Von Niklas Korber
Mit langem dunklem Bart, weißem Turban auf dem Kopf und reich verziertem Krummsäbel am Gürtel saß Sultan Mehmet II. auf seinem weißen Pferd. Hinter ihm sein Heer von Tausenden osmanischen Soldaten. Sie stürmten Konstantinopel und eroberten es am 29. Mai 1453. Außerdem plünderten sie die Hagia Sophia und Sultan Mehmet II. war an diesem Tag ebenfalls vor Ort. Er betete am Altar, während Christen sich verbarrikadierten und ermordet und versklavt wurden. Dieses Gebet war jedoch nicht das wahre Symbol des Sieges des Islams über das Christentum. Am nächsten Tag stieg Mehmet II. auf die gigantische vergoldete Kuppel. Nein, dort feierte er seinen Triumph nicht mit einer kräftigen Siegerpose. Mehmet II. soll genau das Gegenteil getan haben. Er soll voller Trauer auf den Trümmerhaufen an der Hagia Sophia geblickt haben.
Aber jetzt noch mal von vorn. Die Hagia Sophia wurde von 532 bis 537 in Konstantinopel erbaut und sie war fast ein Jahrtausend lang das größte Gotteshaus der Christenheit. Sie war die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und der Kaiser wurde dort gekrönt. Außerdem gilt die Hagia Sophia seit der Erbauung, als eines der wichtigsten und bekanntesten Gotteshäuser der Welt.
Allerdings veränderte sich 1453 einiges. Konstantinopel wurde von den Osmanen erobert und das Byzantinische Reich endete. Sultan Mehmet II. ließ anschließend die Hagia Sophia in eine Moschee umwandeln und er fügte unter anderem vier Minarette hinzu. Trotzdem hatte die Hagia Sophia weiterhin eine große Bedeutung für alle Christen, aber vor allem für griechisch- und russisch-orthodoxe war sie ein Zentrum ihrer Religion.
Der Begründer der Republik Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, ließ die Moschee 1935 im Zeichen der Säkularisierung in ein Museum umwandeln und seit 1985 gehört dieses zum UNESCO-Kulturerbe. Dadurch hatte bis vor Kurzem jeder, freien Zugang zur Hagia Sophia und konnte dort zu seinem Gott beten.
Kein Nutzen, aber viel Symbolik
Jedoch hat das höchste Verwaltungsgericht der Türkei jetzt den Status der Hagia Sophia als Museum für ungültig erklärt, und somit den Weg für Erdogan freigeräumt, das Museum in eine Moschee umzuwandeln. Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, dass am 24. Juli das erste muslimische Gebet in dem Kuppelbau stattfinden soll. Auch Nicht-Muslime sollen das Gebäude weiterhin besichtigen dürfen. Ach, was ein gnädiger Präsident Erdogan doch ist.
Aber jetzt mal Spaß beiseite. Mit dieser Aktion zerstört Erdogan säkulare Errungenschaften von Atatürk, nur um seine Macht zu sichern und von den wirklichen Problemen abzulenken. Die Wirtschaft in der Türkei liegt fast am Boden und die Arbeitslosenquote geht durch die Decke. Statt diese komplexen Probleme anzugehen macht es sich Erdogan um einiges leichter, um seine Wähler zurückzuholen. Er setzt auf das religiöse Gewissen, weil er weiß, dass die strenggläubigen Muslime dort impulsiv reagieren. Genau diese frommen Muslime zieht Erdogan durch diesen symbolischen Akt auf seine Seite.
Auch der Nutzen, die Hagia Sophia wieder als Moschee zu verwenden ist keinesfalls vorhanden. Weder der Türkei noch der Millionenstadt Istanbul fehlt es an islamischen Gebetsstätten. Allein in Istanbul gibt es bereits 3200 Moscheen und vor nicht einmal eineinhalb Jahren wurde mit der Camlica-Moschee die größte Moschee der Türkei auf der asiatischen Seite Istanbuls eröffnet. Deshalb ist die praktische Notwendigkeit der Hagia Sophia als Moschee eigentlich nicht vorhanden.
Des Weiteren provoziert Erdogan die Christen mit diesem Vorgehen massiv. Explizit ist es vor allem eine Provokation gegen griechisch-orthodoxe Christen. Da die Türkei und Griechenland gerade sowieso im Streit stehen, wie zum Beispiel bei der Flüchtlingsfrage, nutzt Erdogan die Umwandlung der Hagia Sophia offensichtlich als einen symbolischen Akt der Provokation gegen große Teile der griechischen Bevölkerung (96 % der Griechen bekennen sich zum orthodoxen Christentum).
Reaktionen aus aller Welt
Reaktionen aus Griechenland folgten prompt. Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni sagte: „Es ist eine Provokation für die zivilisierte Welt.“ Außerdem warf sie Erdogan vor, „sein Land sechs Jahrhunderte zurückzuführen“. Der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas fand noch deutlichere Worte. Er erklärte, Recep Tayyip Erdogan habe einen „historischen Fehler begangen“. Des Weiteren sagte er: „Griechenland verurteilt dieses Verhalten Erdogans und wird alles tun, was es kann, damit es Konsequenzen für die Türkei gibt.“
Aus dem stark orthodox geprägten Russland gab es ebenfalls viel Kritik. Wladimir Legoida vom Moskauer Patriarchat sagte, dass die Sorgen von Millionen von Christen nicht gehört worden sein und die Gerichtsentscheidung zeige, dass alle Forderungen nach Zurückhaltung ignoriert wurden.
Auch die USA und einige Länder der EU reagierten kritisch auf die Pläne Erdogans. Die Weltkulturerbestätte müsse weiterhin für alle Besucher offenbleiben, hieß es aus den USA. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, die türkische Entscheidung sei „bedauerlich“, und merkte an, dass sich die Türkei als Gründungsmitglied der „Allianz der Zivilisationen“ zur Förderung des interreligiösen Dialogs und der Toleranz verpflichtet hat. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm schrieb auf Facebook: „Ich hoffe sehr, dass diese Entscheidung noch einmal überdacht wird.“ Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel machte eine klarere Ansage und sagte: „Die Türkei wendet sich damit ab von Europa und vom Respekt gegenüber anderen Religionen.“
Der Druck muss steigen
In meinen Augen macht Erdogan genau das Gegenteil, was ein Staatsoberhaupt eigentlich machen sollte. Er eint das Land nicht, sondern spaltet es. Der Status der Hagia Sophia als Weltkulturerbe wird leichtfertig aufs Spiel gesetzt und fortschrittliche Errungenschaften von Atatürk werden für mehr Macht einfach auf den Kopf gestellt. Die Islamisierung in der Türkei schreitet immer weiter voran und die Gräben zum Westen vertiefen sich. Die Türkei bzw. Erdogan ist komplett falsch abgebogen und begibt sich auf den Weg zu einem islamischen Staat und somit auf den Weg eines möglichen Untergangs.
Fakt ist: Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssen endlich beendet werden und es muss eine Politik mit klarer Kante gegenüber der Türkei verfolgt werden. Wir dürfen uns nicht länger alles von dem Diktator vom Bosporus gefallen lassen. Der Druck muss steigen.
Ob Erdogan jemals davon gehört hat, dass Sultan Mehmet II. Bedauern gezeigt hat über die Zerstörungen an der Hagia Sophia. Wahrscheinlich schon. Aber Erdogan fehlt der Anstand, so etwas zu tun. Er fordert lieber, dass kirchliche Kunstwerke verschwinden, welche sogar das Jahr 1453 überlebten.
Ich denke, man kann auch in Zukunft kein Bedauern von Erdogan zur Hagia Sophia erwarten. Eine kräftige Siegerpose mit arrogantem Blick leider wohl eher.
Man kann es nur wiederholen: Der Druck muss steigen.
Niklas Korber ist 16 Jahre alt und lebt in Tirol. Er geht auf ein Gymnasium und ist politik- und sportinteressiert. Niklas beschreibt sich selbst als konservativ und wirtschaftsliberal.