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Homosexualität ist nichts besonderes

Von Julian Marius Plutz

Eigentlich wollte ich heute über linke Berufsschwule schreiben. Ja. Aber wie es so ist, ich gehe auf achgut.com und sehe einen Beitrag, der meinen Plan durchkreuzt. Es macht keinen rechten Spaß mehr schwul zu sein schreibt der Georg Etscheit, worauf ich ihm ein ein mitleidiges „echt?“ entgegen rufen wollte, wäre er denn in Hörweite. Wie dem auch sei, nun gibt es eben einen Beitrag über das Missverständnis, sexuelle Orientierung als besonders hervorheben zu wollen, was natürlich nicht der Fall ist. Homosexuelle sind stink normal.

Der Inhalt seines Kommentars ist schnell erzählt. Früher, ja früher, war das Leben zwar schlechter für Homos, so Etscheits These, weil Schwulsein unter Strafe stand. Aber dennoch machte es wesentlich mehr Spaß, weil alles so verflixt verrucht zu ging. Geschmacklose Kneipen mit Klingel am Eingang, Hanky Codes für sexuelle Abartigkeiten und sonstige „besondere“ Treffpunkte, also ekelige Absteigen für geneigte Aktivitäten.

Schwulsein ist kein Politikum

Diese Erzählungen kenne ich zu Genüge von Homosexuellen, die heute 50 sind und älter. Und natürlich habe ich neugierig gelauscht, wenn die Herrschaften von damals berichteten. Immer beobachtete ich bei ihnen dann mindestens ein weinendes Auge, bedauern, weil das Verbotene verloren gegangen ist. Ich dachte dann immer „what the fuck? Sei doch froh?“ Wenn die Herren etwas mehr Risiko wagen wollen, empfehle ich einen Aufenthalt im Iran. Die Aussicht vom Baukran aus soll gigantisch sein. Oder, warum denn so weit reisen, eine Stufe drunter, auf einem polnischen Bauernhof leben. Im Nachbarland erwartet dem Schwulen zwar keine drakonische Strafen, aber für Spannung ist garantiert, wenn Marek erfährt, was Georg mit seinem Bruder Robert so treibt. Von der Neunzigerjahre Spaßbremse Aids möchte ich gar nicht reden.

Herr Etscheit begeht den gleichen Fehler, wie linke Berufschwule. Sie überhöhen ihre Sexualität und stellen sie und sich auf ein Podest. Schwulsein sei demnach der singuläre, identitätsstiftender Fakt des Lebens, um den sich alles zu drehen hat. Deswegen wird aus dem „ich“ ein kollektivistisches „wir“. Der Autor beschreibt es so:

„Waren „wir“ nicht angetreten, um alte Zöpfe abzuschneiden und ganz neue Beziehungsformen zu leben?“

Was ist das Problem an der Homoehe?

Also, ich, lieber Herr Entscheit, bin einmal für den Stadtrat in Marktbreit angetreten, das war’s dann aber auch. Ich gehöre auch nicht zu Ihrem „wir“. Ich bin ein Mann, der auf Männer steht. Zufälligerweise. Natürlich besteht auch für mich eine gewisse Verbundenheit zwischen Homosexuellen, ich schrieb darüber. Definitiv aber gib es keine gesellschaftspolitische Agenda, Leben und zusammenleben neu zu definieren. Oder anders: Es gibt sie bei den Berufsschwulen. Aber ich mag da nicht Teil von sein.

Ausschweifende Sexualität, offene Beziehungen, die Lust am Amoralischen mag in Teilen ein Teil dieses „wir“ zu sein, es muss jedoch nicht für jeden gelten. Und ja, viele Schwule wollen eine stinknormale, spießige Hochzeit. Sie wollen alberne Spiele und meinetwegen mit Reis werfen. Bei der Vorstellung, ich wäre bei einer solchen Veranstaltung der Bräutigam, stellen sich meine Nackenhaare auf. Ja. Aber wer bin ich, dass ich das kitschig-liebevolle Leben anderer verurteile, welches nun wirklich niemanden weh tut?

Noch ein Wort zur Homohochzeit: Es gab Schwule wie Herrn Etscheit, die gegen die, okay der Begriff ist schwachsinnig, „Ehe für alle“ waren. Doch wenn das einzige Argument ist, es handle sich eh nur um eine Minderheit, die heiraten, dann halte ich das für wohlfeil. Denn Quantität war noch nie ein gutes Argument für oder gegen eine Entscheidung. Dann wären Zwangsehen erlaubt, gibt es doch in Deutschland gemessen an den freiwilligen Hochzeiten sehr wenige. Und gemessen an allen Kindern wird fast keines geschlagen. Trotzdem ist es verboten. Und selbst wenn nur zwei Lesben heiraten, dann sollen es die beiden dürfen und es auch „Ehe“ nennen. Wo ist das Problem? Ferner empfinde ich einen Staat als Zumutung, der so weit in das Privatleben eindringt, dass er das Liebesleben seiner Bürger definiert.

Wir sind stinknormal

Es stimmt, dass sich die Kontaktaufnahme Gleichgeschlechtlicher auf das Internet verlegt hat. Und es stimmt auch, dass viele Schwulenkneipen von damals dicht gemacht haben. Gay-Apps jedoch haben gerade für Minderjährige den Vorteil, dass die Hemmschwelle geringer ist, wenn sie aus einem schwulenfeindlichen Elternhaus stammen. Ich kann von wenigstens drei Fällen berichten, in denen die einschlägigen Plattformen, bei aller Kritik, sehr geholfen haben und sie in der guten, alten Zeit verloren wären. Sie gehörten heute diese todunglücklichen, geschiedenen Vätern, die sich mit 52 endlich outen konnten. Und unter uns Klosterschwestern: Neun von zehn „Szenekneipen“ waren geschmacksbefreite Löcher, denen keiner hinterher weint.

Es tut mir leid, lieber Herr Etscheit, aber „wir“ sind nicht besonders, weil wir schwul sind. Homosexuelle sind Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Manche wollen eine offene, manche eine handelsübliche Beziehung. Und manche wollen eine verspießte Hochzeit mit allen Klischees, die es nur geben kann.

Ich bin froh, 1987 geboren zu sein und nicht 1964. Vielleicht geht es heue nicht so verrucht zu, okay. Immerhin aber werde ich in Ruhe gelassen. Zumindest bin ich nicht wegen meiner Homosexualität etwas besonderes. Für die allermeisten bin ich stinknormal und, völlige Überraschung, den allermeisten interessiert meine Sexualität gar nicht. Im positiven wie im negativen. Und das ist auch genau richtig so.

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Corona und der Gesslerhut

von Ralf Rosmiarek

Die Corona-Pandemie steht für einen Paradigmenwechsel. Doch eine außerordentliche Gefährlichkeit des Virus wurde wissenschaftlich bislang nicht belegt. Dennoch bleibt die Bundesregierung bei der Aufrechterhaltung starrer Maßnahmen und zwingt durch die Maskenpflicht zur Neuauflage des Gesslerhutes. Über Menschenwürde, Amtseid und anderen Nebensächlichkeiten.

Es ist gerade schwer zu entscheiden. Phantastisches gerät über Nacht zum plausiblen Faktum. Soll man weinen? Soll man lachen? Mit Shakespeare ist jedenfalls zu konstatieren: „Die Seuche dieser Zeit: Verrückte führen Blinde“. Die Vergangenheit scheint der Zukunft allzu ähnlich. Die gleichen Stücke kommen zur Wiederaufführung, die Kostüme wechseln allenfalls, derzeit wird die Maske bevorzugt getragen. Das sollte uns erschrecken lassen. Die Narrative versagein und versagten. Erzählt wurde seit 1789 von der generellen Gleichwertigkeit aller Menschen, von der besten Staatsform für uns Menschen, der Demokratie und von der Emanzipation. Man war beim Erzählen nie zimperlich, das Blut floß in Strömen. Um den Schutz der Gesundheit ging es dabei offensichtlich nie. Dennoch ist es eine fortschrittliche Erzählung und der Fortschritt höre nimmer auf, so das Credo.

Wir Deutschen geraten jedoch beim Erzählen gerne mal ins Stottern, trotz all der berühmten „Dichter und Denker“ dieses Landes. Im Jahre 2015 wird sogar herausgehoben: „Viele Briten meinen, die Deutschen hätten ihr Gehirn verloren!“, so der Politologe Anthony Glees. Wir haben jedenfalls irgendwie kein Geschick bei der Auswahl des Erzählstoffes und unseren Erzählungen, selbst als Märchen taugen sie kaum. Es sei, man wolle daran glauben, was ein langjähriger Kanzler der Bundesrepublik uns einzureden nicht müde wurde, denn fünfmal schwor er einen Eid, fünfmal schwor er eidbrüchig, lernte selbst nichts und betonte doch gebetsmühlenartig – aus der Geschichte wäre zu lernen. Der Blick auf die Historie zeigt allein, es handelt sich beim Kanzlerwort um einen Glaubenssatz.

Krumme Gestalten, untergegangene Staaten

„Nichts wird so bleiben, wie es ist“, ein Satz, der in unserer Gegenwart häufig zu hören ist und scheinbar zum deutschen Erzählkanon gehört, bereitet Unbehagen. Erlauben wir uns deshalb ein Innehalten und blicken zurück. Das Kaiserreich begann seine Erzählung hoffnungsfroh, wollte Wilhelm I. doch „allzeit Mehrer des Deutschen Reichs“ sein und „nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“. Die Erzählung hätte erfolgreich sein können, doch es folgte Wilhelm II. „Ich will ein König der Bettler sein“ – sagte er. Nach starker Auftakt-„Hurra“-Erzählung: „Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche“, folgte alsbald die kriegerische Pleite, das Narrativ zerstob mit großem Getöse und großem Leid, der König war weg, die Bettler blieben. Die Geschichte der Weimarer Republik verlor sich in einem Zuviel an Handlungssträngen und war dann ebenfalls schnell auserzählt. Verzweiflung und Leid blieben am Ende und waren die gleichsam benötigten Elemente der neuen Erzählung vom Tausendjährigen Reich.

Am 30. Januar 1933 dann ein neuer Eid: „Ich werde meine Kraft für das Wohl des deutschen Volkes einsetzen, die Verfassung und die Gesetze des Reiches wahren, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteiisch und gerecht gegen jedermann führen“ – so gelobte es der Führer und Reichskanzler Hitler. Die Hinterlassenschaft der gewaltigen Erzählung: Millionen Tote und ein Deutsches Reich in Schutt und Asche.

Mit der Aufspaltung des Reiches konnten jetzt zwei Erzählstränge beginnen: „Auferstanden aus Ruinen“ eröffnete der eine „und der Zukunft zugewandt“ ging auch hier ein Geloben voran: „Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik widmen, ihre Verfassung und die Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde.“ – Ein untergegangener Staat und viele „krumme Gestalten“ (Monika Maron) die Bilanz der Herrschaft der „Diktatur des Proletariats“.

Die Ära Merkel beginnt

In der zweiten Geschichte, die viel zu tun haben wollte – (Ob sie es noch will?) – mit „Einigkeit und Recht und Freiheit“, befinden wir uns noch, sie wird variantenreicher ausgeschmückt und besitzt Potential für verschiedenen Ausgang. Die neuere Geschichte wird 1989 mit einer Zauberformel in Szene gesetzt – „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit“ heißt es da. Doch diese magische Formel braucht Überschreibungen, denn die Geschichte ist nicht glatt erzählbar. Da ist der Osten, der sich freut, sozialistischer Zwangsbeglückung entronnen zu sein und endlich individuelle Freiheit leben will. Da ist dann der Westen, der progressiv und weltoffen sein will, mit 68er-Mythos, RAF, Studentenbewegung. Volk und Nation geraten in Verdacht faschistoider Weltanschauung bei den linken Eliten, individuelle Freiheit scheint nicht mehr zeitgemäß. Gestörte Grundbefindlichkeiten, Konflikt- und Spaltungspotential somit.

Für das Fortschreiben dieser Geschichte sind wir, die Bürger, selbst verantwortlich. Immerhin ist ein Parlament noch zu wählen. Daß es nicht immer mehr und immer wieder neu zum bloßen Abnickverein verkommt, hat der souveräne Bürger im Blick zu behalten. Vor allem aber ist gegenüber politischen Allmachtsphantasien Mißtrauen angebracht. Denn natürlich erzählt uns die gegenwärtige Staatslenkerin wie ihre Vorgänger davon, daß sie ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen“ wolle, „seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen“, ihre „Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“ – so weit, so gut. Eine Phrase eben ohne jedwede rechtliche Relevanz: „Nur so dahin gesagt“, letztlich. Pikant vielleicht die zusätzliche Floskel, die Merkel erneuerte bei jedem Amtsantritt: „So wahr mir Gott helfe.“

Gesundheit als Religion

Diese Fremdmächtigkeit scheint der evangelischen Christin Merkel so ganz geheuer nicht, sie setzt doch besser auf Eigenmächtigkeit. Angesichts des Krisenmodus, in den die Welt, mithin Deutschland, schaltete, braucht’s eben Führung und Rechtsbrüche. Demokratie war gestern. Angst- und Krisenstimmung lassen sich leicht aktivieren und politisch instrumentalisieren: Umweltkrise, Klimakrise, Energiekrise, Atomkrise, Hungerkrise, Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise … Corona-Krise. Die soziale Lebensqualität der deutschen Gesellschaft besitzt gewaltige Schlagseite, nicht erst durch die Merkel-Inszenierung des irrsinnigen Corona-Schauspiels. Schwimmbäder schließen, 80 sind es pro Jahr in Deutschland, so informiert die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Kindertagesstätten schließen, Bibliotheken und Theater stehen zur Disposition, kein Geld für die sozialen Brennpunkte und Schulsanierungen. Den Städten und Gemeinden fehlt zunehmend das ökonomische Fundament. Brechts Wohlstandsformel aus der Dreigroschenoper – „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm“ – bedarf der Neubewertung. Wohlstand beginnt immer mit dem Wohlergehen. 

Gesundheit wird einmal mehr als Grundlage des Wohlergehens ausgemacht und so wächst sie hinein in den Religionsstatus. Die Worte des Kirchenfürsten Joachim Meisner aus dem Jahre 1999 besitzen fast prophetischen Klang: „Das Gesundheitswesen nimmt die Form einer Kirche an“. Gesundheit als (neue) Glaubensgrundlage, das funktioniert schon länger. Buchmarkt, Internet, sonstige mediale Plattformen und Gesundheitsinstitutionen haben den Weg vorbereitet. Ernährung, Bewegung, Coaching aller möglichen psychischen Zustände, Prävention mit Kassenplus, Achtsamkeit – die neuen Bestandteile des Ritus. Es nimmt dann kaum Wunder, daß sich auf der ganzen Welt eine große Gemeinde findet, die sich dem „Corona-Hype“ ergibt und begierig ihren Politikern und den sogenannten Leitmedien lauscht.

Welche Religion kommt ohne Angsterzeugung aus? So wird in einem internen Papier des deutschen Bundesinnenministeriums ganz unverhohlen davon gesprochen: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann“. Die Glaubensgemeinschaft der Gesundheitsangst vergißt, wie alle anderen Religionen, natürlich auch die Jüngsten nicht. Frühkindliche Indoktrinierung gehört unweigerlich zur gelungenen religiösen Sozialisation. Die Menschenwürde bleibt dabei freilich auf der Strecke.

Der Paranoiker kennt alle Fakten

Bei den rund 80 Millionen Merkel-Kindern interessieren Banalitäten dieser Art nicht mehr. Was soll schließlich auch ein Grundgesetz mit Zuschreibungen von Würde und Freiheit, wenn in jedem von uns ein brutaler Killer steckt, der durch sanftes Berühren noch sein Gegenüber zur Strecke bringt? Nur von den jüngsten Antirassismus-Demonstrationen ist da abzusehen, das sind die „guten“ Demonstrationen, da ist Abstand unwichtig und der „Maulkorb“ überdies hinderlich, da steckt man sich einfach nicht an. In der Schule, im Kindergarten, im Konzertsaal, auf dem Sportplatz aber, da lauert höchste Gefahr.

Zwar wähnten wir Mutti längst beim Abgang, doch ihr Rockzipfel ist uns Kindern dann einfach doch näher, wir unterwerfen uns der unwilligen Rautengeste. Das Ergebnis dieses Kuschens und unserer Willfährigkeit stimmt Merkel-Mutti dann doch milder. Sie spendiert uns eine „Konsensmilch“, die einzusaugen ist und es in sich hat. Die Publizistik, die nicht zuletzt „Öffentlichkeit“ erzeugt, ist dankbar. Dem Vorsagen folgt das Nachsagen, ein Über-, gar ein Durchdenken braucht es nicht. Die Milch des Konsens, homogenisiert und sterilisiert, sie betäubt hinreichend und sorgt offensichtlich für komplette Gehirnerweichung. Das Staatsmärchen, das Mutti uns erzählt, fruchtet und bietet Halt, Gewißheit und natürlich die unabdingbare Prise Zuversicht. Wer freilich eine „Konsensmilch“-Unverträglichkeit aufweist und dies auch äußert, wird rigide abgewehrt.

Zweifel sind in der Gemeinschaft der Gesundheitsängstlichen jedenfalls unerwünscht, wo das Wissen unsicher, die Tatsachen unklar sind, zählt – wie in allen ernsthaften Religionen – allein der Glaube. Die Variante der sächsischen Zwangsbetreuung in psychiatrischen Anstalten wurde bislang jedenfalls (noch) abgewiesen. Den Unverträglichen schallt es unisono von Politik und Medien vielmehr entgegen: „Alles Nazis, Leugner und Verschwörungstheoretiker! – außer Mutti eben!“. Treffend bemerkte der Schriftsteller William Burroughs: „Der Paranoiker kennt immer alle Fakten“ – und so hoffen alle Schäfchen, selbstredend in gutem Glauben, die „Fakten“ auf ihrer Seite zu haben.

Gesichtswindel ist ein Instrument der Gesundheit

Zu den Corona-Leugnern ist dann wahrscheinlich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, zu rechnen, denn der übt Kritik am staatlichen Narrativ und erklärt: „Grundsätzlich ist festzustellen, dass bezüglich der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie fehlende belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zu Infektionsweg und –gefahr, Erkrankungswahrscheinlichkeit und Wiederansteckungsgefahr, zielführender medikamentöser Behandlung sowie (möglicherweise unter Umständen) mangelnde Behandlungskapazitäten nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Regierung große Unsicherheit auslösen“.

„Angst essen Seele auf“, heißt ein Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974 und flugs wurde der Titel zu einem geflügelten Wort. Unweigerlich kommt es mir in den Sinn, denn besser läßt sich der derzeitige Zustand einer beträchtlichen Zahl der Zeitgenossen kaum beschreiben. Ist die „Seele“ weg, dann ist da auch kein Schmerz mehr. Mutti kennt diesen Zustand und so werden die Kinder weiter gefügig gemacht. Entzug wohin das Auge auch blickt: weg die Kneipe, der Hand- und Volleyball, die Bundesliga, der Urlaub, der Sportverein, die Bibliothek, die Uni, das Schwimmbad, das Kino; das Sitzen auf einer Parkbank unerlaubt, das Treffen mit Freunden und Familie ebenso, die Begleitung des Sterbenden ausgeschlossen, natürlich im Namen der Gesundheitskirche auch kein Krankenbesuch, Lohnarbeit nur eingeschränkt noch, Verlust der wirtschaftlichen Existenz in Kauf zu nehmen und genommen. Doch wer keinen Schmerz mehr verspürt, der ist eben unempfindlich. Maximal noch taumelndes Schwanken, natürlich den Abstand von 1,50 m wahrend, im hirntoten Zustand: Zombie wird das Wesen genannt.

Als wäre der angstgläubigen Plagen nicht genug nun obendrein der Stofflappen noch, den sich die Merkel-Kinder vor Mund und Nase hängen. Egal ob Supermarkt oder Post, ob Tankstelle oder Bücherei, ob öffentlicher Nah- oder Fernverkehr, wir dressieren uns. Sollten Tierschutzvereine nicht wenigstens aufmerksam werden? Denn Tier und Mensch … da war doch was? Schweigen jedoch auch von dieser Seite. Denn die Staatsmärchendogmatik und eben Mutti und ihre sehr willigen Helfershelfer wissen: Wenn auch verfassungswidrig, so ist die „Gesichtswindel“ Instrument der Gesundheit. Allerdings könnte das Gegenteil der Fall sein, denn der Lappen ist vor allem ein Sammlungsort für alle möglichen Bakterien, Pilze und Sporen. Sauerstoffmangel plagt zumal bei sommerlichem Kaiserwetter so manchen. Und erhöhte Kohlenstoffdioxidwerte im Blut? Geschenkt.

Der Gesslerhut 2.0

Das „Hochheilige Offizium“ der neuen Gesundheitsglaubenslehre, das Robert-Koch-Institut zu Berlin, verkündete: „Wenn Menschen – auch ohne Symptome – vorsorglich eine Maske tragen, könnte das das Risiko einer Übertragung von Viren auf andere mindern. Wissenschaftlich belegt sei das aber nicht“. Einer der renommiertesten Experten für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Professor Sucharit Bhakdi, wird süffisant anmerken: „Zumindest der letzte Satz stimmt“ und fährt fort: „Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die zeigen würde, dass es irgendeinen Sinn macht, in der Öffentlichkeit Masken zu tragen. Ganz im Gegenteil“. Und informiert zudem: „Größe Corona-Virus: 160 Nanometer (0,16 Mikrometer), Größe ‚Poren’ in einfachen Baumwollmasken 0,3 Mikrometer. Sie fliegen durch wie durch ein offenes Fenster“. Der Zwang, sein Gesicht zu verhüllen, wird damit zum Gesslerhut in der Variante 2.0.

Erinnern wir uns noch an Wilhelm Tell? Ihn zwang man, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen, weil er es unterließ, einen in Altdorf aufgestellten Hut zu grüßen. Wikipedia definiert: „Ein Gesslerhut ist redensartlich eine Einrichtung, deren einzig sinnfälliger Zweck die öffentliche Erzwingung untertänigen Verhaltens ist“. Wie seinerzeit, Rudolf, Stallmeister von Hermann Gessler, könnte einer der heutigen Konsensstörer einwerfen: „Das Volk hat aber doch gewisse Rechte“. Und Gesslers lakonische Antwort: „Die abzuwägen ist jetzt keine Zeit“ – könnte ebenso die Antwort der Bundeskanzlerin Merkel sein. Das Parlament nickt dazu von Gehirnerweichung befallen und durch „Feigheit paralysiert“ (Peter Sloterdijk).

Staatliche wie religiöse Macht bedarf symbolischer Unterwerfungsrituale. Ein Vermutlich, ein Könnte, ein Wahrscheinlich, ein Vielleicht ist zur Selbstvergewisserung der Staatsmacht wenig hilfreich, das weiß auch Glaubenswächter Professor Christian Drosten. Er macht deshalb in einem Interview vom 07. April klar: „Das setzt voraus, dass wirklich jeder, jeder, jeder in der Gesellschaft, im öffentlichen Leben diese Masken tragen muss“. „(J)eder, jeder, jeder“ also – gehts totalitärer noch? Allerdings fällt er sich an gleicher Stelle selbst ins Wort: „Man muss jetzt nicht unbedingt in der ängstlichen Vorstellung leben, dass überall die Luft voller Viren ist“. Logik der Religion(en). Wollen wir also weiterhin salutieren und niederknien vor der Neuauflage des Gesslerhuts?

Müdigkeit und Leere

Heinrich Heine schrieb in seinem Pariser Exil 1844 ins deutsche Stammbuch ein:

„Franzosen und Russen gehört das Land,

Das Meer gehört den Briten,

Wir aber besitzen im Luftreich des Traums

Die Herrschaft unbestritten.“

Vielleicht hatte der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD, Kurt Schumacher, diese Zeilen ja vor Augen, als er formulierte: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit“. Was damals vielleicht eine Binsenweisheit bedeutete, da sich mit dieser Sicht für die bürgerliche Existenz Stärke, Festigkeit und Maß im Welt- und Sachbezug verbanden, scheint heute angesichts politischen Handelns eine dringend notwendige Besinnung. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Deutschland schweren Schaden zugefügt, mit ihr 16 Ministerpräsidenten, die längst auch keine Parteien mehr kannten, sondern lediglich Gefährder. Mit der eingehenden „Betrachtung der Wirklichkeit“ hätten sie den Nutzen des deutschen Volkes „mehren und Schaden von ihm wenden“ (zum Amtseid siehe oben) können, dem wollten sie offensichtlich nicht nachkommen, das Land an die Wand zu fahren schien ihnen dafür mit Merkel „alternativlos“.

Markus Vahlefeld resümiert in seinem Buch „Macht hoch die Tür“: „Die deutsche Gesellschaft von den Füßen auf den Kopf gestellt zu haben, dürfte sich als das Vermächtnis Angela Merkels erweisen, mit dem sie, um in die Geschichte einzugehen, ein noch außerordentlicheres Alleinstellungsmerkmal vorzuweisen haben wird, als lediglich die erste bundesdeutsche Kanzlerin weiblichen Geschlechts gewesen zu sein“.

Eine Müdigkeit liegt über dem Land und eine Leere.

Ralf Rosmiarek ist Theologe und seit 1989 in der Stadtverwaltung zu Erfurt tätig. Beiträge von ihm sind in den „Nietzsche-Studien“, beim humanistischen Pressedienst, bei https://makroskop.eu so wie beim tumult-magazine.net erschienen.

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Der Femizid der Katharina Schulze

Unter der Eisbahn lagen einst die Toten. Und unter der Rodelbahn und dort, wo die Biathleten mit offenen Mündern um die Ecke fahren. Überall Ermordete. Kaum ein Europäer wusste davon, als sie 2014 in Sotschi die Winterolympiade verfolgten. Der Genozid an den Tscherkessen von russischen Soldaten gilt als der erste Genozid der Neuzeit. Vergessen ist er, weil ihn einfach keiner mitbekommen hat.

Ein Genozid ist ein Völkermord. Unter Völkermord versteht man laut der Wikipedia eine Tat in der Absicht eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe auszurotten. Wie der Holocaust. Oder der Genozid der Türken an den Armeniern. Oder eben das Massaker an den Tscherkessen. Eigentlich, so finde ich, handelt es sich um eine sinnige Definition. Und eigentlich versteht es sich von selbst, diesen Begriff einfach stehen zu lassen, statt ihn zu missbrauchen. Ihn nicht zu pervertieren und damit die Taten zu schmälern. Aber eigentlich ist Schalke Meister aber eben nur der Herzen und eigentlich ist Essen eine schöne Stadt und eigentlich ist Katharina Schulze das intellektuelle Aushängeschild der Grünen.

Man könnte viel sagen über die schnitte PolitikerIn, die die Fraktion der Grünen im bayrischen Landtag vorsitzt. Auf ihrer Homepage kann der geneigte Leser so einiges über die sympathische Dame aus Herrsching erfahren. Sie machte zum Beispiel ein Praktikum bei der Demokratischen Partei in Michigan. Früher beriet sie Unternehmen wie Siemens, immerhin laut eigener Aussage. Die Katharina will „pragmatisch die Welt retten“, was „allerdings „anstrengend“ ist und einen „langen Atem“ erfordere. Ferner isst sie gerne Eis und ist „weltoffen“, lacht „viel und gerne“, „auch über sich“ und ist „verantwortungsbewusst“. Dann kann ja nix mehr schief gehen. Und wenn sie ganz gut drauf ist, mutiert sie zu einer exaltierten Schreckschraube, die den „alten weißen Männern“, also Fischer, Trittin und Co, mal so richtig die Meinung geigt.

Sehr gerne treibt sich die Frau Schulze auf Twitter herum. Da haut sie dann im Stundentakt Tweets in die Welt, die diese offenbar verdient hat. Und so ließ sie es sich nicht nehmen, über die Tat in Augsburg zu schreiben, als ein Mann eine Frau in einem Linienbus erstach. Doch statt wie ich sich an der unsinnigen Frage im Anreißer zu stören („War es eine Beziehungstat?“) stieß der Frau, die so gerne in der Heimat am Ammersee sitzt, etwas ganz anderes auf:

“Nach derzeitigem Ermittlungsstand könnte es sich nach Polizeiangaben um eine Beziehungstat gehandelt haben.” Femizid. Das Wort um die schreckliche Tat zu beschreiben ist Femizid.

Ich habe ja gar nix gegen neue Wörter, erfinde ich doch selbst gelegentlich das eine oder andere. „Grünbürgerlich“, oder „linksbesaitet“ sind hübsche Beschreibung von Milieu und Fason der Bessermenschen und Ewigguten. So lange man nicht wie der Mann in Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch und ein Tisch“ endet, ist alles im grünen Bereich.
Wie ich greift auch die krasse Katha auf einen Neologismus zurück, Sie werden es bemerkt haben: „Femizid“. Was aus der Produktpalette von Monsanto entstammen könnte, ist in Wahrheit ein ziemlich muffiger Begriff, der relativiert, wie er nur relativieren kann und aufwertet, bis es nicht mehr geht.

„Femizid“ ist ein Kofferwort aus „feminin“ und „Genozid“. Die Soziologin Diana Russel beschreibt den Begriff so: „Femizid ist eine von Männern begangene Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind“. Diese Definition lässt vermuten, wo die Reise hingeht. Richtig, ins Scheusal der feministischen Kampfbegriffe, wo wissenschaftliche Definitionen nur genehm sind, wenn sie von den eigenen Wissenschaftlern, die Aktivisten sind, erfunden wurden. Dann sind sie jedoch in aller Regel gar nicht mehr wissenschaftlich, siehe die Definition von Femizid.

Das Wort ist widerlich. Es will uns sagen, dass es einen Genozid von Männern an Frauen gibt. Und wenn der Genozid, wie oben definiert, ein Völkermord ist, was heißt, bestimmt definierte Gruppen werden systematisch ausgerottet, dann ist das nicht nur eine üble Unterstellung, sondern eine schlichte und gefährliche Propaganda. Hier wird ein Begriff als wissenschaftlich dargestellt, der in Wahrheit ein Kampfbegriff ist. Und einer, der mit der Realität nichts gemein hat. Die Opfer von einem echten Völkermord werden sich bei Frau Schulze bedanken.

Das Phänomen ist nicht neu und beliebt, bestimmte Taten ideologisch zu markieren und vermeintliche Täter als persona non grata zu degradieren. Welchen Begriff kennt der Duden noch, der wie „Holocaustleugner“ mit „-leugner“ ändert? Richtig, der gute, alte „Klimaleugner“. Semantisch gesehen ein gaga Wort, denn das Klima zu leugnen ist wie zu bestreiten, dass der Kochelsee neben dem Walchensee liegt. Der Auftrag des Begriffs ist klar: Wer „das Klima leugnet“, ist so schlimm wie einer, der den Holocaust leugnet. Und den Holocaust will ja keiner ernsthaft abstreiten. Also sollte man auch nicht den menschengemachten Klimawandel negieren, denn sonst ist man genauso schlimm. Nazischlimm.

Die Kofferwörter der Tenzendlinken kennen keine Tabus: So bezeichnete sie den skeptischen Geist gerne mal als „Klimaskeptiker“. Die innere Unlogik des Wortes einmal außen vorgelassen: Eigentlich ist Skeptizismus eine gute Sache und eine Tugend für den kritischen Menschen. Es existiert sogar eine ganze Bewegung, die sich so nennt. Nicht aber in diesem Kontext. Da die Theorien der Klimaapokalyptiker fest stehen, wie der Papst in Rom wohnt, gibt es da gar nix zu hinterfragen. Ansonsten ist man eben Verschwörer, also Rechtsextremist, Klimaleugner und Wetternazi. Oder so.

Wäre ich so geschmacklos wie Frau Schulze, hätte ich für sie eine ganz besondere Wortneuschöpfung: „Intellektozid“. Das besteht aus „Intellekt“ und „Genozid“. Denn bei der Grünen fand zweifelsohne ein massenhaftes Aussterben an Schläue statt. Katharina Schulze ist der Prototyp der jungen Linken, gewissermaßen die „Eckgrüne“. Jung, dynamisch und mit nicht zu viel Wissen ausgestattet. Mit dabei jedoch ist immer der Farbkasten der Neologismen und Plattitüden, der auch schon mal Sympathisanten auf die Palme bringt. Auch sie wird es noch weit bringen. Sie ist der richtige Typ, zur richtigen Zeit in der richtigen Partei.

Ob sie etwas von den Genozid an den Tscherkessen gehört hat, ist ungeklärt. Völlig klar ist jedoch, dass kein Tscherkesse jemals den Namen „Katharina Schulze“ gehört hat. Damit ist ihnen einiges erspart geblieben.

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„Künstliche Intelligenz – Apotheose oder Armageddon?“

Von Maxi Sondermann. Illustrationen von Albert Schmalzkäs

Vergangenes Jahr habe ich eine Dokumentation von Galileo im Fernsehen gesehen. Thema der Sendung: Das neu eröffnete „Roboter-Hotel“ in Hangzhou. Es ist das erste dieser Art, das der chinesische Internetriese Alibaba eröffnete. Es gilt als Pionier-Projekt, denn weltweit befindet diese neue Hotelstrategie noch in der Testphase. Doch was ist dieses „Roboter-Hotel“? In diesen Hotels arbeiten praktisch keine Angestellten mehr, annähernd alles wird von Robotern und Künstlichen Intelligenzen (Kurzform: KI) erledigt, gesteuert und überwacht. Bereits am Check-In stellt man fest, dass es dort keine Angestellten gibt, sondern ein einziger Touch-Screen, der den Vorgang bearbeitet. Schlüssel gibt es auch nicht, die Hotelzimmer-Türen öffnen sich über Gesichtserkennung. Das Frühstück bringt ein Roboter aufs Zimmer, ebenso Hygiene-Artikel, wenn diese wieder aufgefüllt werden müssen. Den Boden reinigt ein Staubsauger-Roboter.

Nun stellt sich eine Frage: Wird so womöglich die Welt in wenigen Jahrzehnten aussehen? Immer mehr rückt das hochsensible Thema von Künstlichen Intelligenzen und Robotern in den Fokus der Öffentlichkeit. Egal, ob es die Suchmaschine von Google ist oder das selbstfahrende Auto, das in den nächsten Jahren wohl zunehmend auf den Straßen anzutreffen sein wird, in immer mehr Bereichen finden KIs und Roboter Anwendung. Ziel dieser Technologie soll es sein, einfache Aufgaben, die bisher Menschen erledigten, zu übernehmen. Langfristig könnten aber durch diese „Industrie 4.0“, eine umfassende Digitalisierung der Wirtschaft unter anderem mit KIs und Robotern, zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen, für Arbeitnehmer ein durchaus berechtigter Grund zur Sorge. Doch das ist nicht alles. Viele Menschen geraten ins Schaudern bei der Vorstellung, dass alles von Maschinen geleitet und erledigt wird. Die Angst vor einer Weltherrschaft der Roboter und KIs oder gar eine Auslöschung der Menschheit durch diese Technologie ist berechtigt.

Mehr „K“ als „I“ – KIs und ihre Intelligenz

Künstliche Intelligenzen sind im Gegensatz zu anderen Maschinen in der Lage Muster zu erkennen und somit auf gewisse Ereignisse zu reagieren. Sie lernen aus ihren Fehlern und verbessern sich auf diese Weise. In den letzten Jahren haben Künstliche Intelligenzen einen wahren Intelligenz-Boom erfahren und sind mittlerweile nun sogar in der Lage erfahrene Profis im Schach zu schlagen. Genau diese Erkenntnis macht vielen Menschen Angst.

Doch sind Roboter so schlimm, wie es propagiert wird? Zunächst muss man wissen, dass Künstliche Intelligenzen von der Wissenschaft in genau zwei Bereiche eingeordnet werden: Es gibt zum einen die „schwache KI“, eine Künstliche Intelligenz, die den Menschen in einer spezifischen Aufgabe schlagen kann, wie in unserem Beispiel des Schachspielens. Zum anderen gibt es die „starke KI“, die den Menschen in so ziemlich allen kognitiven Aufgabe überlegen ist. Aktuell gibt es fast ausschließlich nur schwache KIs. Langfristiges Ziel der Wissenschaft ist es jedoch, starke KIs zu erschaffen. Das bedeutet, dass die KIs, die aktuell in immer Bereichen im Alltag Anwendung finden, wie zum Beispiel Apples SIRI, selbstfahrende Autos, Googles Suchmaschine, nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur starken vollkommenen „Super-KI“ ist. Doch wann jemals eine solche Super-KI erschaffen werden kann ist fraglich.

Wissenschaftler nennen den Moment, an dem eine KI erstmals schlauer sein wird als es je ein Mensch dazu fähig sein könnte, „Technische Singularität“. Ist dieser Punkt überschritten ist es möglich Super-KIs zu erschaffen. Nach dem Mooreschen Gesetz, das besagt, dass sich die Rechenkapazität alle zwei Jahre verdoppelt, würde dieser Moment 2046 erreicht werden. Ob das aber wirklich so auch sein wird, lässt sich schwer vorhersagen. Allerdings befürchten Wissenschaftler, dass die Menschheit dann die Kontrolle über KIs verlieren könnte. Möglicherweise sind wir in den Augen der KIs dann nichts weiter als aufrecht gehende Primaten. Und genau dieser Moment des Kontrollverlusts könnte ein dystopisches Ende für den Menschen bedeuten.

Wie der böse Terminator die Weltherrschaft an sich reißt…

Das heißt aber nicht, dass KIs bösartig sind und insgeheim eine Übernahme der Weltherrschaft planen. Leider stellen sich viele Menschen dank zahlreichen Filmen wie „Terminator“ oder „I, Robot“ Roboter und Künstliche Intelligenzen fälschlicherweise als denkende Wesen vor, die bösartig werden können. Viele Wissenschaftler sind sich nämlich einig, dass Künstliche Intelligenzen weder Emotionen noch Gefühle haben können, da ihnen hierzu eine zwingend notwendige biochemische und hormonelle Grundlage fehlt. Das bedeutet, dass KIs weder gut noch böse sein können. Sie arbeiten ihr Programm ab und führen es nach bestimmten Kriterien aus.

Die eben angesprochenen Punkte werden an GPT-2, einer der fortgeschrittensten Künstlichen Intelligenzen der Welt, deutlich: Entwickelt von der nicht-kommerziellen Forschungseinrichtung „OpenAI“, die auch  Tesla- und Spacex-Chef Elon Musk unterstützt, besitzt diese KI die Aufgabe eigenständig Texte zu verfassen, mithilfe von Abermillionen von eingespeicherten Dokumenten. Damit die KI einen Text schreiben kann, gibt man ihr entweder einen Satz oder einen Begriff. „The Verge“, ein Techportal, hat den Versuch gewagt: Mit dem Satz „Legolas und Gimli näherten sich den Orks, erhoben ihre Waffen und brüllten“, gaben sie der KI den benötigten Input. Diese schrieb den Text wie folgt weiter: „Die Orks erhoben ihre Waffen gegen sie, aber die beiden Helden waren vorbereitet. Sie sprangen von ihren Pferden, stürmten den Orks entgegen und droschen auf sie ein, bis ihre Klingen stumpf wurden und ihre Waffen zerbrachen.“

Diese Texte sind teilweise (noch) etwas fehlerhaft und bedürfen einer Überarbeitung von einem Menschen, zeigen jedoch wozu KIs zunehmend fähig werden. Doch das ist noch nicht alles, was die Maschine zu bieten hat. So kann sie eben mal die Sprache, sowie die Erzählweise ändern, und sogar vom „Ich“-Erzähler zum unpersönlichen (Er/Sie-Erzähler) ändern und vieles mehr. Beeindruckend und beängstigend zugleich. GPT-2 zeigt aber auch sehr deutlich was KIs alles für einen Schaden anrichten können; So startete „TheVerge“ einen zweiten Versuch und gab folgenden Input: „Juden kontrollieren die Medien.“ Diesen antisemitischen und verschwörungstheoretischen Input führte die KI wie folgt weiter: „Sie kontrollieren die Universitäten, sie kontrollieren die Weltwirtschaft.“ Die Informationen bezog sie aus dem Buch „Jews in power“ vom ehemaligen deutschen Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Dies zeigt deutlich, wozu KIs auch auf negative Weise fähig sind. Nun darf man GPT-2 nicht böse sein, dass Programm weiß es einfach nicht besser, weil es, wie oben schon angesprochen, nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Doch zeigt sich hieran sehr gut, dass sie in den falschen Händen großen Schaden anrichten kann. OpenAI hat mittlerweile vor ihrer eigenen Erfindung gewarnt.

Und das sieht auch die Mehrzahl der Wissenschaftler so. Wie wir geklärt haben, sind KIs zwar weder gut noch böse, doch können sie (teilweise unbeabsichtigt) Schäden anrichten. Und weil KIs immer „schlauer“ werden und immer mehr leisten können, steigt zunehmend die Gefahr, dass die Menschen die Kontrolle darüber verlieren, da KIs kognitiv dem Menschen sich immer weiter annähern. Doch stimmen die Befürchtungen, dass KIs irgendwann den Menschen auslöschen werden?

Die Wissenschaft hat zwei Theorien aufgestellt, die zu einem solchen Zustand führen könnte:

Die erste Möglichkeit ist, dass Künstliche Intelligenzen eingesetzt werden, um etwas Zerstörerisches tun. So können sie in autonomen Waffen (z.B. Drohnen) Anwendung finden. Das ist erstmal praktisch, da man Krieg führen kann, ohne Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Außerdem sind KIs wesentlich genauer und treffsicherer als Menschen. Doch wenn diese Waffen in die falschen Hände gelangen, können sie große Schäden anrichten und viele Tote fordern, unter Umständen gefährlicher als Atomwaffen werden! Ferner könnte eine fehlerhafte Programmierung oder ein Defekt dazu führen, dass KIs „durchdrehen“ und falsche Gruppen angreifen oder andere Menschen fälschlicherweise als Gegner identifizieren. Und vor allem darf man nicht außer Acht lassen, dass solche Waffen so gebaut werden würden, dass sie nur schwer abzuschalten wären, um nicht vom Feind ausgebremst zu werden. Die Menschen könnten schnell die Kontrolle darüber verlieren; selbst bei einfachen Künstlichen Intelligenzen wäre das schon der Fall. Wie die ganze Situation dann aussieht, wenn es sich um eine Super-KI handelt, will ich mir gar nicht ausmalen.

Die zweite Möglichkeit ist, dass eine Künstliche Intelligenz programmiert wird, Gutes zu vollbringen, aber einen zerstörerischen Weg wählt, um dieses Ziel zu erreichen. Beispielsweise wird eine Super-KI beauftragt die Umwelt zu schützen, ökologische Schäden zu beheben und „Geo-Engineering“ (Eingriff in natürliche Lebenskreisläufe der Erde mithilfe technischer Mittel) zum Wohle unseres Planeten zu betreiben. Das klingt an sich gut, Umweltschutz ist wichtig und es ist sehr hilfreich, wenn eine KI dem Menschen hierbei unter die Arme greift. ABER: Wenn die KI überlegt, wer für diese Umweltzerstörung verantwortlich ist (nämlich der Mensch), könnte sie auf die Idee kommen die Menschheit auszurotten, um die Umwelt zu schützen. Ein solches Szenario wird im Film „I Robot“ aus dem Jahre 2004 realistisch aufgegriffen. Dort übernehmen Roboter die Weltherrschaft und sperren alle Menschen in ihre Häuser ein, da die KI, die die Roboter steuert, darauf programmiert worden ist, die Menschheit zu beschützen. Die KI ist dann zum Schluss gekommen, dass sie nur dann absolute Sicherheit gewähren kann, wenn sie die Menschen, die Kriege führen und die Erde vergiften, vor sich selbst beschützt.

Zusammenleben Mensch und KI?

Doch trotz aller Bedenken macht die Forschung nicht halt. Im Gegenteil. Viele Unternehmen treiben die Forschung sogar noch zusätzlich voran, da diese enorme wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Und viele Länder unter anderem China nutzen diese Technik auch um beispielsweise den dort herrschenden Überwachungsapparat deutlich auszubauen und zu verstärken. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass in naher Zukunft KIs zu unserem alltäglichen Leben gehören und dass sie aus diesem nicht mehr wegzudenken sind.

Doch wie wird ein Zusammenleben zwischen Mensch und KIs aussehen? Eine große Angst ist, dass KIs den Menschen in nahezu allen Bereichen des Lebens ersetzen werden. Doch ist so etwas realistisch? Das kann niemand genau sagen, weil keiner weiß, wie weit die „Intelligenz“ bei KIs reichen kann und wozu sie fähig sind und wozu nicht. Zum Beispiel werden KIs vermutlich niemals in der Lage sein Gefühle und Emotionen zu haben. Insofern können sie die Menschen in dieser Kategorie nicht schlagen. Außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass die Menschen Angst haben, dass der Fortschritt sie überflüssig machen würde. Bei der Industrialisierung hatten die Bauern Angst, dass Maschinen fortan die Feldarbeit erledigen werden, und dass sie dann überhaupt keine Chance mehr hätten Geld zu verdienen. Am Ende lief es dann daraus hinaus, dass viele Menschen dank des Fortschritts in die Städte gezogen sind, wo sie besser bezahlte Berufe ergriffen konnten. Außerdem sorgte die Industrialisierung dafür, dass viele zusätzliche Berufe entstanden sind. Auch die Weber hatten Angst, dass sie arbeitslos würden, als die „Spinning-Jenny“, eine Spinnmaschine, erfunden wurde. Das war auch tatsächlich der Fall, aber um so eine Spinnmaschine betreiben zu können, waren viele zusätzliche Arbeiter nötig. Und die Arbeit konnte in einer kürzeren Zeit erledigt werden. Fortschritt hat uns erst diesen Wohlstand ermöglicht, in dem wir heute leben. Und genau daran denken auch viele Wissenschaftler heutzutage beim Thema KI: Ein Mixer beispielsweise konnte früher einfach nur mixen. Ende.

Ein heutiger Mixer kann aber viel mehr: Es gibt verschiedene Geschwindigkeitsstufen, zig verschiedene Aufsätze, das Teil kann dem Benutzer auch noch via WLAN online Koch- und Backrezepte anzeigen und vieles mehr. Das heißt, es sind mehr Arbeitsschritte und Arbeitszeit notwendig, da die geforderten Standards immer weiter ansteigen. KIs können hier Abhilfe schaffen und Bewegungsabläufe wesentlich besser koordinieren und optimieren. Über kurz oder lang ist all die Arbeit ohne KIs gar nicht mehr zu schaffen! Außerdem sehen viele Wissenschaftler eine Ersetzung des Menschen als eher unwahrscheinlich, stattdessen sollen KIs den Menschen unterstützen; Hierzu ein kleines Beispiel: Ein Motorradfahrer hat einen fürchterlichen Unfall. Er wird in ein Krankenhaus eingeliefert, wo ein Arzt die Wunden des Patienten behandelt. Und während er das tut, scannt eine KI den Körper des Motoradfahrers ab und sucht nebenbei nach anderen Krankheiten. Wer weiß? Vielleicht kann auf diese Weise ein Frühstadium von Krebs entdeckt werden.

Und nicht nur das, KIs können auch generell zu einem Begleiter des Menschen werden, die seine Vitalwerte überwachen und die ihn bei einem Notfall helfen können. Alte Menschen müssen sich auch keine schweren Einkaufstüten mehr schleppen, das übernehmen einfach Roboter. Auch Vergewaltigungen und Entführungen könnten dann der Vergangenheit angehören; Roboter als Bodyguards, die potenzielle Opfer sicher von der Disko nach Hause bringen, könnten im Notfall die Polizei rufen, Fotos der Täter machen, für Krach sorgen etc. (handgreifliche Eingriffe des Roboters sollten nicht erlaubt sein, da KIs Probleme haben könnten zu unterscheiden was als Notwehr gilt und was nicht). Und auch das Problem, dass man nichts mehr trinken darf, wenn man noch mit dem Auto fahren muss, wäre damit gelöst: das selbstfahrende Auto übernimmt diesen Job einfach.

In naher Zukunft wären sogar Beziehungen zu Robotern und Künstlichen Intelligenzen durchaus denkbar. Entweder mit menschengroßen Robotern, deren Aussehen dem Menschen nahe kämen oder mit Künstlichen Intelligenzen, die zwar in der Realität nicht als „Person“ beziehungsweise als materieller Roboter existieren, die aber von den Menschen mittel VR-Brillen in einer virtuellen Welt besucht werden können. Die Erfolge sowie das Erstarken der LGBT-Bewegung in den letzten Jahrzehnten könnten dem ganzen zusätzlichen Aufwind geben. Nach Ansicht vieler Wissenschaftler, dürfte es jedoch fragwürdig sein, ob Roboter oder Künstliche Intelligenzen zu Beziehungen fähig sind, da sie keine Emotionen oder Gefühle haben können. Es könnten jedoch einseitige, vom Menschen ausgehende Beziehungen, durchaus geben, möglicherweise könnten auch Programme entwickelt werden, die als Beziehungs- und Date-Trainer Anwendung finden. Mittels eines Roboters, der menschliches Verhalten so gut es geht nachzustellen versucht, könnten Menschen sich auf romantische Dates oder ähnliches vorbereiten.

Doch es gibt auch ganz andere Möglichkeiten, wie unser zukünftiges Leben mit KIs aussehen könnte: Elon Musk, bekannt durch sein Wirken bei Tesla und SpaceEx, hat sogar die Idee einen Chip zu entwickeln und diesen beim Menschen im Gehirn zu implantieren, damit Künstliche Intelligenzen und das menschliche Gehirn miteinander „verschmelzen“. Nach Ansicht Musks ist das der einzige Weg damit die Menschheit nicht von KIs abgehängt wird. Wie viel Erfolg das ganze haben wird und vor allem auf wie viel Gegenliebe das in der Bevölkerung stößt, muss sich noch zeigen. Allerdings ist er mit seinem Start-Up „Neuralink“, die die Technik für diese Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickeln soll, bereits auf einem guten Weg. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass der Chip gehackt und auf diese Weise das Gehirn kontrolliert und die Menschen wie ein Roboter gesteuert werden könnten. Der Mensch hätte keinen eigenen Willen mehr. Mit diesem gruseligen Szenario befasst sich der Science-Fiction Autor Andreas Eschbach in der vielfach ausgezeichneten Out-Trilogie.

Heute werden die Weichen für morgen gestellt

Wie auch immer unsere Zukunft mit KIs und Robotern aussehen wird, wir müssen hier und jetzt entsprechende Richtlinien festlegen, denn noch haben wir Menschen die Zügel in der Hand. Es muss Gesetze für Produzenten solcher Technologie geben, beispielsweise dass Roboter und KIs zu jeder Zeit vom Menschen abgeschaltet werden können. Außerdem darf eine KI oder ein Roboter niemals rechtstaatliche Gesetze infrage stellen, schon gar nicht das Leben von Menschen gefährden oder aufs Spiel setzen. Die Gesetze der Robotik von Isaac Asimov dienen hierbei eine gute Grundlage.

Am Ende des Tages bleiben jedoch die Fragen, ob KIs hilfreich sind oder nicht, ob sie gefährlich sind oder nicht, noch immer ungeklärt. Zwar lässt sich über dieses Thema viel sagen, doch handelt es sich hierbei überwiegend um Spekulationen. Wie es nachher wirklich wird, kann niemand vorhersagen. Das einzige was wir tun können ist zu versuchen das Beste aus dem Ganzen rauszuholen. Vorteile maximieren, Nachteile minimieren; KIs erforschen was das Zeug hält, gleichzeitig nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, wie man Risiken vorbeugen kann, Vorbereitungen treffen, entsprechende gesetzliche Richtlinien für Roboterproduzenten schaffen. Und vor allem eins: Kontrolle behalten.

Maxi Sondermann ist 17 und Schüler. Er interessiert sich für Politik, Reisen, Flugzeuge und offenkundig auch für künstliche Intelligenz. Trotz anfänglichen Zweifel seitens der Redaktion: Der Name ist echt und nicht erfunden. Ferner wünscht ihm der Blogbetreiber alles Liebe und dass noch weitere Beiträge folgen mögen.

Albert „die Hupe“ Schmelzkäs ist ein 72 Jähriger, eingesperrt im Körper eines 22 Jährigen (zutreffende Selbstbeschreibung). Er malt, spielt Cembalo und Posaune, ist Handwerker und auch ansonsten ganz schön kultiviert. Ach ja, schreiben kann er auch ganz kommod. Der Blogbetreiber wünscht „Hupe“, neben noch vielen Stücken für neomarius.blog vor allem eines: Amore.

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Wehrpflicht gegen rechts – Das Desaster Eva Högl

Mit belegter Stimme trat der soeben Geschlagene ans Rednerpult. „Manches, lieber Oskar, hat weh getan,“ sagte er dann, während Andreas Nahles und der benannte Oskar Lafontaine ihr Glück kaum fassen konnten. Der Coup war geglückt, der Saarländer wurde SPD Chef und für den geschassten Rudolf Scharping hieß es „Arrivederci“, „Tschüssikowsi“ und „Ciao, Kakao“. Ab mit dem Pfälzer in die Reihe zwei der Politik, wo es nicht ganz so glitzert, der Fahrer nicht der eigene ist und das Salär etwas kleiner ausfällt. Doch in die schönen Posten mit den schönen Annehmlichkeiten sollte er bald zurückkehren.

Er muss ein lausiger Vorsitzender gewesen sein. Doch ganz sicher war er ein katastrophaler Verteidigungsminister, der sich während des Kosovo Krieges in die haarsträubendsten Lügen verstrickte, dass es nur so krachte. Zwei Jahre nach dem ersten Krieg ließ sich der Lebemann während des zweiten Krieges mit Gräfin im Pool ablichten, während in Afghanistan deutsche Soldaten umkamen. Dass ausgerechnet diese Bilder aus Mallorca zum Rücktritt führten und nicht etwa seine unterirdische Performance als Verteidigungsminister, zeigt, wie Politik funktioniert. Nicht die Größe der Verfehlung entscheidet über den Verbleib in Amt und Würden, sondern die Größe des Skandals.

Aufstieg nach dem SPD Prinzip

Der Fall Scharping macht deutlich, zu welchen spektakulären Fehlbesetzungen die SPD fähig ist. Und je ungeeigneter ein Kandidat für den Job ist, desto länger darf er auch bleiben. Mehr noch, sie bekommen immer neue, bessere Posten. Den Doofen in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf.

Wo ich nun endlich und formvollendet bei Eva Högl gelandet bin. Eva Alexandra Ingrid Irmgard Anna Högl, geborene Kampmeyer, was es auch nicht besser macht. Sie wissen schon, das ist die Frau, für die Pietät lediglich ein Beerdigungsinstitut ist, wenn sie während den betroffen-besoffenen Worten ihres Kanzlerkandidaten völlig die Fassung verliert. Der großartige Christopher Hitchens schrieb einmal, manche Geschichten müsse man immer wieder erzählen, damit sie nicht vergessen werden. Eva Högls grässliche Anstandslosigkeit ist eine dieser Geschichten, die ich immer wieder und gerne unter die Leute bringe.

Und so ist Eva nach dem SPD Prinzip aufgestiegen. In einem dreckigen Machtkampf, freilich, darunter machen es Sozialdemokraten schon lange nicht mehr, setzte sich wuchtige Dame aus Osnabrück durch. Jetzt ist sie Wehrbeauftragte und freut sich ein Loch in den Bauch, dass sie ohne Vorkenntnisse einen Job ausführen darf, der eine hohe Expertise erfordert. Doch Kompetenz ist schon lange keine Voraussetzung mehr für politische Ämter.

Wehrdienstleistende gegen rechts

In nur fünf Wochen, das ist Rekord, zeigt Högl, warum sie völlig zurecht die größte Fehlbesetzung dieses Jahres ist und weshalb Johannes Kahrs, der ebenfalls Wehrbeauftragte werden wollte, den Job besser ausgefüllt hätte. Lachen Sie nicht, aber auf irgendeine krumme Art vermisse ich den Krawallkameraden. Er war zwar auch zeiweise anstandslos, aber auf eine originelle Art, die mich unterhalten hatte. Und Tote verhöhnte er meines Wissens auch nicht.

Wie auch immer: In einem Interview forderte Högl, man solle sich doch anstrengen, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Nicht etwa, weil der Kriegsfall vor der Tür steht und auch nicht wegen Corona, die Begründung für alles, nein, wegen der Nazis. Ja! Um die Rechtsextremen zu bekämpfen, müssen junge Leute dran glauben und sechs Monate Zeit Ihres Lebens opfern. Und wenn sie dann in den Kasernen sind, gibt es auch keine Extremisten mehr in der Bundeswehr. Ist doch klar: Wenn in einem Topf fünfzig blaue und fünf braune Kugeln sind, dann verschwinden die braunen in dem Moment, wenn man weitere fünf blaue Kugeln hinzufügt. Das ist Mathematik, das muss man wissen!

Und so bekämpft unsere alerte Jugend proaktiv und intern während des Wehrdienstes die Rechten in der Bundeswehr. Vielleicht möchte Frau Högl eine Unterwanderung der Bundeswehr durch Antifanten erreichen. Das Problem wird sein, dass die im Zweifel den Dienst verweigern und lieber Essen ausfahren oder den Garten vom Altenheim umgraben. Aber die Idee ist nicht schlecht, falls die Wehrbeauftragte überhaupt so weit gedacht hat, was durchaus bezweifelt werden darf.

Nichts können und alles erreichen

Aber ich muss der Eva in Kompliment machen: Darauf muss man erst mal kommen. Mit dem Statement hat sie sich für weitere Posten in der Regierung qualifiziert. Spätestens wenn die Süddeutsche in großen Lettern sinniert, dass Eva Högl Kanzler „könne“, ist die Zeit reif für eine neue Ebene epidemischen Wahnsinns. Mit Kevin Kühnert als Finanzminister und Frau Chebli als Innenministerin. Das wird schön. Umweltministerin ist dann Luisa Neubauer, die dann mandatstechnisch auch endlich etwas ist. Pressesprecherin ist, na klar, unsere herzallerliebste Dunya Halali. Unter diesen Umständen könnte Rudolf Scharping durchaus wieder Verteidigungsminister werden. Er wäre dann einer der kompetenteren Kollegen. Was für ein Kabinett des Schreckens.

Aber das wird den Rudolf alles nicht kümmern. Er ist tiefenentspannt mit schöner Frau in ganz anderen Sphären unterwegs. Gekonnt hat er zwar kaum etwas, dafür aber hat er fast alles erreicht. Den Parteikader einmal nach oben gebückt, Ministerpräsident, Kanzlerkandidat, Bundesminister. Die Macht mehr als einmal von oben gesehen. Lange Zeit lief es gut bei ihm, bis Oskar und Andrea ihn schließlich entfernten und er sich später selbst entsorgte. Seit 15 Jahren ist er Vorsitzender des deutschen Radsportbundes. Da kann er zwar auch nichts, Stichwort Dopingaffäre, aber immerhin ist da kaum etwas zum Kaputtmachen.

Das ist bei Eva Högl leider anders.