert die Mutter.
Die Nazifamilie hat wenigstens Humor. „Zusammen sind wir stärker als die Knallköppe von der Pampa“ sagt er aufbauend zu seinem Sohn, der von den Mobbingerfahrungen erzählt. Das ist der erste Satz, der auch von echten Menschen hätte kommen können. Immerhin.
Minute 15:00. Verliebte Teenies können sich nicht treffen, weil die Eltern aufgrund der Wahl ihren Kindern verboten haben, Abends auf die Straße zu gehen. Diese Rechtspopulisten aber auch, jetzt entführen sie schon biodeutsche Kinder. Zum ersten mal denke ich an den Abend an Corona.
Minute 21:00, ich hab‘ Kopfschmerzen. Der Apothekenmitarbeiter, der von der Nazioma doof angemacht wurde, objektiv ist er nicht biodeutsch, fährt bei einer Ampel auf ein stehendes Fahrzeug. Fernab der Unlogik, da die Ampel von rot auf grün geht und das Auto davor nicht losfährt, jedoch das vom Apotheker, OHNE, dass er nach vorne gesehen hätte, um zu merken, dass grün ist und ein Auto steht, passiert das, was passieren sollte: Ein Aufprall. Die Story muss ja weiter gehen. Aus dem Unfallauto steigen drei junge Herrschaften aus, die sofort einen rassistischen Spruch auf den Lippen haben, als sie merkten, wer da am Steuer saß. Die drei Nazis sagen zwei Nazisprüche und der „Ausländer“, doof wie er ist, lässt sich provozieren und geht in einen Kampf. Drei gegen einen. Jemanden, der mindestens eine Ausbildung gemacht hat, womöglich sogar studiert, also nicht ganz zapfendoof ist, so ein scheiß blödes Verhalten zu unterstellen, grenzt an Rassismus. Jaja. Der Türke ist aber auch so emotional. Unfassbar.
Die Serie ist jetzt schon, 25:00 Minuten geschaut, kaputt. Buchenwald hat entgegen meiner Prognose nicht wieder eröffnet, aber ansonsten läuft alles nach Plan. Was der Serie jetzt fehlt, ist ein wenig Homoerotik. Ja, wirklich. Naja, ich schau‘ mal weiter. Schwanger ist sie, die Gutmutter. Ob sie das Kind behält? Oder fiese Ausländer es ihr wegschwatten? Man weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass die Eltern ihre Kinder wie selbstverständlich in die Schule fahren. Man, das hätte ich auch gern gehabt.
Wichtig ist für die Erzählung, dass auch wirklich jedes Stereotyp sitzt. Die Rechten grillen nicht nur ständig „fettes Zeug“ (Zitat: Biolehrerpapa), sie haben auch den Drang, ins Fitnessstudio zu gehen, um Muskeln aufzubauen. Ein gewisser Olaf, offenkundig super rechts und super reich, er fährt einen Porsche Cayenne, hat einen Fittnessraum finanziert, wo der Junge aus der Nazifamilie nun hingehen will. Schwer verdächtig.
Das Ende der Episode MUSSTE dramatisch sein. Klar. Im hoch heiligen Gesang einer Hintergrundmelodie stürmen die Besitzer des erwähnten Imbisses zum Imbiss, der in Flammen steht. Ja. Das alles, weil die Rechtspopulisten die absolute Mehrheit in der Berliner Parlament gewannen. Sowas passiert von sowas. Hättet ihr mal gescheit gewählt. Dann wäre das Schnellrestaurant noch heile und der nicht biodeutsche Apotheker auch.
Es ist unglaublich, was das ZDF seinen Zuschauern zumutet. Die Episode war nicht lustig, sie war nicht spannend, sie war nicht traurig, wenn man mal die arme Existenz dieser Drecksschreiber abzieht, die so einen Sondermüll aufs Papier bringen. Die Sendung war nicht geistreich, sie war nicht originell. Sie war nicht mal Trash. Sie war gar nix. Das einzige, was die Episode hatte, war eine Agenda. Sie wollte spalten. Ganz bewusst und gnadenlos herzlos einen Strich, ach nein, einen Krater durch die Gesellschaft sägen. Hier, die moralisch Überlegenden, dort, das miese, unerhebliche Wutvolk. Was für ein Ausverkauf von Intellekt, was für eine Beleidigung an Film als kulturelles Gut.
Das hätte auch in eine Lindenstraße-Folge gepasst.