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Die Liga der kostenlosen Mutigen

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich mag keine Überraschungen. Ja. Ich bin mittelmäßig bis mäßig spontan, genieße Routinen und, halten Sie mich für altbacken, aber mir ist genau der Tag lieb, an dem ich am Morgen bereits weiß, wie er am Abend enden wird. Es gibt Ausnahmen, wie Ausflüge, Tagesfahrten und der Dinge mehr, aber im Regelfall ziehe ich die Gewissheit der Tagesstruktur den Abenteuern der Unwägbarkeit vor.

Und daher mag ich auch keine überraschende Begegnungen. Einige Male bereits hatte ich Damen beobachtet, die sich spontan in der Stadt trafen und sich minutenlang deswegen totlachten. Für mich eine schier unbegreifliche Reaktion. Ich hätte eher für den plötzlich erschienen Bekannten ein schmales „hi“ übrig und bereits den Vorwand auf der Zunge, diese unangenehme Situation zu verlassen. So war es zunächst auch, als ich einen vor gar nicht langer Zeit nahe stehenden Menschen traf. Aus dem schmallippigen „Hi“ wurde dann doch eine durchaus angenehme Stunde und sie war auch noch angenehm, warum auch nicht, als ich sein T-Shirt sah. „Black lives matter“ prangte in stolzen Lettern über den Körper eines der unschwarzesten Menschen, die man sich nur vorstellen konnte.

Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht

Er kann durchatmen und sich einen Ast abfreuen, denn er ist dabei. Ein weiteres, inzwischen kaum mehr zählbares Mitglied des Vereins der „kostenlosen Mutigen“ betritt den Club! Halleluja. Anders als Doyles Liga der Rothaarigen wissen die Protagonisten jedoch genau, worum es geht: Im Grabenkampf der Moralinsüchtigen auf der besseren, der guten Seite der Geschichte zu sein. Endlich! Schrieb Opa Kurt noch die dunkle, deutschen Zeit mit, wollen es die Enkel nicht nur besser machen, sondern richtig gut und moralisch glänzend. Aus „Nie wieder Ausschwitz“ der Betroffen-Besoffenen wird ein von den inzwischen moraltrunkenen der Slogan: „Immer Teil der Guten“. Kann man beim ersten Spruch noch durchaus Interpretationen in die Zukunft finden, endet der zweite Satz im intellektuellen Nirwana.

Dieser ungemein unschwarze Mensch hat natürlich auch ein Che Guevara T-Shirt im Schrank. Dass der argentinische Massenmörder ihn aufgrund seiner Homosexualität wohl in ein Umerziehungslager gesteckt hat, egal! YOLO, für die gute Sache und den treffsicheren Look kann man schon mal ein paar Augen zudrücken. Selbst wenn es Hühneraugen sind und entsprechend tief das Niveau sitzt.“

Verstehen Sie mich richtig: Ich selbst habe Gewalt erlebt und nicht nur deswegen kann ich durchaus Verständnis für die Empörung, was George Floyd und der Opfer mehr angeht, aufbringen. Doch was für einen anderen Grund als Separation, hier die Guten, da die Bösen, evozieren solche Kampagnen. „Schwarze Leben zählen auch“, na klar. Dafür brauche ich keine Straftaten und ganz sicher keine ganz und gar nicht schwarze Menschen, die sich Slogans zu eigen machen, die sie eigentlich gar nicht zu eigen machen könnten.

Der Verein der kostenlosen Mutigen hat Hochkonjunktur. Scheunentor offene Profivereine feiern ihre grenzenlose Schwulenfreundlichkeit, während sie die Schwulenfeinde auf der Brust tragen. Wat schön. Der FC Bayern paktiert mit einem Land, in den Frauen in Stoffgefängnissen drei Schritte hinter dem Ehemann gezerrt werden und Homosexualität unter Strafe steht. Währenddessen ist man aber rot gegen Rassismus. Blutrot, wenn Sie mich fragen. Wer für alles offen ist, ist bekanntermaßen nicht ganz dicht. Und gerade bei den ganz Sozialen, den ganz arg verständnisvollen Exemplaren, die Diversität feiern, als wäre es ein Wert an sich; gerade bei denen läuft, es, um im Bild mit der Dichte zu bleiben, wie nach einem Wasserrohrbruch.

Wer nichts riskiert, riskiert alles

Wenn man nichts riskiert, riskiert man alles. Und wenn sich Vereine oder Unternehmen oder Einzelpersonen entschließen, mit blutleeren Aktionen ihr Image aufzupolieren, riskieren sie mindestens ihre Glaubwürdigkeit. Als Alice Weidel im Wahlkampf 2017 ihre Homosexualität zum Ende einer scharfen Rede zur Sprache brachte, riskierte sie – nicht nur sprichwörtlich – eine Menge. Sie konnte nicht wissen, wie die Zuhörer reagierten. Auch wenn sie das aussprach, was die meisten wohl bereits wussten, setzte sie ihre Sexualität auf die Agenda, um erleichtert festzustellen, dass sie für ihre Anhänger keine Rolle spielt. Sichtbar gerührt dankte Weidel mit Gesten des Respekts dem ankommenden Applaus. Unabhängig wie man zur AfD steht und der geneigte Leser kennt meine Haltung hierzu: Das war beeindruckend. Alice Weidel ist kein Mitglied der Liga der kostenlosen Mutigen. Sie riskierte etwas und hatte Erfolg.

Auch Joschka riskierte eine Menge, als er beim Sonderparteitag 1999 in Bielefeld für den Kosovo Krieg warb. Mit beschmutzem Jackett, er wurde vorher mit einem Farbeutel attackiert, kämpfte er für einen militärischen Einsatz, der bis dato in der Bundespepublik präzedenlos war und bis heute präzedenzlos ist. Mehr als 20 Minuten rhetorisches Sadomaso servierte Fischer seinen Parteifreunden , um für seine Sache, den Angriffskrieg zu werben. Hätte er nichts riskiert, hätte er alles riskiert. Koalition, Befriedung im Kosovo, Glaubwürdigkeit vor den Bündnispartnern. Am Ende stimmten die Deligierten für den Einsatz und gegen liebgewonnene Dogmen.

Auch Fischer würde dankend die Mitgliedschaft im Verein der „kostenlosen Mutigen“ ablehnen. Er riskierte alles und gewann. All in und der Sieg war Sein. Es hätte auch anders ausgehen können, ganz anders hätte es ausgehen können. Die Weißbrote mit „black live matters“ Shirts riskieren dagegen gar nichts. Sie sind Teil der faden Mainstreamsuppe, die nach nichts schmeckt, weil sie nichts bedeutet. Slogans wie diese zementieren ihre Bedeutungslosigkeit, wenn unmaßgebliche Menschen sie pervertieren.

Verstand ist keine Kategorie

Wissen Sie was? Manchmal mag ich doch Überraschungen. Ja. Die Spieler des Londoner Fußballclub Queens Park Rangers verweigerten den obligatorischen Kniefall, um ihre Solidarität zu bekunden, was die Kritik an Polizeigewalt angeht. Lee Hoos, der Vorsitzende des Vereins bringt es auf den Punkt:“Wer glaubt, unsere Spieler dulden Rassismus, versteht es nicht. Wer auf ,Black Lives Matter‘ mit ,Alle Leben sind wichtig‘ antwortet, versteht es nicht. Wer glaubt, Hinknien reicht, um soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, versteht es nicht.“

Lee Hoos wird nicht der Ehrenpräsident des Vereins der „kostenlosen Mutigen“. Denn Oma Erna wusste schon: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“. Aber für ein paar Mark kann man sich ein Black lives Matters Pullover kaufen. Warum auch nicht? Die Mitgliedschaft ist umsonst, jedoch kostet der Eintritt den Verstand.

Verstand ist für die Ewigguten keine Kategorie. Sie suhlen sich in der Gewissheit, etwas richtig Gutes getan zu haben. Indem sie ein Shirt tragen. Mit der Aufschrift „black lives matter“. Sie können, oder wollen nicht verstehen, dass sie nichts riskieren. Anders als Joschka Fischer 1999, Alice Weidel 2017 und Lee Hoos vor wenigen Tagen.

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Die Pandemie in unseren Köpfen

Eine Wutschrift von Albert Schmelzkäs.

Das Coronavirus ist nichts Neues. So gut wie jeder auf dem Globus hat jetzt alle Fakten, Halbwahrheiten und „Fake News“ oder, wie ich es altmodischer Weise gerne nenne, Lügen mitbekommen.

Wir hatten Monate der Verharmlosung, Januar und Februar, Monate der Hysterie, März und April und seitdem eine unerträgliche Zeit der Lethargie, die uns so wunderbare Mechanismen der Marktwirtschaft wie Entlassungen, Betriebsschließungen und schließlich Insolvenzen mal wieder hautnah erfahren lassen, was leider nur bedingt vom Irrsinn des Corona-Alltags ablenkt.
Des Weiteren gab es einen Lockdown, der in keinem Gesetz existierte und in einer Windeseile über uns hereinbrach, dass ich mich frage, wie wenige Tage eine AfD oder andere Antidemokraten für die Durchsetzung eines erneuten Ermächtigungsgesetzes bräuchten, wenn die Hürden, um Grundgesetze – also die absolut essentiellsten Rechte wie Freiheit, Selbstbestimmung und Würde des Menschen – mal eben ganz locker in Frage zu stellen und in erschreckend weiten Teilen aushebeln, so gering sind. Um den Missbrauch solcher Gesetze zu verhindern befinden wir uns in einem Staat mit Gewaltenteilung und einer behäbigen Bürokratie. Zum Verdruss der Rachsüchtigen mahlen die Mühlen der Gerichte langsam, aber stetig und unaufhaltsam. Der NSU-Prozess hat beispielsweise über 5 Jahre von Eröffnung bis Verurteilung gedauert. Alle Aspekte ganz exakt zu erörtern ist nämlich ein zeitaufwändiger Luxus, der schlichtweg die Demokratie vor überstürzten Beschlüssen schützt.

In einem solchen Krisenfall wie 2020 muss es aber natürlich schnell gehen. Der Staat muss schnell Entscheidungen treffen und er muss jeden Tag eine neue Risikobewertung der Situation vornehmen und die Maßnahmen anpassen. Tatsächlich darf die Regierung aber nicht „einfach mal eben so“ einen Großteil der Grundrechte ohne jede juristische Einschätzung und Überlegung aussetzen, aber sie tat es. Noch irritierender ist allerdings, dass das alles nicht durch demokratische Parlamentsentscheidungen und Debatten, sondern praktisch per Dekret angeordnet wurde. Nachdem sich der Großteil der Deutschen für einen Lockdown ausgesprochen hat – ein für meinen Begriff bedauernswerter Teil der Deutschen, der sich des Wertes des Grundgesetzes in keiner Weise bewusst ist – hat sich eben dieser Teil erdreistet, den Lockdown noch und nöcher wortwörtlich mit der Sentenz zu begründen:
„Damit es die Uneinsichtigen, die trotzdem rausgehen verstehen und bestraft werden!!!“

Mit dieser „Begründung“, also mit blankem, schwachsinnigen Populismus, Polemik, Neid und ekelhafter Rachsucht wurde auch die Maskenpflicht gefordert – und sie kam. Von Januar bis Anfang April durfte ich mir von Virologen, Epidemiologen und Ärzten anhören, dass das absolut lächerlich sei und dass diese Maßnahmen in anderen Ländern ein schlechter Witz und unnötige Schikane der Bürger seien. Seit Mitte April sind nun allerlei Studien aufgetaucht, für die Masken das Allheilmittel bilden und so heißt es nun zusammengefasst:

„Ja, also, ähm, es kann unter Umständen schon durchaus eine leicht verzögernde Wirkung bei der Virus-Übertragung eintreten – irgendwie – also natürlich nur, wenn man andere infizieren kann, Gesunde schützt das natürlich nicht (wäre ja auch zu schön) – aber es wirkt auch nur, wenn man die Maske vor jedem Tragen wäscht und sterilisiert, wenn sie absolut dicht am Gesicht anliegt, wenn trotzdem jederzeit der Mindestabstand eingehalten wird, wenn die Maske immer nur kurz getragen wird, um die Virenkonzentration gering zu halten, wenn sie mit genug Abstand von anderen Menschen auf- und abgesetzt wird, wenn die Maske nicht zwischendurch abgesetzt oder berührt wird, wenn die Maske nicht durchfeuchtet ist, wenn vor dem Aufsetzen und nach dem Abnehmen die Hände gründlich gewaschen werden, wenn, wenn, wenn…“

Mir fällt selbst unter den Hardcore-Hypochondern meines Freundeskreises niemand ein, der Masken so handhabt und in diesem Fall geht die Wirkung eben nahezu gegen null. Außer man besorgt sich FFP-2- oder -3-Masken, wobei das eine bodenlose Unverschämtheit ist, weil Krankenhäuser so schon Schwierigkeiten haben, da ran zu kommen und die einzigen sind, die solche Masken wirklich brauchen.

Für die vielen Schwachköpfe, die es immernoch nicht verstehen, ganz konkret: Die Maske schützt niemandem davor, sich zu infizieren. Unter sehr unwahrscheinlichen Umständen, kann sie dazu beitragen, das Risiko andere zu infizieren zu senken. Wer die Maske im Auto trägt begeht eine Ordnungswidrigkeit, Vermummung am Steuer, und der macht die Maske nutzlos, weil sie dann schon vollständig kontaminiert ist.
Des Weiteren: Bei aller berechtigten Kritik an der juristischen Schwachsinnigkeit aller Umstände, bitte nicht in krude Verschwörungstheorien verfallen! Nur weil man behauptet, die Chinesen, Bill Gates, Pharmakonzerne oder jüdische Echsenmenschen stecken hinter dem Virus, wird dieser himmelschreiende Blödsinn nicht wahrer und verfassungskonformer.

Wie die Forsa-Umfrage zur Maskenpflicht aus dem April ergeben hat, sprechen sich 88 Prozent der Bürger für diesen unnützen Quatsch aus, weil sie sich trotz der eindeutig dagegen sprechenden Faktenlage in einer absolut trügerischen Sicherheit wähnen, die nicht existiert. (Viele sind inzwischen augenscheinlich der festen Überzeugung, der Sicherheitsabstand ist vernachlässigbar, wenn man die Maske auf hat.) Und so sind auch große Teile des Volkes der Meinung, ihren Mitmenschen die Maske vorschreiben zu können.

Auch hier ist die „Begründung“ allzu oft: „Damit es die Uneinsichtigen verstehen und bestraft werden!!!“

Mit der selben Argumentation könnte man Strafen für Sex ohne Kondom einführen, weil man eine HIV-Infektion riskiert, weil keiner der Partner mit absoluter Sicherheit sagen kann, dass er gesund ist, weil es kein Heilmittel gibt und weil die Mortalitätsrate, wenn die Infektion unbehandelt bleibt, nicht wie bei Corona in Deutschland zu Anfang bei 3-4%, sondern bei nahezu 100% liegt.
Weltweit haben ganz nebenbei 37,9 Millionen Menschen HIV, nicht mal ein Viertel hat Zugang zu Medikamenten und dafür interessiert sich doppelmoralistischer Weise auch keine Sau. Wenn wir mit Corona so wie momentan umspringen und Menschen nutzlose Masken vorschreiben, wieso dann nicht auch ungeschützten Sex kriminalisieren? Dafür gäbe es nämlich tatsächlich Gründe und Kondome sind Maßnahmen, die nachweislich wirken – ganz im Unterschied zur Gesichtsmaske.

Jetzt mögen Einige schreien „Mimimi, aber das ist doch Whataboutism!“ und ja, das ist es ganz gewiss, aber ich nenne es lieber ‚Vergleich im Hinblick auf Verhältnismäßigkeit‘ und der ist unabdinglich, wenn man dabei ist, das Grundgesetz mit Füßen zu treten.

Hier will ich feststellen:
Es gibt kein Recht und keine Rechtmäßigkeit, anderen ihre Gesundheit vorzuschreiben. Der Schutz des Lebens steht nicht über der Würde des Menschen und der Selbstbestimmung. Wenn das so wäre, dürfte selbst wenn es die Mutter das Leben kostet nicht abgetrieben werden, dürfte es keine Sterbehilfe geben und dürften lebenserhaltende Maßnahmen im Wachkoma – einer ewigen Qual – selbst dann nicht beendet werden, wenn der Patient eine Verfügung geschrieben hat, die es befiehlt. Und auch Suizid müssten wir verbieten und „Täter“ missglückter Suizidversuche verurteilen und in Psychiatrien inhaftieren. Solch inhumaner Humbug ist nicht mit der Menschenwürde zu vereinbaren, da dürften sich hoffentlich alle einig sein. Und genauso darf es keine Masken- und keine Impfpflicht geben.

Natürlich sollte sich um Gottes Willen jeder verdammt nochmal impfen lassen, sobald es einen Impfstoff gibt (der wirkt im Gegensatz zu Masken immerhin definitiv), alles andere ist schlichtweg wahnsinnig dumm – und selbstverständlich sollen die hypermoralistischen Hypochonder sich gerne in der Öffentlichkeit mit Masken zeigen, wenn es die Last ihrer eigenen Existenz erträglicher macht, nur Vorschreiben ist eben Geschmacksache, wenn einem die Verfassung dieses Landes auch nur im Entferntesten etwas wert ist.
Aber wir haben die Maskenpflicht und den Lockdown nunmal, diesen ganzen Irrsinn, der kaum zu rechtfertigen ist. Und damit das auch alles so schön bleibt haben wir die drei wichtigsten Institutionen zur Volksüberwachung:
Die deutsche Polizei, deutsche Verwaltungsbeamte und deutsche Rentner. Der deutsche Rentner (und natürlich absonderlich viele andere, die nichts zu tun haben), die in bester Stasi- (oder Gestapo-?) Manier ihrer Blockwartmentalität frönen und jeden anzeigen, der sich nicht absolut unverdächtig verhält. So hört man auf asozialen Plattformen und in klassischen Medien ständig von Personen, die zu zweit im Park sitzen und von jemand Bekanntem im Vorbeigehen angesprochen werden, woraufhin die üblichen peinlichen Denunzianten der Republik völlig zu unrecht mit Falschinformationen die Polizei alarmieren, die sich gerade dieser Tage durch besonders exzessive Machtdemonstrationen, kruden, realitätsfernen Interpretationen der Sachlage und immer häufiger auch erstaunlichen Rassismus auszeichnet. (Natürlich verhält sich der Großteil angemessen, aber den spreche ich nicht an – für all diejenigen, die nicht verstehen, dass ich nicht anders kann als hin und wieder ganz polemisch zu verallgemeinern, ich schreibe nicht für jede Extrawurst, sondern gegen die wenigen Idioten unter den Vielen). Daraufhin kommt der Deutsche Verwaltungsbeamte ins Spiel, der Widersprüche gerne auch ohne deren Prüfung abweist und teure illegitime Geldstrafen einfach so durchdrückt – legal – aber legitim? Nein.

Das alles unter anderem durch einen schwachsinnigen Law-and-Order-Politiker, der sich zum König Söder von Bayern berufen fühlt und den Freistaat mal wieder von der Republik abkoppelt, weil auch Egozentrik nicht vor Krisensituationen Halt macht. Sein populistisches Agieren befeuert die besonders schwachsinnigen Springer-„Journalisten“ der BLÖD-„Zeitung“, die noch mehr Hysterie in die Welt setzen und Söders rechtsfreie Ergüsse zu legitimieren versuchen. (Hier am Rande sei das immer brandaktuelle, ewig gültige Niedertracht-Zitat von Max Goldt über dieses Schandblatt empfohlen.) So baden Medien und Politik im gemeinsamen ranzigen Ejakulat und formen mit der Peitsche und ganz ohne Zuckerbrot den Volkswillen, der sie noch mehr anstachelt. Ein ekelhafter, lächerlicher Teufelskreis und genauso problematisch ist, was daraus geworden ist; ein von Hysterie, Angst und Panik geprägtes falsches Volksverständnis der Sachlage und ein genauso radikaler, falscher Volkswille. Und dieser Volkswille darf nicht die alleinige Richtschnur des politischen Handelns sein.

Wir Bürger haben doch immerzu das Gefühl, „die da oben“ hören uns nicht zu.
Es gibt nicht „die da oben“. Wir befinden uns in einer Demokratie; alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. „Die da oben“ sind von uns gewählt, „Die da oben“ kommen aus unseren Reihen und jeder Volljährige kann einer davon werden, wenn er Zustimmung findet. „Die da oben“ bekommen zwar viel Geld (von Verdienen kann nicht immer zu 100 Prozent die Rede sein), aber die Wenigsten können sich vorstellen, in was für einen bürokratischen Apparat dieses Geld fließt und wie knapp bemessen das ist, was übrig bleibt, wenn man sich den Tagesablauf eines Parlamentariers ansieht – was viel zu wenige tun.

Wir denken also immer, „die Politiker“ hören uns nicht zu – doch, das tun sie. Aber Politiker müssen den Spagat zwischen dem, was das Volk will und dem was das Volk braucht fassen und einen Kompromiss herstellen. Sie müssen in diesem Fall den Mittelweg zwischen Freiheit und Sicherheit finden. Natürlich haben die Bürger Angst vor der Pandemie – aber deswegen die Grundrechte harsch einzuschränken bedarf großer Rechtfertigung. Im Normalfall – und das scheinen viele Deutsche vergessen zu haben – gelten die Grundrechte In Deutschland nämlich (für alle, egal welcher Nationalität und Ethnie, rechts wie links; man zündet gefälligst keine Flüchtlingsheime an und man schießt bei G20-Demos nicht auf Polizisten). Und bei Grundrechten heißt es auch „im Zweifel dafür“. Wenn einschränkende Maßnahmen nicht zu 100 Prozent zu rechtfertigen sind, müssen sie sofort abgeschafft werden, was aktuell leider nicht der Fall ist.

Wenn also dieser Volkswille eine solche Beachtung findet, frage ich mich, was passiert wenn tatsächlich eine direkte Demokratie gefordert und eingeführt wird; in dieser Situation wäre nichts leichter. Wenn der Antrag auf Wiedereinführung der Todesstrafe zur Abstimmung käme und die Wähler einen Tag zuvor von einer Kindesvergewaltigung erfahren würden, würden sie genauso kopflos, undifferenziert, inhuman und rachsüchtig abstimmen wie sie im Hinblick auf Maskenpflicht und Lockdown angesichts des Coronavirus skandiert haben.

Dieser Volkswille ist eine gefährliche Macht, die ungeheure Eigendynamik entwickelt und höchstens von Medien gesteuert werden kann.
“Voltaire wusste, dass es eben nicht nur eine Schwarmintelligenz gibt, sondern auch eine Schwarmdummheit, eine Schwarmbösartigkeit und eine Schwarmgemeinheit“, sagte Ferdinand von Schirach einmal. Und so sehe ich es auch, der Volkswille ist wichtig, muss aber durch einen Filter, das Parlament, kontrolliert und abgewogen werden und darf nicht einfach von der Regierung 1:1 umgesetzt werden, wie aktuell.

Der undifferenzierte Volkswille ist der Volkstod.
Die direkte Demokratie ist der Volkssuizid.

Albert Schmelzkäs ist ein 62 Jähriger, eingesperrt in dem Körper eines 22 Jährigen. Er lebt in Frankfurt am Main und spielt formidabel und professionell Posaune so wie Cembalo. Der Berufsmusiker im Studium ist außerdem Urheber der Karrikaturen auf neomarius.

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Eine kleine Geschichte über Cancel Culture

Von Julian Marius Plutz.

Auseinandergeh‘n ist schwer, das wusste nicht nur die Band Wanda. Doch manchmal passiert es eben und man kann nichts daran ändern. Menschen leben sich auseinander, falls sie jemals aneinander waren. Das tut weh. Und ganz selten ist eine Trennung auch so etwas wie ein Neustart in eine ganz andere Sphäre mit dieser Person.

Manchmal aber ist es weniger verkopft, dafür um so banaler und nicht mit Schmerzen verbunden, sondern idiotisch und intellektuell dürftig. Das Beenden einer guten Bekanntschaft unter anderen aufgrund politischer Überzeugung, ist für mich neu. Aber gut, Ziehende soll man bekanntermaßen nicht aufhalten, auch wenn man bei stehengelassenen Weinflaschen nicht nur einen angenehmen Abend verbrachte.

Cancel Culture ist weder links noch rechts – sie ist illiberal

Dieses Stück soll weder Abrechnung, noch Trauerschrift werden. Für beides fehlt es mir an Motivation und an Ende des Tages auch, da bin ich ehrlich, fehlt es an letzter Relevanz. Wer Kontakte und gar Freundschaften an ein Gelöbnis einer bestimmten Richtung knüpft, mindestens jedoch auf das Lossagen anderer, unliebsamer Auffassungen erwartet, der begeht einen schweren, sozialen Fauxpas. Und dennoch: Dies Verhalten passt wie der Arsch auf den Eimer und untermalt den hiesigen Zeitgeist. Wird doch seit längerer Zeit so allerhand Meinung respektive derer, die sie ausdrücken, ausgesperrt.

Das ist also diese Cancel Culture, die es laut der Kritiker an dem Begriff gar nicht gibt. Für sie ist der Begriff ein Narrativ sogenannter Rechter, um einen verschrobenen Freiheitsbegriff zu proklamieren. Die Wahrheit ist aber, das übersehen die wohl situierten Kritiker in den Redaktionsstuben, dass eine Kultur des Mundtotmachens fremder Standpunkte die Pluralität der Meinungen einschränkt. Wenn Sarrazin sein Buch nicht vorstellen kann, weil Antifanten dies zu verhindern wissen, oder Bernd Lucke von einer Horde von Wahnsinnigen niedergebrüllt wird, eine Mozart Oper nicht aufgeführt wird, weil unter anderem Mohammed geköpft wird, oder, oder, oder, kann das nicht im Sinne der freien Meinungsäußerung sein. Cancle Culture betrifft übrigens auch linke Aktivisten. Wenn „Feine Sahne Fischfilet“ bedroht wird und Probleme hat, aufzutreten, dann ist das ebenso zu verurteilen.

Cancel Culture ist keinesfalls links, geschweige denn rechts. Sie kennt keine Richtung, außer die der Beschneidung der Freiheit. Nichts anderes machte Mc Carthy in der nach ihm benannten Ära der Hatz auf alles, was irgendwie kommunistisch sein könnte. Zum Beispiel wurde der Atomphysiker Robert Oppenheimer von der US-amerikanischen Atombehörde entlassen, schlicht weil er den Herrschenden zu links war. Auch vor der Kunst machte die Rechte in den Staaten nicht halt. 151 Namen umfasste die schwarze Liste, darunter Drehbuchautoren, Schauspieler und Filmemacher, denen Mc Carthys Schergen zu weit nach links abbogen. Die Listung kam eines Berufsverbotes gleich. Sie waren unter in ihrem Metier gebrandmarkt und keiner wollte sie mehr beschäftigen, aus Angst, selbst gelistet zu werden. Es handelte sich hier um Kontaktschuld der brutalsten Art.

Ansichten sind durch unliebsamen Menschen kontaminiert

Die Zeiten haben sich gottlob gewandelt. Heute ist es eher ungewöhnlich, als Vertreter der Kunst- und Kulturszene keine linken Überzeugungen zu vertreten, was auch im Prinzip kein Problem ist. Es wird erst dann zu einem, wenn sich ein Antiliberalismus etabliert, der zwar nicht, wie im Falle McCarthy von oben angeordnet ist, jedoch trotzdem nicht weniger wirkt. Impliziter kommt sie daher, die neue Cancle Culture, raffinierter, wenn auch nur auf den ersten Blick. Denn schaut man ein wenig genauer hin, ist die Haltung hinter der Zensoren die gleiche, wie die von McCarthy und Konsorten: „Wir wollen euch nicht. Wir wollen eure Meinung nicht ertragen. Hier ist nur Platz für uns.“ Dieses inzestuöse Verhalten, was die Pluralität von Meinungen angeht, wird absolutistisch und gefährlich. Denn nur in der Kontroverse liegt die Chance auf Erkenntnis.

Daher halte ich den Aufruf Appell für freie Debattenräume vom Milosz Matuschek und Gunnar Kaiser für so unfassbar wichtig. Menschen wie Hamed Abdel Samad, Gunther Wallraff, Vince Ebert oder Prof. Susanne Schröter, letztere, wie viele Unterzeichner selbst von Cancle Culture bedroht, gehörten zu den Ersten, die ihre virtuelle Unterschrift setzten. Menschen aller politischen Coloeur, die eines gemeinsam haben: Sie sorgen sich um die freie Rede in Deutschland.

Übrigens: Die Recherchen der Süddeutschen zu dem Appell, der in diesem schrecklichen Artikel mündete, führten zu einem weiteren Beispiel von Cancle Culture. Der Kulturschaffende Alexander Kluge zog seine Unterschrift zurück, nachdem ihm die Zeitung mitteilte, wer da noch so alles unterschrieben hatte. Genau von diesem Mechanismus lebt die Cancle Culture: Es ist nicht wichtig, was man sagt. Wichtig ist, welche Personen es noch sagen. Es kann sein, dass ein Rechter einmal etwas Vernünftiges sagt oder sich für etwas Unverfängliches, ja sogar Positives einsetzt. Und jetzt? Ist die vernünftige Sache nun kontaminiert, weil er eine selbst ernannte persona non grata sich ebenfalls um diese Sache schert? Und vor allem: Wer entscheidet das?

Ohne freie Rede kann die Würde des Menschen einpacken

Der Autoritarismus beginnt zu sprießen, wenn Selbstverständlichkeiten aufgegeben werden. Eine davon in der liberalen Gesellschaft ist die Pluralität der Argumente. Doch Linke können noch so laut ihre selbstkreierte Vielfalt beschwören Wenn diese da endet, wo ihre eigenen Ansichten enden, ist sie wertlos. Dann wird der bunte Regenbogen zu einem entsättigten Strahl, bei dem der eine Grauton wie der andere aussieht. So verspießt, so fad, ganz ohne Erkenntnis und ganz und gar ohne Chance auf Mehrwert in Diskussionen, geht es bei vielen Zensoren zu. Das sind die, die behaupten, es gäbe keine Cancle Culture. In Wahrheit „canclen“ sie, bis der Doktor kommt, weil sie genau wissen: Sie haben den Mainstream auf ihrer Seite. Ihnen ist klar, dass sie vom Absetzen fremder Meinungen profitieren, was logisch ist. Denn in dem Moment wird ihre, in der Regel völlig unmaßgebliche Sicht der Dinge, exklusiv. Im „Schuhladen des einen Schuhs“ ist selbst der Gesundheitslatschen der heiße Scheiß.

Die Ironie meiner „Cancel Culture Erfahrung“ ist, dass ein Auslöser ein Kommentar von mir war, der Die Einsamkeit der Zweifler hieß. Ein klein wenig allein fühlt man sich dann doch. Es hört aber schnell wieder auf, wenn man weiß, dass es viele andere gibt, für die freie Rede noch etwas bedeutet und ein Wert an sich darstellt. Denn genau das ist sie. Dieses ganze Gerede von Verfassungspatriotismus ist nicht eine Mark wert, wenn die Meimungsfreiheit mit Füßen getreten wird. Dann kann die Würdes des Menschen einpacken.

Die Würde der freien Rede ist absolut. Sie ist radikal. Sie kann verzeihen und sich zurücknehmen. Sie ist aber immer da, selbst wenn sie keine Rolle spielt. Denn am Ende geht es um Bekanntschaften, um Liebe und lange Abende mit stehengelassenen Weinflaschen.

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Corona und die Lust am absoluten Gehorsam

Von Julian Marius Plutz.

Ich hatte mich schon gewundert, wie lange gedauert hat. Nun, am 09.09.2020 ist es so weit. Ein externer Mitarbeiter von uns muss 14 Tage in Quarantäne, weil irgendein Hansel in seinem Wohnheim, er ist in einer dieser Flüchtlingsunterkünfte zu Hause, auf Covid-19 positiv getestet wurde. Traumschön. Zwei Wochen wird er nicht arbeiten können. Wenigstens zwei Wochen, sagte mir die Dame von der „Corona Hotline“. Denn es könne sein, dass sich die Tests der Kontaktpersonen verzögern könnte, je mehr Kontakt sie hatten und man die Kette vollends nachvollziehen könnte.

Per Knopfdruck wird Geld vernichtet

Immer wieder in den letzten Wochen erhielte ich Mails mit hoher Priorität, ob wir Mitarbeiter in der Unterkunft X oder Y hätten, denn dort wurde einer positiv auf Corona getestet. Dass es eine Frage der Zeit ist, wenn unsere Niederlassung betroffen sein wird, wussten wir. In ohnehin wirtschaftlich bescheidenden Zeiten belastet das das Betriebsergebnis zusätzlich. Und es ist unklar, inwieweit wir den Lohn, den wir zunächst fortzahlen müssen, zurückerstattet bekommen. Bürokratie ist vorprogrammiert und im Falle eines Ablehnens des Antrags, da können Sie sich sicher sein, wird der Klageweg bestritten.

Denn das Problem ist, dass der Mitarbeiter in Quarantäne de jure arbeitsunfähig ist. Sprich: Homeoffice ist in der Produktion ein schwieriges Unterfangen. Daher werden wir ihn weiter beschäftigen und bekommen vom Kunden kein Geld, was den Cashflow minimiert. Natürlich werden wir alles daransetzen, dass wir unser Geld zurückbekommen. Denn es ist nicht unser Verschulden, wir wollten keine Quarantäne und wir haben sie auch nicht veranlasst. Der Mitarbeiter ist de facto arbeitsfähig, sitzt zu Hause, weil ein Mächtiger auf einen Knopf drückt. Bin ich der einzige, der das gruselig findet? Die Kündigungsfrist beträgt, der Mitarbeiter ist noch neu, wesentlich weniger als 14 Tagen. Wir könnten ihn kündigen und in 14 Tagen wiedereinstellen oder ersetzen. Was wir nicht tun, aber seien Sie sich sicher, dass dies andere Unternehmen handhaben. Weil sie es können. Weil der Staat ihnen den Anreiz dazu gibt.

Kaum ein jemand scheint sich darum zu scheren. In meinem Umfeld nicken die Menschen in einem absurden Devotismus die herrschaftlichen Entscheidungen ab. So servil, so unterwürfig der Deutsche gerne „den Asiaten“ beschreibt, so servil und unterwürfig gibt er sich. Ein ehemaliger Kollege hat einen thailändischen Partner. Im Februar kam er nach Deutschland zurück. Also hat er beide Länder erlebt, wie sie mit dem Virus umgegangen sind. Schon in den ersten Wochen nach den harten Maßnahmen im März war er konsterniert, ob des Obrigkeitsdenken der Deutschen, die seiner Meinung wesentlich ausgeprägter ist, als in Thailand. Ich kann das nicht beurteilen, aber ich sehe, wie die Lust am gelenkt werden steigt. Citius, altius, fortius, als gäbe es kein Morgen mehr.

Das Amt hat immer recht

Was in der DDR die Partei war, ist beim Gesamtdeutschen das Amt. Es hat immer recht. Masken für Kinder im Unterricht? Machen wir. Keine Masken für Lehrer und keine Masken im Bundestag. Geht klar! Masken im leeren Zugabteil über Stunden? Ist eben angeordnet! Maske auf dem menschenleeren Provinzbahnhof? Ist einfach so. Vor einiger Zeit sah ich eine ältere Dame mit zwei Einkaufstüten erschöpft aus dem Zug aussteigen. In Steinach (o.d.Tauber) stieg mit ihr noch mehrere Meter entfernt eine weitere Person aus. Außer Atem setzte sie die Maske ab, die sie natürlich im wenig befüllten Zug getragen hatte. In dem Moment ertönt die Durchsage, man soll sich doch bitte an die „Hygieneregeln“, also das Tragen von Mund und Nasenschutz, halten. Erschrocken setzte sie die Maske wieder auf. Das haben wir uns verdient, soweit haben wir es gebracht, dass Oma Hilde sich das Atmen nimmt, weil es eine Autorität befohlen hat.

Dabei ist die Datenlage unklar: Diese Metaanalyse kommt zum Ergebnis, dass das Verhüten von Viruserkrankungen mit Gesichtsmasken nicht nachweisbar ist. Die Uni Tübingen kommt zum Schluss, dass die Wirksamkeit von Mund-und Nasenschutz nicht belegt ist, während Ärzte vor den gesundheitlichen Folgen warnen. Auf KaiserTV finden sie eine erstaunliche Zahl von unbedenklichen Quellen, die die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen anzweifeln.

Sie handeln, weil es ihnen jemand gesagt hat

Doch wir handeln danach. Ich nehme mich da auch nicht aus. Aufgrund der ganzen, völlig überzogenen Panik im März von Politik, RKI und besondere Virologen war ich auf der Hut. Ich erinnere mich an eine im Nachhinein völlig absurde Diskussion mit meiner Mutter. Wenige Tage vor dem bayrischen Lockdown unterhielten wir uns, wie es sich mit dem Joggen im Wald verhielte. Als noch nicht ganz klar war, wie hart die Maßnahmen sein werden, war ich der Meinung, dass meine Mutter natürlich nicht joggen dürfe, wenn das der Staat anordnet. Und dass obwohl es wohl kaum einen Ort gibt, an dem das Risiko einer Infektion von Corona geringer ist, als im Wald auf dem Land. Im Nachgang empfinde ich meine Haltung als peinlich unreflektiert. Es hat einfach jemand gesagt und nun wird es dann auch gemacht.

Unter dem Hintergrund der Lust am Gehorsam war das dritte Reich nur folgerichtig. Der Deutsche mag nun mal die Autorität. Freiheit im Geist und Handeln bürgen auch immer die Gefahr, für etwas verantwortlich gemacht zu werden. Also überlässt man dies einer zentralen Intelligenz, die angeblich viel besser weiß, was das Individuum will und braucht. Die Nürnberger Prozesse empfehlen sich als beeindruckende Studie in das servile Es des Deutschen. Gerade der Prozess Oberkommando der Wehrmacht zeigt, wie erschreckend banal die Soldaten argumentierten und sich stets auf ihre Pflicht zur Gehorsamkeit beriefen, die schlimmsten Grausamkeiten ausgeführt zu haben. Befehle seien auszuführen und nicht zu hinterfragen.

Doch nicht nur die Wehrmacht, der wegen ihres Status als Militär ein hohes Maß an Gehorsamkeit unterstellt werden muss, zeigte, wie entmenschlicht sie handelte. Auch der Bürger von nebenan, der seine jüdischen Nachbarn erst verriet und dann vermisste, handelte, weil es ihm ein jemand gesagt hat, so zu handeln. Und der Elektriker bei Landsberg, der die Leitungen in diesem merkwürdig anmutenden Lager in Keufering reparierte, hatte auch keinen Schimmer, warum die Leute allzu dürr waren. Er machte das so, weil ihm jemand gesagt hat, so zu handeln. Es scheint, dass sich das deutsche Volk vorzüglich dafür eignet, Diktatoren zu verfallen. Früher waren sie plump, rassistisch und laut. Heute sind sie Demokraten und werden wiedergewählt. Sie sind schlau, humorvoll und väterlich. In einer intellektuellen Massensuggestion, die auf dem zweiten Blick gar nicht mal so intellektuell daherkommt, schaffen sie es, das Volk für sich zu gewinnen und sich als Meister der Maßnahmen, als Retter der Menschheit zu gerieren. Die Freiheit hat derweil Urlaub.

Der Deutsche bückt sich vor der Macht

Mir bereitet diese Lust am Devotismus Sorgen. Ja. Ich hätte nicht für möglich gehalten, wie bereitwillig die Menschen alle möglichen Maßnahmen nicht nur akzeptieren, sie auch noch aktiv bei anderen versuchen, durchzudrücken. Eine Minute keine Maske in einem Supermarkt und Sie werden behandelt, als litten sie unter der offenen Tuberkulose. Dabei gibt es, vergleichen Sie Gunnar Kaisers Linksammlung keine eindeutige Datenbasis, ob die Maske hilft, oder nichts bringt. Dass sie bestimmten Gruppen schadet, dass sie zu Ausgrenzung führt, wie bei Gehörlosen oder bei Menschen mit Problemen mit der Sprache, ist bekannt. Und wenn es wahr ist, was Peter Hitchens, der Bruder des grandiosen, leider verstorbenen Christopher Hitchens twitterte, dass die WHO die Maskenpflicht nicht aus wissenschaftlicher Sicht befürwortet, sondern aus politischer, dann ist sie exakt das, was viele Autoren schon viel früher vermuteten: Der neue Gesslerhut.

Inzwischen, immer noch der 9.9., hat sich noch ein weiterer Quarantänefall eines Geschäftspartners der gleichen Branche gemeldet. 14 Tage Quarantäne. 14 Tage kein Geld verdient. Doch was bei uns bloß, aber immerhin, Geld vernichtet, vernichtet bei anderen das Vertrauen in den Staat. Viele schließen sich sodann kruden Demonstrationen an, weil sie keine anderen Möglichkeiten sehen, ihre Meinung zu artikulieren. Abweichende Sichtweisen in die Schmuddecke zu drängen, unliebsame Bekanntheiten auszuladen, ist das nicht mehr ganz so neue Spiel des Mainstreams. Und die Lust am Bücken der Deutschen macht es den Politikern leicht. Wie schrieb Thomas Mann so treffend:

„Euer Gehorsam ist grenzenlos, und er wird, daß ich es euch nur sage, von Tag zu Tag unverzeihlicher.“

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Das Leiden um die zwei Maße – Connewitz und die Corona Demos

Von Julian Marius Plutz.

Ab und an und gar nicht mal selten steuere ich in diesem Internet die taz an. Ja. Und ab und zu, jedoch deutlich seltener, finde ich dort Artikel, die mir zusagen. Den hier zum Beispiel, vom Frederik Schindler. Und auch dieser Gastbeitrag von Ahmad Mansour hat mir sehr gut gefallen. Immer wieder publiziert das linke Flaggschiff Perlen, die es verdient haben, gelesen zu werden.


Und dann gibt es zahllose Beiträge wie dieser von Sarah Ulrich. Die Dame ist Journalistin und Moderatorin so wie freie Reporterin. Ihre Schwerpunkte sind „soziale Bewegungen, Rassismus, rechte Gewalt, feministische Themen und modernen Formen der Kultur“. So weit die Selbstbeschreibung in der taz. Das und dass sie aus Leipzig ist genügt der Gazette, über die „Krawalle“ im Stadtteil Connewitz zu schreiben. Ok. Dort, wo Nacht für Nacht die Flammen stehen und steigen, Polizisten wie Untermenschen behandelt werden und, man denkt es geht nicht tiefer, unbeteiligte Wehrlose angegriffen werden. Sarah Ulrich befasst sich laut der Beschreibung ihrer Zeitung mit „rechter Gewalt“, jedoch nicht mit „linker“, was man den Artikel auch anmerkt. Warum sie jenseits ihrer vermeintlichen Expertise schreibt, bleibt im Verborgenen. Vielleicht handelt es sich ja bei den Exzessen um „Moderne Form der Kultur“.

Aber zurück zu ihrem Text. Im Aufreißer steht, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeige für „rechte Demos“ Verständnis, worunter die Journalisten die sogenannten Anti-Corona Demos meint. Ein wenig darunter im ersten Absatz liest man dann, etwas differenzierter immerhin, unter den Demos seien lediglich „zahlreiche“ Rechtsradikale. Es ist das alte Spiel des bewusst ungenauen Formulieren. Die Autorin weiß es nicht oder möchte keinen Unterschied zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“ kennen; ich glaube, es scheint sie nicht zu interessieren. Alles Nazi, alles schlecht.

Es geht nicht um rechts, es geht um links

Sie schreibt auch nicht über „rechtsextreme Gewalt“, sondern über „rechte Gewalt“. Gut, werden Sie sagen, Spitzfindigkeiten, meinetwegen. Ich bin auch eher für „rechte Gewalt“, nicht zuletzt, weil Gewalt immer extrem ist. Dann aber bitte gleiches Recht für alle: Neben der linken Gewalt sollte es selbstverständlich sein, über „islamischen Terrorismus“ zu sprechen, statt über „islamistischen“ Terrorismus. Ich habe die Unterscheidung nie verstanden. Diese merkwürdige Semantik finden Sie weder, wenn es um es um den Hinduismus, noch um den Katholizismus geht, noch sonst wo, wenn Religionen zum Glaubenskrieg aufrufen.

Nachdem also die „Corona-Leugner“ Demonstrationen, ein unfassbar unverschämtes Wort nebenbei, als „rechte“ Veranstaltung beschrieben wird, um sich wenig später als Versammlungen zu enpuppen, bei denen „zahlreiche Rechtsextreme“ zugegen war, freilich ohne Zahlen zu nennen, macht die taz Journalisten genau das, was Linke mir und anderen immer wieder vorwerfen: Sie vergleicht links mit rechts. Konkreter vergleicht sie die Corona-Demos, die angeblich rechts seien, mit den Straßenschlachten linker Protestler in Connewitz. Wenn, so die These von Frau Ulrich, der Ministerpräsident sich mit den „Coronaskeptikern“ treffe, dann hat er das auch mit den Steinwerfern von Leipzig so zu handhaben. Das kann man so sehen. Kretschmer kann sich meinetwegen auch mit dem Team der Sachsenklinik treffen. So weit, so belanglos.

Mit Terroristen redet man nicht

Die Parallele jedoch bleibt irre. Die Teilnehmer dieser Corona Demos sind divers. Unter den Teilnehmer befinden sich Verschwörungstheoretiker, krude Althippies, Impf- und, Kapitalismusgegner sowie Rechtsextremisten. Es laufen jedoch auch Menschen mit, denen die Maßnahmen der Regierung schlicht zu weit gehen und keine andere Chance sehen, sich zu artikulieren.

Während bei den Connewitz Veranstaltungen die Gewalt zur Regel gehört, ist sie bei den Corona Demos die Ausnahme. Seit dem 3.9. gibt es in Connewitz nicht eine Nacht ohne Gewalt. Von ntv berichtet auch die Leipziger Volkszeitung, die Tagesschau und viele andere Medien über die Ausschreitungen.

Es ist erstaunlich, dass Sarah Ulrich beides gleichsetzt. Was sollte Kretschmer mit den linken Demonstranten reden? Dass in Deutschland Eigentumsrechte geschützt werden? Dass man nicht in Häusern campiert, die einem nicht gehören? Diese Erkenntnis gehört zum Einmaleins des zivilisatorischen Zusammenlebens. Erste Berührungspunkte erfährt man bereits im Kindesalter.

Oder soll sich der Ministerpräsident mit denjenigen auseinander setzen, die mit Bengalos auf Polizisten schießen? Auch in diesen Fällen werden die rudimentärsten Vereinbarungen in einer Gesellschaft verletzt. Was für ein Sinn sollte eine Gespräch mit diesen Leuten machen? Frau Ulrich möchte, so verstehe ich ihren Artikel, dass sich die Politik mit den Problemen des Mietmarktes befasst. Okay. Aber reden, auch wenn der Volksmund es anders sagt, ist nicht immer gut. Reden kann manchmal völlig sinnentleert sein. Denn die Forderungen der Linken, die Malaise des Wohnungsmarkt zu heilen, sind in Theorie und Praxis längst ad acta gelegt.

Theoretisch bewies spätestens in einer beeindruckenden Anschaulichkeit der Ökonom Gregory Mankiw, warum Höchstpreise denklogisch zu einer Erhöhung der Nachfrage und einer Senkung des Angebots führen. Gerade beim Wohunungsmarkt ist die Sachlage eindeutig: Häuser werden nach Einführung von Höchstmieten nicht mehr renoviert, neue Grundstücke gar nicht erst erschlossen und Eigentümer ziehen, weil der Preis für die Miete eingefroren ist, im Zweifel in ihre eigenen Wohnungen, die sie ansonsten vermietet hätten.

Der Sozialismus ist widerlegt

Zur selben Zeit steigt aufgrund des künstlich gering gehaltenen Preis der Anreiz für (noch-)Nichteinwohner einer Großstadt in eben diese zu ziehen. Diese schafft brenzliche Situationen und, oh Wunder, wird subito nach dem Staat gerufen, der sich genötigt fühlt, mit subventionierten Bauten die Situation scheinbar zu entlasten. Dies weckt wiederum neue Begehrlichkeiten und die Investitionspirale nimmt ihren Gang.

In Berlin hat sich dieses Experiment als katastrophal herausgestellt. Um 25% brach das Angebot binnen eines Jahres an Mietwohnen in der Haupstadt ein. Gleichzeitig erhöhten sich die Schattenmieten, teilweise um das Doppelte der Deckelmiete. Das alles könnte Kretschmar den Demonstranten in einem Gespräch erzählen. Eine Möglichkeit. Alternativ könnte auch Frau Ulrich in der taz das Thema aufgreifen und das ewige Scheitern der Höchstpreise aufschreiben. Für ihre Leser, der eine oder andere dürfte gerade in Connewitz sein. Die Debatte um das Thema Mieten und Deckelung dessen macht, der haarsträubender Bilanz zum Trotz, ein altes Problem deutlich: Zwar ist der Sozialismus empirisch, so wie historisch widerlegt. Emotional lebt er weiter und freut sich steter Beliebtheit; aller Fakten zum Trotz. Der Mietendeckel und die Mietpreisbremse sind hierführ beeindruckende Beispiele. Noch niemals funktioniert, aber immer wieder versucht.

Die Gewalt in Connewitz könnte in den nächsten Tagen weitergehen. Zu verlockend und zu einfach scheint es zu sein, das Feuerwerk auf Polizisten zu richten. Oder auf Autos. Eigentum bedeutet dem Sozialisten nichts, es sei denn, es gehört einem Anderen. Dann wird es entweder weggenommen, oder zerstört. Sarah Ulrich dürfte das alles egal sein. Für sie muss Kretschmer mit allen reden. Außer mit denen, die eine Meinung jenseits der taz vertreten.

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Der tiefe Fall der Grand Old Party

von Florian Leeb.

Die Vereinigten Staaten von Amerika übten auf mich, wie auf so viele andere, schon immer eine magische Anziehungskraft aus. Als Fanal der Freiheit, Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ist es für mich als Liberal-konservativen, Vorbild. Doch seit dem Aufstieg Donald Trumps verbinde ich noch ein weiteres Gefühl mit dem Land – eine seichte Melancholie. Niemand hat dieses ambivalente Verhältnis zur politischen Landschaft des Landes so schön eingefangen wie Leonard Cohen in seinem Song ‚Democracy‘. Die amerikanische Demokratie, die so stark mit dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten verbunden scheint, ist Produkt des Außergewöhnlichen genauso wie des Alltäglichen.

Sie speist sich aus den Errungenschaften von Freiheitskämpfern, die für sie gestorben sind und ebenso aus scheinbar banalen Geschlechterkonflikten innerhalb einer Ehe. Erst wenn sich das Symbolische mit dem Banalen verbindet, ist Demokratie möglich. Kaum etwas ist so bewegt, wie die Geschichte der amerikanischen Demokratie, im Positiven wie im Negativen. Nicht selten nahmen die USA politische Entwicklungen vorweg, die ein paar Jahre später auch in Deutschland Einzug fanden. Allein deshalb ist der Blick über den Atlantik sinnvoll, um die Zukunft des deutschen Konservatismus abzusehen.

Obama als logische Folge

Seitdem ich mich politisch engagiere, schaue ich auch auf die politische Lage der USA. Als CSU-Mitglied eignete die republikanische Partei (GOP) als Vorbild – zumindest dachte ich das zunächst. Tatsächlich bin ich über die Jahre von einem anfänglichen GOP-Sympathisanten zu einem überzeugten Anhänger der Demokraten geworden. Ich lernte die GOP kurz nach der Wahl Barack Obamas inmitten einer Sinnkrise kennen, die sie bis heute nicht überwunden hat. Die Wahlniederlage 2008 war bereits durch die Midterms 2006 absehbar; die Menschen waren mit der Politik G.W. Bushs unzufrieden und so gewannen die damals oppositionellen Demokraten sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat. Der GOP gelang es nicht, im darauffolgenden Präsidentschaftswahlkampf 2008 den schwierigen Spagat zwischen Mobilisierung der Bush-Unterstützer aber gleichzeitiger Distanzierung zur Gewinnung der Bush-Kritiker mit ihrem Kandidaten, dem langjährigen Senator aus Arizona, dem großen John McCain schaffen sollte.

So war die Wahl Barack Obamas 2008 logische Folge und eigentlich keine Überraschung. Doch in der GOP machte sich eine Wut über die verlorene Wahl breit; die Schmach der Niederlage, das Gefühl das Land an die Sozialisten zu verlieren, aber auch gegenüber dem eigenen Kandidaten, der es nicht zugelassen hatte, dass eine seiner Unterstützerinnen Obama als Muslim und Terroristen bezeichnete. Doch sie verwechselten Anstand mit Schwäche. Aus der Sicht vieler Republikaner hatte McCain das Land für abstrakte Werte wie Ehre und absolute Fairness verraten. So hatten doch verschiedene republikanische Politiker in ihren Auftritten bei Fox News immer wieder klargemacht, dass Obama die USA in eine sozialistische Dystopie führen werde. Und wie wichtig ist Fairness, wenn die eigene Freiheit auf dem Spiel steht? Tatsächlich konnten die Republikaner mit der Strategie, den politischen Gegner zu dämonisieren, eine verlässliche Anzahl an Unterstützern an die Wahlurne bringen.

Der Aufstieg der Tea Party

Doch gleichzeitig waren dadurch Kompromisse mit dem politischen Gegner kaum noch zu rechtfertigen. So begann der Aufstieg des Populismus in der GOP. Politische Grundüberzeugungen wie der Fiskalkonservatismus, christlicher Werte jenseits irgendwelcher Dogmen und eine interventionistische Außenpolitik, die jedem Diktator schlaflose Nächte bereitete, wurden ersetzt durch platten Protektionismus, Isolationismus und zunehmend auch Rechtspopulismus. Doch ist so eine Entwicklung auch im bürgerlichen Lager der Bundesrepublik denkbar?

Aus der Wut über die Niederlage John McCains bei der Präsidentschaftswahl 2008 gewann der rechtskonservative Flügel der GOP, die sich als Teaparty-Bewegung innerhalb der Partei organisiert hatten, zunehmend die Oberhand. Sie übten massiv Druck auf die Mandatsträger der GOP in Repräsentantenhaus und Senat auf, um sie zur Fundamentalopposition gegenüber den Demokraten zu zwingen. Wer dem nicht zu folgen bereit war, musste bei der¡ nächsten Vorwahl mit einem finanziell gut ausgestatteten Gegenkandidaten auf Tea-Party-Linie rechnen. Dass die Strategie der Polarisierung einen großen Vorteil und einen noch größeren Nachteil hat, zeigten die Midterms 2010 und die Präsidentschaftswahl 2012 exemplarisch.

Der Tea-Party-Bewegung gelang es besonders gut, die Kernwählerschaft der GOP zu mobilisieren. Da sich der Enthusiasmus auf demokratischer Seite gelegt hatte, gelang der GOP bei den ersten Midterms nach der Wahl Brack Obamas ein überwältigender Sieg. Das Repräsentantenhaus wurde zurückgewonnen, die Mehrheit der Demokraten im Senat deutlich verkleinert und zahlreiche Staaten wählten republikanische Gouverneure – die Tea-Party-Bewegung erreichte ihren vorläufigen Zenit. Letzteres war besonders wichtig, weil es der GOP ermöglichte, in vielen Staaten die Wahlkreise zu ihrem Vorteil zu zeichnen, was man Gerrymandering nennt. Andererseits gingen bei der Präsidentschaftswahl 2012 wieder zahlreiche Anhänger Obamas zur Wahl, sodass er diese klar gewann. Der größte Nachteil der erzwungenen Empörung zeigte sich im Senat.

Der Hoffnung der GOP, den Senat zu erobern, wurde bereits früh am Abend ein Ende gesetzt, als in mehreren verlässlich republikanisch wählende Staaten Demokraten teils überraschende Siege einfuhren. So schaffte es die Demokratin Claire McCaskill in Missouri ihren Sitz zu verteidigen, da ihr Rechtsaußen-Gegenkandidat sich mit Aussagen über legitime Vergewaltigung ins Abseits befördert hatte. Noch überraschender aber war der Sieg des Demokraten Joe Donnely, der sich in Indiana durchsetzte. Hier hatte ein Tea-Party-Mitglied den langjährigen republikanischen Senator in der Vorwahl besiegt, der vielen in der Partei als zu kompromissbereit galt. Auch er machte unglückliche Aussagen zum Thema Vergewaltigung und Abtreibung und schenkte dadurch den Demokraten einen eigentlich sicheren Senatssitz.

Die beiden Beispiele zeigen, dass die Polarisierungsstrategie zwar eine effektive Mobilisierung eigener Wählerschichten ermöglicht, aber die Partei dadurch weg von den Moderaten treibt, sodass langfristig die Demokraten die Mitte übernehmen können.

Der Trumpismus beginnt

Die vollständige Transformation der GOP begann allerdings erst 2015, als sich ein NewYorker Geschäftsmann um die republikanische Nominierung zur Präsidentschaftswahl 2016 bewarb. Mit dem Aufstieg Donald Trump zum Favoriten in der republikanischen Vorwahl brachen immer mehr Hemmschwellen. In den Debatten der republikanischen Bewerber griff Trump Konkurrenten wie Jeb Bush und CarlyFiorina persönlich aufgrund ihres Auftretens bzw. ihres Aussehens an – der Diskurs wurde rauer. Mit dieser Strategie überzeugte er viele Republikaner, die sein scheinbar erfrischend offenes Auftreten, das sich so radikal von dem seiner Mitbewerber unterschied, schätzten. Und so gelang es ihm letztendlich auch die republikanische Vorwahl für sich zu entscheiden. Doch gewinnen konnte Trump die Präsidentschaftswahl mit dieser Strategie allein nicht.

Was ihm den Sieg stattdessen brachte, war die Überheblichkeit seiner Gegner, die ihn von Anfang an unterschätzten. Zunächst begann dies innerhalb der republikanischen Partei. Als Trump sich einer Debatte bei Fox News verweigerte, löste die Erwähnung seines Namens Gelächter im Saal aus. Niemand konnte sich vorstellen, dass ein Außenseiter wie Trump die Vorwahl gewinnen konnte. Deshalb wurde er von seinen Konkurrenten zu spät und zu zaghaft gestellt. Durch diesen Hochmut konnte Trump mit seinem Wahlkampf aus Angstmache, Verachtung und Populismus die GOP kapern.

Doch erst der verkorkste Wahlkampf der demokratischen Partei ermöglichte Trump den Wahlsieg. Dass Bernie Sanders, damals ein eher unbekannter Senator aus Vermont, der nicht einmal Mitglied der demokratischen Partei war, mehr als beachtliche Ergebnisse einfuhr, hätte bei den Demokraten alle Alarmglocken klingeln lassen müssen. Die Wähler lehnten Hillary Clinton ab, doch die Demokraten waren zu arrogant, um das zu erkennen. Anstatt einen integrativen Wahlkampf zu führen, kündigte Clinton an Bergarbeiter arbeitslos zu machen, ignorierte die Gewerkschaften u.a. in Michigan und als bei der Democratic National Convention ein Anti-Trump Republikaner auftrat, wurde er ausgebuht. All diese Fehler brachten Trump am Ende einen hauchdünnen Sieg – doch wird ihm diese Politik auch die Wiederwahl bescheren? Die Antwort darauf wird auch von der Leistung seines Gegenkandidaten Joe Biden abhängen. Doch welche Lehren sollten deutsche Konservative daraus ziehen?

Für einen Konservatismus mit Zukunft

Eine Partei, die sich als Volkspartei sieht muss jedoch für alle Bevölkerungsgruppen und ihre Interessen ein politisches Angebot machen. Ihr Programm muss sowohl einem älteren Mann, der in einer ländlichen Region lebt, helfen als auch einer jungen Studentin, die seit ihrer Geburt in einer Großstadt lebt. Das unterscheidet eine Volkspartei wie die Union von Klientelparteien wie FDP und Grünen. In den USA dagegen wurde sich vor allem bei der letzten Wahl nur auf die Mobilisierung der eigenen Kernwählerschaft konzentriert. Dies führte zu einem weiteren Anstieg der Polarisierung des politischen Systems. 

Unser body politic dagegen fördert den Kompromiss und Ausgleich. Das ist eine große Stärke, denn man kann den Wert und die Macht eines Kompromisses gar nicht überschätzen, denn durch sie kann die lähmende Kraft der ewigen Konfrontation und des Stillstands, in Produktivität und Fortschritt umgewandelt werden. Sie führen auch zu einem Zugewinn an Vertrauen zwischen unterschiedlichen politischen Lagern und ermöglichen so stabilere Koalitionen. Politiker sind des Weiteren auch immer Vorbild, es ist daher umso wichtiger, nicht der Verlockung des amerikanischen Wegs zu folgen und die andere Seite zu verteufeln und mit Schmutz zu bewerfen. Denn dies würde durch die Parteien bis in die kleinsten Ortsverbände durchsickern und das politische Klima so strak vergiften, dass unser System seine so essenziell wichtige Kompromissfähigkeit einbüßen würde.

Das Ziel unserer Parteien und Politiker muss daher sein, das besten Eigenschaften der eigenen Basis und Wählerschaft zu fördern – ein Beispiel wären neue kreative Ideen zur Lösung von politischen Konfliktfeldern – und nicht die schlechtesten Eigenschaften wie Neid und Hass zu wecken. In den USA sieht man das sowohl bei Trumps Hetztiraden auf Minderheiten, als auch bei denen der sogenannten Progressiven, die zum Beispiel in der diesjährigen demokratischen Vorwahl Joe Biden als dement und als zumindest potenziellen Vergewaltiger hinstellten, um ihrem Kandidaten Bernie Sanders einen Vorteil zu ermöglichen.

Der zweite Aspekt ist, dass man dringend zwischen konservativen und populistischen Positionen unterscheiden – und dabei eine klare Trennlinie ziehen muss. Die GOP hat diesen Moment verpasst und wurde dadurch immer stärker von Extremisten infiltriert. Das darf der Union nicht passieren. Entscheidend ist hierfür der Umgang mit der Alternative für Deutschland (AfD). Der naheliegendste Punkt ist die Vermeidung direkter und indirekter Zusammenarbeit. Weniger klar, aber dennoch wichtig ist es, die AfD nicht als Teil des bürgerlichen Lagers und damit legitimen Konkurrenten um die liberal-konservative Wählerschaft zu sehen. Der dritte Punkt betrifft die Art des Diskurses, der nicht von der AfD geprägt werden darf. Orwell stellte treffend fest: „Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken“. Es ist verführerisch gerade im Umgang mit dem politischen Gegner auf Bezeichnungen zurückzugreifen, die von der AfD geprägt wurden. Doch dadurch erhöht man die Legitimität der AfD jenseits ihrer Wahlergebnisse.

Der letzte Punkt ist ein Aufruf zu mehr Toleranz und Gelassenheit innerhalb der Partei. Nur weil es innerhalb der Partei unterschiedliche Strömungen gibt, sollte man nicht gleich jedem, der nicht auf der eigenen Linie ist, den Austritt nahelegen. Drei Strömungen der Union, die christlich-soziale, die liberale und die konservative zu haben kann ein großer Nachteil oder ein großer Vorteil sein. Sorgen wir dafür, dassweiterhin letzteres zutrifft. Dazu nötig ist wieder ein stärkeres Gefühl der Solidarität innerhalb der Partei.

Mit dem Aufhetzen von Menschen gegen den angeblichen deep state, gegen Migranten und andere Minderheiten kann man zwar eine feste Anhängerschaft an sich binden, mehrheitsfähig ist diese Politik jedoch nicht.

Das große Vorbild?

Die GOP entschied sich für den anderen Weg, sie implementierte populistische Forderungen in ihre Agenda und stellte vermehrt Kandidaten auf, die voll hinter der „America-First“-Ideologie Trumps stehen. Für moderate Republikaner war kein Platz mehr, sie wurden gezwungen sich der Trump-Ideologie unterzuordnen oder mussten mit finanziell gut ausgestatteten Vorwahl-Gegnern rechnen. Doch dieser Weg hat auch seinen Preis, die weiße Wählerschaft spaltet sich zunehmend in zwei Gruppen, solche ohne Collegeabschluss, die mehrheitlich die Trump-Ideologie unterstützen und solche, die einen Collegeabschluss haben, oft in Vorstädten leben und früher zum Großteil republikanisch gewählt haben. Die zweite Gruppe hat sich durch die Politik der letzten Jahre immer weiter von der Partei entfernt, sodass in dieser Gruppe die Demokraten inzwischen klar führen. Spaltung hat ihren Preis.

Aus diesem Grund schaue ich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf dieses große Land. Wie Cohen schrieb:

I’m sentimental if you know what I mean. Oh, I love the country but I can’t stand the scene”.

Die Vereinigten Staaten sind auch hier Vorbild im Guten, wie im Schlechten.

Florian Leeb ist 22 und Mitglied der CSU. Er wohnt in München und interessiert sich neben der Politik für Literatur und Tennis.