Es ist leicht, Christian Lindner unsympathisch zu finden. Das Auftreten adrett inszeniert, der Anzug perfekt gegossen und die Statements von einer penetranten Selbstkontrolle, dass ich an die Hubots denken muss. Human Bots, die in einer schwedischen Serie maschinell und halbmenschlich den Haushalt schmeißen, bis sie dann irgendwann zum Problem werden. Wie Christian Lindner zum Problem geworden ist.
Gut, ein anderer würden sein Auftreten als professionell beschreiben. Und für sein Aussehen kann er nix. Ad hominem hin oder her, er verkörpert die Art Politiker, die ich nicht mehr sehen mag. Ja. Jedes Wort ausgeklügelt und im Politikerhirn abgewogen, längst auf Widerwort und Wider-Widerwort abgeklopft und zurecht geschliffen. Keiner Randgruppe auf die Füße getreten? Die weibliche Form genannt? Nicht zu konkret geworden? Schafft es der Satz in die BILD? Oder reicht es nur für die Wuppertaler Allgemeine?
Ab ins nonverbale Geschäft mit CL!
Politische Korrektheit kann auch zum Vorwand für Bequemlichkeit werden. Stets anzuecken, weil die sprachliche Inquisition ob des falschen Wortes an die Randgruppe droht, kann anstrengend sein. Mir hat letztens jemand gesagt, „Homo“ sei despektierlich. „Ach was!“, dachte ich, „das ist mir ja neu“. Ob er seinen Namen mit dem von ihm gewählten Pronomen tanzen, oder ihn in den Schnee pinkeln kann, konnten wir nicht klären. Also ja, ich verstehe bei Politikern, dass sie mehr als ich auf die Sprache achten müssen. Aber wenn am Ende ein seelenloser Sätzehaufen übrig bleibt, ohne Charakter, ohne Aussage und ohne Haltung, dann sollte derjenige, dann darf Christian Lindner ins nonverbale Geschäft wechseln. Oder Pressesprecher von Helge Braun werden.
Was bei ihm erschwerend hinzukommt: Er ist so sehr Politiker, dass er es nicht mal mehr merkt. Fast jeden sprachlichen Krampf macht der Wuppertaler mit. Das „Wir“ zum Beispiel. „Wir müssen“, „Wir wollen“. In der Regierungszeit kommt dann noch ein „wir werden“ hinzu. Waren Sie schon mal im Krankenhaus und die Pflegekraft kommt ins Zimmer mit dem Satz, wie es „uns“ denn heute geht? „Für den Satz auf’s Maul!“ zuckt mein Es für eine Millisekunde, bevor meine Moralvorstellung Es einfängt. Ich weiß nicht, welcher Politiker mit dieser Kindersprache anfing, aber er muss ein wahnsinns geiler Hecht gewesen sein, dass ihm fast jeder Kollege bis heute folgt.
Die Union des Nichts ist keine Alternative
Jetzt liegt die FDP laut einer Umfrage bei 4%. Vier Prozent. Das ist gefühlt so viel, wie das honorige Monopol Magazin Abonnenten hat. Sie kennen das Monopol Magazin nicht? So geht es bald der FDP, wenn CL („CL“? Ist der Christian Fußballstar, oder was!?) weiter an der Macht bleibt. Daher erinnere ich als FDP Mitglied an den Titel dieses Textes: „Wann schlachten wir endlich die heilige Kuh Christian Lindner?“ Wenn sich die 4% in den Umfragen stabilisiert haben, oder erst dann, wenn sie sich zum Wahltag in bittere Realität verwandelt hat?
Die Performance der Lindner FDP ist wirklich erstaunlich. Erstaunlich schlecht, wenn man sich die politischen Konkurrenten ansieht. Die Union ist inhaltlich in Mitten von Nichts, von Merkel und Konsortien ausgehöhlt wie Ameisen einen Baumstamm. Die Partei ist froh, wenn das nächste Angela-Abziehbild den Kanzler stellt. Ich bin mir sicher, wenn der genannte Baumstamm sich zur Wahl stellte, er würde die Abstimmung auch gewinnen. Noch nie wie in den Merkel Jahren ist der Begriff Kanzkerwahlverein so wahr.
Von der SPD brauche ich eigentlich gar nicht reden. Das Führungsduo wurde gewählt, um aus der GroKo auszutreten, um nach einem halben Jahr noch in der Koalition zu sein. Wow, so schafft man Vertrauen. Ferner haben Nowabo und Esken nichts originelleres zu tun, als die Partei zu einer dritten Linkspartei zu machen. Doch im Zweifel wählt das Grünbürgertum eben nicht die Sozialdemokraten, sondern das Original, Die Grünen. Und für die, die es vulgärer haben wollen, gibt es die Ex-SED. Wozu dann die SPD? Gerd Schröder gewann die Wahl auch nicht mit der Kampagne „Die neue Linke“, sondern „Die neue Mitte“. Lang ist’s her.
Lindner fehlt es am rhetorischen Schneid
Die Zeit ist ideal für eine freiheitliche Partei, in der die Etatisten und Kollektivisten am Ruder sind und alle Probleme mit dem Geld anderer zu lösen glauben. Aber was macht die LindnerFDP? Kritisiert eine Mehrwertsteuersenkung, für die sie eben noch war. So geht Politikverdrossenheit.
Wo ich bei der AfD als Konkurrenz zur FDP angekommen bin. Ist sie wirklich eine Alternative zu den Liberalen? Aus vielen Gründen nein. Was Lindner an rhetorischem Schneid fehlt, die geistigen Mauern der politischen Korrektheit einzureißen, lassen vielen AfD Politikern an innere Hygiene vermissen. Stattdessen etablieren sich Provokation und Anstandslosigkeit zum politischen Geschäftsmodell. Das ist der eigentliche Sündenfall der AfD. Und auch wenn es vernünftige Leute in der Partei gibt, so müssen sie sich die Frage stellen, warum sie mit eben den anstandslosen Provokateuren gemeinsame Sache machen. Sie sind noch schlimmer als die Extremen, denn eigentlich könnten sie es anders.
Zum Beispiel in die FDP wechseln. Doch ich verstehe gut, dass die Lindnerpartei abstoßend wirken kann. Für mich tut sie es zunehmend. Lindner hat fertig, er ist durch mit der Partei. Er kann nicht nur weg, er muss weg, bevor es zu spät ist.