Von Julian Marius Plutz
Dieser Beitrag durchbricht meine Konsequenz. Er ist insofern widersprüchlich, weil ich etwas mache, was ich niemals tun wollte und das aus gutem Grund. Ich schreibe über Corona.
Ich war und bin der Ansicht, dass es bei dem Thema der Pandemie zu viele, ja viel zu viele angelesene „Experten“ gab und gibt, die eigentlich nur das Wiederholen, was andere, wiederum sogenannte oder echte Experten sagen und schreiben. Am liebsten werden natürlich nur die Fakten herangeholt, die zur eigenen Haltung passen. Klar. Und für jeden Typen gibt es den passenden Büchenspanner.
Kontroverse Stimmen unerwünscht
Sie sind eher der Typ „knochiger Hund“ und bezeichnen sich als unverbesserlichen Pessimisten? Dann trete Sie dem Team Lauterbach bei! Dass „der seltsame Professor“ auf eine mindestens eine ebenso seltsame Vita blicken kann, sehen Sie hier. Das schreckt den drahtigen Fliegenträger nicht davon ab, pausenlos zu betonen, wieviel Glück doch Deutschland in der Krise bisher hatte. Dr. Stranges wichtigste Eigenschaft: Seine unumstößliche Humorlosigkeit, die an die eines irischen Hafenarbeiters am Ende einer Woche Konti-Schicht erinnert. Das muss wohl so sein, wenn man der Liveticker der Corona-Neurotiker sein will.
Dem Team Lauterbach schließt sich das Team Drosten. Ich weiß nicht, wie oft ich „das ist mein Lieblingsvirologe“ gehört habe, viel zu oft. Also ich bin ja so konstituiert, dass ich weder einen Lieblingspandemiker, noch einen Lieblingsornithologen und auch keinen Lieblingspodologen auserkoren habe. Naja, gut, der Christian Drosten, also. Der Professor, der zwar keine Ahnung hat, was Herr der Ringe ist, wohl aber um sie Nutzung und Wirkung von Twitter weiß, wo er gerne mal einen Kollegen anpflaumt, wenn dieser ihn, die Primadonna von der Charité, kritisiert.
Dabei gibt es kontroverse Stimmen jenseits des „Brokkoli Goebbels“ Atila Hildmanns. Fangen wir mit etwas vergleichsweise Positives an, der geneigte Leser, bzw in dem Fall der geneigte Hörer der Achse des Guten wird den Fakt bereits kennen. Der Demograph und Finanzstatistiker Professor Pflaumer errechnete, dass es in Deutschland bisher keine Übersterblichkeit gibt. So richtig durchgeschlagen hat diese doch erfreuliche Nachricht nicht. Andere sehen die Angst vor dem Virus als überzogen, wie der Rechtsmediziner Peter Püschel, der „Corona Tote“ obduzierte. Ebenso hat der renommierte Schweizer Immunologie Professor Stadler Zweifel, in die sich Prof. Ioannidis der Uni Standfort einreiht , eine absolute Koryphäe im Fach der Epidemiologie.
Experten können sich widersprechen
Daneben gibt es eben den Kekulé und Streek und noch den einen oder anderen, der wenigstens nicht bedingungslos Feuer gibt für die rigiden Maßnahmen, die anzweifeln lassen, ob sie wirklich alle so verhältnismäßig sind. Doch dazu später mehr. Wenn man einmal von dem leicht debilen Zwist von Drosten und Kekulé absieht, decken sie doch das gerade noch Sagbare in der Corona Krise ab. Wer darüber hinaus sich positioniert, der begibt sich ins Reich der Coronaskeptiker, ein weiteres Bullshitwort. Man wird zum Covidioten, wie Saskia „das Biest“ Esken die Demonstranten gegen die Corona Maßnahmen nannte. So weit haben wir es gebracht.
Experten kann man folgen und Experten können sich widersprechen. Diese unangenehme Situation der Unklarheit überfordert viele. Also suchen sie sich einer der Teams aus und folgen den Worten der „Führer“. Komme, was wolle. Dass der Irrtum zum wissenschaftlichen Arbeiten gehört und sogar elementar ist, wird dabei übersehen. Empirie ohne Falsifikation, also das Widerlegen einer vermeintlich falschen Hypothese, ist im Kern unwissenschaftlich.
In einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft ist die Sehnsucht nach geklärten Verhältnissen so groß, dass sich Menschen der einen, singulären Wahrheit unterwerfen. Und da Religion aus der Mode gekommen ist, folgen sie dem Äquivalent im wissenschaftlichen Gewand. Doch die Lust an der Erkenntnis, die Suche nach Wahrheit scheint den Schäfchen, die den Expertenführern folgen, abhandengekommen zu sein.
Der elende Tod
Wenn die Großeltern ihr Enkel nicht mehr sehen wollen, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 verfügbar ist, so geschehen in meinem Umfeld, dann ist das nicht nur neurotisch, es ist auch menschlich zutiefst brutal. So kann es sein, dass sie das Kind zwei Jahre nicht sehen, aber dafür pumperl gesund bleiben, aber dann trotzdem versterben. COVID-19 überlebt, dafür fragt der Enkel die Mutter, als sie auf der Beerdigung sind und auf die entsättigten Bilder vor den Särgen zeigt: „Mama, wer sind diese alten Menschen?“
Von einem Bekannten liegt der Bruder im Sterben. Doch er darf ihn nicht sehen, weil er auf einer Intensivstation liegt. Direkter Kontakt sei zu gefährlich. Die Straßen und Geschäfte sind, das ist meine Beobachtung seit Monaten, weitestgehend von alten Menschen und Behinderten im Rollstuhl bereinigt. Die Angst vor einer Infektion lässt Menschen vereinsamen. „Survival of the fittest“ bekommt hier eine besonders geschmacklose Note.
Die wunderbare Thea Dorn schrieb bereits im April „Es gibt noch etwas schlimmeres, als den Tod: Den elenden Tod.“ Wie recht sie leider behalten hat. Das Grundgesetz kennt den Begriff der Verhältnismäßigkeit, was Maßnahmen zur Einschränkung der Freiheit betrifft. Das ist das eine. Doch es gibt auch eine Verhältnismäßigkeit des gesellschaftlichen und eigenen Verhaltens, das keine Paragraphen berührt, sondern eher das Handeln im gesellschaftlichen Zusammenleben. Ist es verhältnismäßig, dass der Enkel seine Großeltern bis zum Impfstoff, der, wann auch immer, kommen wird? Und ist es verhältnismäßig, dass mein Bekannter seinen Bruder nicht in den letzten Tagen seines Lebens begleiten würde? Ich finde nicht. Wenn der zu Tode gesagte Begriff „soziale Kälte“ für mich eine Bedeutung hat, dann hier.
Ich bin übrigens nicht klüger, als Sie. Auch ich war mehr als besorgt, als das RKI seine Horrorzahlen zu Beginn der Pandemie bekannt gab, was zur ein- oder anderen Überreaktion geführt hat. Doch je länger die Maßnahmen dauerten, je kratischer die Politik ihre Politik der Abschottung betrieb, je mehr widersprüchliche Zahlen und Fakten ich las, desto stutziger wurde ich. Und garantiert werde ich mich auf keine kruden Verachwörungstheoretiker einlassen oder auf geschätzte Virologen, die zu Aktivisten werden. Im Zweifeln liegt auch immer eine Einsamkeit.
Eine Antwort auf „Die Einsamkeit des Zweifelns“
Das Virus ist nur noch Nebensache, die Angst wird hoch gehalten vor allem durch Mainstream-Medien! So lässt es sich leichter regieren! Todgeweihte nicht begleiten zu können stellt bei vielen Politikern nur ein kostenloser Kolateralschaden dar, der leicht zu verschmerzen ist. Auf der Strecke bleibt der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft, und dies wird sich furchtbar rächen
LikeLike