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Das Corona-Karstadt Problem

von Julian Marius Plutz

Für die gemeine Dorfpomeranze, auch Landei genannt, gibt es nichts schöneres, als Samstag in die nächste Großstadt zu tingeln und sich beim sogenannten Shoppen, also Einkaufen und nicht Wein trinken, die Beine in den Bauch zu laufen. Für den Bewohner in der Großstadt ist dies Verhalten so unerträglich wie unbegreiflich. So ist auch mir Landei, als ich nach Nürnberg zog, die Lust an der Innenstadt schnell vergangen. Es ist eng, es nervt und an jeder Ecke trifft man auf die Dorfpomeranzen, wie sie in „United Colors of Bennhatten“ Schaufenster gaffen, als hätten sie noch nie eine Hose gesehen.

Und so kam ich nicht umhin, eben in die Vergangenheit meines alten Ichs zu reisen – zum Landei. Und das nur, weil meine liebe Kollegin mich um einen Gefallen bat. Ob ich denn zum Karstadt gehen könne in der Stadt und ihr ein „Tonies“ zu kaufen. Für den Sohn. Der Tonies ist ein Hörspiel-Abspiel-Würfel für Kleinkinder. Bei Hörspiel wurde ich hellhörig, bin ich doch ein außerordentlicher Fan von Sherlock Holmes, Lennet, Drei ??? Und der Ding mehr. „Na klar“, sagte ich der Kollegin, deren Vorname einer fränkischen Rebsorte nicht unähnlich ist. Da sie zwar ebenfalls ein Landei ist, aber völlig verständlicherweise keine Lust hat auf die samstägliche Doofen-Liturgie, fragte sie den Julian. „Ich erledige das, Frau Bacchus!,“

Und so marschierte ich trotz eiserner Kälte und mit einem, da haben wir’s, Hörspiel im Ohr in Richtung Galeria Kaufhof Karstadt – nicht mehr – Quelle. Ein Mann von geschätzten 250 Lenzen raunte mich sodann gleich an: „Maske auf!“. Charmant. Und ja, man kann diesen Irrsinn nicht oft genug betonen: Bei 0 Grad und menschenarmer Innenstadt herrscht in der Wirkungsstätte vom Hans Sachs Maskenpflicht. Kein einziges menschliches Wesen näherte sich mir auf fünf Meter, wenn man diese altfränkische Mumie mit dem Zeigefinger einmal abzieht. Blöder wird’s nimmer mehr. Aber jede Zwang braucht einen Devoten, der ihn ausführt.

Also kramte ich eine Maske aus dem Mantel, die nach abgestandene Rauch roch. Da ja Rauchen der Corona gar nicht mag, war ich mir sicher: Zwar könnte ich ersticken, aber das Virus würde ich sicher nicht verbreiten. Traumschön. Angekommen im Einkaufsparadies stand ich vor einen dieser ellenlangen Informationstafeln. Problem: Meine Brille verwandelte sich in ein Milchglas-Nasenfahrrad. Durch den Atem beschlagen, nahm ich die Seehilfe ab, um festzustellen, dass ich ohne Brille kaum etwas entziffern konnte. Hastig versuchte ich, die Seehilfe mit meinem Schal zu reinigen. Schön verschmiert setzte ich das Gerät wieder auf meinen Riechkolben. Binnen 5 Sekunden war es wieder beschlagen. Also nahm ich die Brille wieder ab. Ich sah nun wieder nichts.

Nach 45 Minuten schließlich entschied ich mich, ohne Brille fortzufahren. Ja. Kennen Sie diese komischen Pixel-3D-Bilder noch, die man intensiv und 25 Sekunden zu betrachten hat und seine Augen dann langsam entfernen musste, damit statt Pixel sagenumwobene Dinge wie ein rosafarbenes Einhorn zum Vorschein kam? Ich sah ja bei diesem Riesenspaß niemals etwas, außer Pixelsalat. Und schwindelig wurde mir noch dazu.

So ungefähr versuchte ich, die Infotafel zu lesen, um zu erfahren, wo denn die Tonies Soundbox zu finden sei. Weder ein rosa Einhorn, noch den Tonie konnte ich jedoch erblicken. Wie denn auch, ich hatte ja keine Brille auf. Also irrte ich wie ein Wahnsinniger durch das Einkaufsparadies. Ich war bei den Uhren, beim Thermomix, bei der Gourmeabteilung. Ich stand vor dem Klo und vor einem Notausgang. Entzückt beobachtete ich maskierte Rentner in der Dessous Abteilung. Entrückt sah ich eine Jugendliche, die sich mit Nuttendiesel besprühte. Aber kein Tonies. Wo ist Tonie?

Die Mitarbeiter, sofern ich sie als Mitarbeiter identifizieren konnte, waren allesamt in Kundengesprächen. Ich will ja nicht stören. Also ging ich zu einer Kasse und stellte mich brav an, bis ich an der Reihe war.

„Ich suche den Toni!“ sagte ich der Kassierin.

„Ist das Ihr Sohn?“ fragte sie mich.

„ Nein, er ist ein Hörspielwürfel.“ antworte ich.

„Das Schweigen irritierte mich.

Ihr Sohn ist ein Hörspielwürfel?! “ fragte sie verdutzt.

Um sie nicht erschlagen zu müssen, atmete ich kurz durch. „Nein, ich suche den Tonies Hörspielwürfeldings. Wo gibt es die denn?“

„Also mit den Abteilungen kenne ich mich hier gar nicht aus“, entschuldigte sich die Mitarbeiterin von Galeria Karstadt, nicht mehr Quelle, dafür Kaufhof.

„Ach so.“ antwortete ich.

In dem Moment sprang ein noch kompetenterer Mitarbeiter ihr zu Hilfe.

„Tonies gibt es in der Spielzeugabteilung“. rief der Mann.

„Aha. Und wo ist die?“ fragte ich, nicht in Gänze abgeneigt.

„ In der Spielzeugabteilung“, antwortete der Mitarbeiter, wie aus der Pistole.

„Ja, danke, das erwähnten sie. Doch wo ist denn diese ominöse Abteilung?“ hakte ich in Manier eines investigativen Journalisten nach.

„ Im dritten Stock.“

„Danke.“

„Sie können auch den Fahrstuhl nehmen“, warf die nicht ganz so kompetente Mitarbeiterin ein, „ der ist….“

„Danke, ich nehme die Rolltreppen“, unterbrach ich sie. Ich finde den Lift doch eh nicht.

Ich muss dazu sagen, dass ich mit einem überaus unterentwickelten Orientierungssinn ausgestattet bin, was ich als familiär vorgeprägt bezeichnen möchte. So verlief ich mich bereits mit meiner Mutter in der Kleinstadt Iphofen, aber auch in der Kreisstadt Kitzingen. Erschwerend kommt hinzu, dass das elterliche Haus in nur wenigen Kilometer fern dieser Orte steht. Doch auch alleine schaffe ich es, mich zu verlieren. So suchte ich etwa zwei Stunden mein geparktes Auto in Fürth, bis ich bei der Polizei anrief und fragte, ob es nicht abgeschleppt worden ist. Kurzum: Es stand einfach ein paar Straßen weiter und wartete wacker auf den Halter.

Nach dem Aufstieg mithilfe der elektronischen Stufen stand ich endlich im korrekten Stockwerk. Ein Mitarbeiter plauschte mit einer einer Mitarbeiterin. Beide maskiert. Haben sie etwas zu verbergen? Ich unterbreche sie mit einem zarten „Entschuldigen Sie.“ Entschuldigung angenommen, „Ja, bitte?“

„Ja äh, ich suche den Tönnies. Äh, den Toni. Und der ist nicht mein Sohn, sondern eine Hörspielbox für Kleinkinder. Haben sie da was da?“

„Haben wir da und zwar fürwahr“, sagte der Mitarbeiter, der sich mit dem Satz bereits als ARTE Zuschauer zuerkennen gegeben hatte.

„Vortrefflich“, entgegnete ich dieser fleischgewordenen Höflichkeit. „Und wo finde ich dieses zauberhafte Stück technischen Fortschritts?“ Stand jetzt war ich seit zwei Stunden in dem Laden.

„ Nun, drehen Sie sich einmal um, Gnädigster, dort ist der Aufsteller“. Ach Herr je, das muss ich wohl übersehen haben. Ich nahm meine Brille aus dem Mantel und platzierte sie zwischen den Glotzern.

„Das muss ich wohl übersehen haben, danke. So, dann nehme ich die Starter Box in grün“, sagte ich dem intellektuellen Verkäufer.

„Da reiche ich sie doch an meine Kollegin weiter. Ich muss gehen. Auf Wiedersehen.“ Und noch ehe ich dem Entfleuchten und Entlauchten etwas erwidern konnte, war er weg und die Verkäuferin, also die, die soeben noch plauschte, war wieder da. Wie schön.

„Ich muss Ihnen sagen, dass wir keine Starter Paket grad da haben. Der Tonie hat Lieferschwierigkeiten“. Ja, und ich seh gar nix, weil beschlagene Brille. Aber hören, das geht.

Ich erspare Ihnen die Geschichte, die weitere 45 Minuten meines offenkundig völlig banalen Lebens in Anspruch nahm, als sie versuchte, den Tonie online zu bestellen – ohne Erfolg. Der Tonie ist ein rares Gerät und macht’s nicht mit jedem. Mit mir schon mal gleich gar nicht. Ich bin aber auch keine verblödete Hure, die mit jedem Tönnies ins Bett steigt. Der Sauerstoffgehalt in Verbindung mit Reste der Nikotin getränkten Maske hinterlässt Spuren. Ich werde wahnsinnig.

Beim hinausgehen lese ich das Schild bei Galeria Kaufstadt, ehemals Quelle, man solle nicht mehr als 222 Kunden in den Laden lassen. Wer auf die Zahl von 222 gekommen ist und wer die Zahl von 222 kontrolliert, wissen die Hasen. Es steht nun mal da und ein Amt hat sicher eine Verfügung dafür parat. Es hat schon seine Richtigkeit. Das Amt, das Amt, es hat immer recht. „Wir tun ja nur unseren Job“, sagen die. Das haben andere in noch dunkleren Zeiten auch gemacht. Und dabei rede ich nicht von Blowjobs in Darkrooms.

Am End‘ hatte ich keinen Tonies. Ich ging nach Hause. Wie will man Dinge zu Ende denken, wenn schon der Anfang falsch war? Klar, die Dorfpomeranzen hält man sich weitestgehend vom Hals. Wer will schon so absurd einkaufen gehen, wenn übellaunige Gauleiter mit erhobenen Zeigefinger und jenseits ihres Zenits Ihnen sagen, dass Sie ohne Kontakt zu Menschen doch gefälligst Maske zu tragen haben? Was ist aus dem Land geworden der freien Geister und echten Punks? Richard David Precht und Campino? Puh. Alles im buckeligen Gang vor der Macht erstarrt. Echt?

Ich hoffe es ja nicht. Zu Hause angekommen gönnte ich mir die Folge der Drei ??? Und zwar die, als Justus seine toten Eltern in Südamerika sucht. Ganz ohne Tonies schlief ich ein. Morgen, ja morgen wird der Tag besser. Oder anders. Oder genauso. Was weiß denn ich schon.

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Der ewige Jogi – Warum er gehen muss und wer ihm nachfolgen könnte

von Julian Marius Plutz

Sind wir mal ehrlich: Die schönste Freude ist und bleibt die Schadenfreude. Nachdem ich am Dienstag Abend völlig vergessen hatte, dass die DFB Elf gegen Spanien antrat, zwitscherte mir ein Vogel die frohe Kunde des ersten Gegentores.

„Du kannst einschalten – Deutschland liegt hinten!“ Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Hintergrund der Freude ist, da bin ich ehrlich: Ich kann Jogi Löw nicht mehr sehen. Ja, es tut mir leid. Der Mann, der sich selbst als Visionär bezeichnet und eine beeindruckende Arroganz an den Tag legt, hat mir die Nationalmannschaft madig gemacht. Ob sein Auftreten, sein Umgang mit den Erdogan-Freunden Gündogan und Özil, oder sein generelles Ausmustern absoluter Leistungsträger. Es ist Zeit für jemanden anderes. Es ist Zeit für etwas anderes. Wie bei der ewigen Angela ist es für den Bundesjogi nun soweit: Er muss gehen.

Und so schaute ich mit Genugtuung die 6:0 Schmach gegen Spanien an. Doch bei all der schlechten Leistungen brauchen sich die Deutschen keine Gedanken machen: Infiziert an Corona haben sie sich bei keinem Spanier – Dafür standen sie zu weit weg vom Gegner. Die atemberaubende Unlust der Spieler, sich auch nur ein wenig für das nationale Mannschaft ins Zeug zu legen, war mit den Händen zu greifen. Keine Motivation, kein Ehrgeiz. Elf Lappen unter Regie des zwölften Oberlappen blamierten sich und ihre Fußballnation in einer Weise, die man durchaus als präzedenzlos bezeichnen kann.

Seit zwei Jahren keine Entwicklung

Es stimmt: Es ist leicht, nach einem verloren gegangenen Spiel die Schuld am Trainer zu suchen. Verantwortlich seien doch die Spieler auf dem Platz. Dazu zwei Anmerkungen.

1. Ich bin durchaus dafür, einige Spieler auszutauschen. Um mit den Worten des Personalers zu sprechen: Bei groben Fehlverhalten ist eine fristlose Kündigung durchaus vertretbar. Und diese fußballerische Unverschämtheit in Form von blanker Arbeitsverweigerung hätte durchaus das Zeug, den einen oder anderen, mindestens auf Zeit, nicht mehr in den Kader zu berufen.

2. Der Trainer spielt zwar nicht mit, aber er stellt auf, taktiert und motiviert. Zum wiederholten Mal versagte hier Löw. Was spätestens 2018 bei der WM begann, wahrscheinlich viel früher, mündete in sechs Gegentoren. Traumschön. Löw hat keinen Zugriff mehr auf den Kader. Er kann die Spieler offenkundig nicht mehr antreiben. Nicht immer sollte der Trainer ausgetauscht werden – aber irgendwann dann doch einmal. Und nach zwei Jahren ohne erkennbaren Fortschritt ist es an der Zeit. Löw hatte seine Verdienste. „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi“ sagte er zu Mario Götze, der anschließend Deutschland zum Weltmeister machte. Legendär. Doch das ist sechs Jahre her. Seit dem ist viel passiert – und nicht wirklich viel gutes.

Und dennoch bleibt Löw. Es ist kaum zu glauben. Wenn ich über zwei Jahre so arbeiten würde, würde ich keine zwei Jahre arbeiten, sondern sechs Wochen. Löw sieht sich jedoch nicht als bloßer Angestellter. Er ist Visionär und Philosoph. Er steht über den Dingen. Was für andere gilt, zählt nicht für Jogi Löw. Wie Angela Merkel hat sich Löw eine derartig starke Machtbasis aufgebaut, dass er praktisch tun und lassen kann, was er will. Er bleibt.

Warum nicht mal ein Sänger?

Und dennoch muss sich der DFB schon jetzt auf die Situation einstellen, einen neuen Trainer, der dieses Mal etwas irdischer unterwegs sein sollte, einstellen. Ich habe da mal eine Liste angefertigt, von Personen, denen ich den Job mindestens so zutraue, wie Löw selbst:

Jogi Löw. Das ist die wahrscheinlichste Variante. Löw tritt ab und wird gleich wieder eingestellt. Ist ja auch praktisch. Der neue und alte Bundestrainer weiß, wo alles steht und hängt. Man muss ihm nix erklären. Die Spieler kennen ihn und das Raucherzimmer steht noch. Einziger Nachteil: Es ändert sich nix. Aber das scheint auch gar nicht so gewollt sein.

Werner Lorant: Der sympathische Fußballlehrer, der 1860 München wie kein zweiter prägte, stach vor allem mit seiner gelebten Menschlichkeit heraus. Unerreicht bleiben seine Stilblüten wie „Ich wechsle nur aus, wenn sich jemand ein Bein bricht“, oder „Was soll ich mit den Spielern reden, ich bin doch kein Pfarrer“. Das Gute ist: Werner Lorant ist gerade auf dem Markt. Er ist also zu haben. Wenn der frische Wind zum sibirischen Orkan wird und den doof-bezahlten Millionenkickern um die Ohren bläst, können sich die Fußballfans sicher sein: Lorant ist am Steuer.

– Apropos Winter. Der nächste Vorschlag war schon mal fast Bundestrainer, ehe er sich im Schneegestöber verlor. Chrisoph Daum. In Zeiten von Corona sicherlich ein Risiko, falls der Lieblingsfeind von Uli Hoeneß heute immer noch so verschnupft ist, wie damals. Eines kann man sich beim 67 Jährigen sicher sein: Er tut nur etwas, wenn er ein absolut reines Gewissen hat, sehen Sie hier. Und der erwähnte Hoeneß würde sich ein Loch in den Bauch ärgern, was alleine schon ein Grund ist, Daum zu wählen. Ich würde es tun.

Meine Mudda. Bei dieser Variante gäbe es eines in Hülle und Fülle: Salat. Bis der Doktor kommt und darüber hinaus. Ja. Überhaupt würden die Kicker auch mal praktische Dinge lernen, oder, wie man heute sagt „out of the Box“ denken. So wäre auf dem Stundenplan Dinge wie Gitarre spielen, Italienisch lernen, Theater spielen und stricken. Einfach mal ausprobieren.

Edmund Stoiber. Einst belaptopter Lederhosenträger. Aktuell gibt er sich als europäischen Geist und geht dabei auch auf den selbigen. Stoiber ist ein Macher, ein Motivator und ein Gestalter. Mindestens jedoch eine Gestalt. Eines hat er mit Löw gemeinsam: Er ist sich seiner Bedeutung für die Menschheit sehr bewusst. Edmund bringt mehr Erfahrungsschätze mit sich, als Johannes Heesters Lebenstage, kurz: Eine echte Bereicherung.

Roberto Blanco. Ja, warum nicht mal ein ..Sänger?Mit dem wohl gelaunten Musiker kommt nach dem 6:0 endlich wieder Stimmung in die Trauertuppe. Und mal unter uns Klosterschwestern: Ein bisschen Farbe schadetet doch den überwiegend bleichen DFB Kickern nicht. Überhaupt wäre die Nationalmannschaft ganz im Trend von Black lives matter. Der Zeitgeist ist zwar gar nicht wirklich geistreich, aber was soll’s. Hauptsach‘ gsund.

Mal im Ernst: Löws Zenit ist endgültig überschritten. Und auch wenn die Suche nach einem Nachfolger nicht einfach wird, sollte der DFB es wagen. „Wenn ich nichts riskiere, riskiere ich alles“, hat Pep Guardiola einmal gesagt. Und sein Stuhl soll in Manchester ja etwas wackeln. Ein Versuch wäre es wert…

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Was Merkel und Löw gemeinsam haben

von Julian Marius Plutz.

In einer atemberaubenden Selbstüberschätzung formulierte Frau Angela Merkel, nachdem sie ihrer Partei 2017 in ein historisch schlechtes Ergebnis bei der Bundestagswahl bescherte, diesen Satz: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“

Wie tief der Satz sitzen muss, angesichts 63 Abgeordneter der Unionsfraktion, die ihr Mandat verloren hatten, kann ich nur erahnen. Wie unehrlich die Interpretation eines Wahlausgangs ist, in der ihre Fraktion fast 9% verloren hat und eine neue Partei rechts der Union möglich gemacht hat, liegt auf der Hand. Und wie abgehoben diese Antwort auf die Frage einer Journalistin wirkt, ob Merkel denn konkret etwas hätte anders machen können, ist ebenfalls klar: Eben atemberaubend selbstüberschätzend.

Angela und Jogi als zwei Seiten eines Selbstverständnisses

Ungefähr sieben Monate später, kurz vor einer weiteren historischen Schlappe, gab Joachim Löw ein Interview, was in die selbe Kategorie, wie die Aussage von Frau Merkel, fällt: „Natürlich sind Titel wichtig, gar keine Frage. Aber ich wollte die Mannschaft auch dahin bekommen, dass sie einen guten Fußball spielt, der den Spielern und den Fans Freude bereitet, der auch meiner Mentalität entspricht. Ich fühle mich da auch als Visionär“. Hybris, ik hör die trapsen!

Am Ende der für den Deutschlandfan recht kurzen WM, die Mannschaft scheiterte bereits in der Vorrunde, blieb uns der Bundesjogi beides schuldig: Titel und guten Fußball. Ähnlich selbstherrlich wie seine Selbstbeschreibung, spielten seine Kicker. Ideenlos, unmotiviert und arrogant gab sich „die Mannschaft“ und schied völlig verdient so früh aus, wie man nur in einer WM ausscheiden kann. Noch nie, angesichts des hochbegabten Kaders, präsentierte sich eine deutsche Nationalmannschaft so katastrophal, wie die DFB-Elf im Jahre 2018.

Merkel und Löw sind zwei Seiten eines deutschen Selbstverständnis. Träge gibt sich der Deutsche, was Veränderung im Führerhäuschen angeht. So musste die Bundesrepublik fast 50 Jahre auf die erste echte Abwahl, was das Kanzleramt angeht, warten – in persona von Gerd Schröder. Es scheint, dass der Deutsche Sicherheit der Unsicherheit des Wechsels vorzieht, was bedauerlich ist. Offenkundig, um ein Zitat von Rockefeller zu etwas zu entfremden, haben die Deutschen mehr Angst vor dem Leben, als vor dem Tod.

Und auch allen, eher leisen Forderungen zum Trotz, blieb Jogi Löw nach der Blamage von Russland in Amt und Würden. Aus der berichtenden, oder um ehrlich zu sein, eher aus der meinenden Riege, der Journalisten, kam kaum Kritik an der Entscheidung vom DFB, am Schwarzwälder festzuhalten. Und auch in meinem Umfeld hörte ich die rhetorische Frage, auf die Forderung eines neuen Trainers: „Weshalb sollte der Jogi denn zurücktreten?“

Ja, ich weiß auch nicht, warum? Vielleicht, weil er das schlechteste Ergebnis der deutschen Mannschaft zu verantworten hat? Und dass bei dem wohl besten fußballerischen Potential, das ein DFB Team je hatte. Während Rudi Völler mit wackeren Arbeitern wie Thomas Linke, Carsten Ramelow oder Jens Jerimies 16 Jahre zuvor in das WM Finale einziehen konnte, scheiterte Löw mit einem Weltklassekader um Mats Hummels, Toni Kroos und Thomas Müller schlussendlich gegen Südkorea. Aber Rücktritt? Nein. Wenn man laut Helmut Schmidt bei Visionen den Augenarzt aufsuchen sollen, empfehle ich dem Visionär Jogi Löw einen Aufenthalt im Blindeninstitut.

Und Angela Merkel? Auf die Frage der Journalistin, was sie hätte anders machen können, hätte ich eine simple Antwort: Am besten wäre sie gar nicht mehr 2017 angetreten. Aber auch in ihrer Amtszeit, die Hofjournalisten aus den Staatsanstalten unnachahmlich euphemistisch „auf Sicht fahren“, beschreiben, reihten sich kalkulierte Fauxpas an berechneten Tabubrüche. So wird sie als Kanzler der präzedenzlosen Entscheidungen in die Geschichtsbücher eingehen. Die Fatalitäten ihrer Amtszeit bilden ein, wiederum euphemistisch formuliertes, Triumvirat, das auf Eurorettung, Flüchtlingspolitik und Coronapolitik hört. Sicher gibt es noch weitere Verfehlungen, die sogenannte „Energiewende“ und der Dinge mehr. Doch das würde diesen Beitrag sprengen.

Merkels drei Todsünden

In der Eurorettung entschied sie sich gegen die historische Parteilinie der zurückhaltenden Subventionspolitik. In einem monatelangen Gezerre und nach offenkundigen Erpressungsversuchen seitens Merkels Apparatschiks an den Kritikern in den eigenen Reihe, war es so weit. Die EU und der IWF gewährten dem maroden Griechenland Kredite in Höhe von 110 Milliarden Euro. Deutschland lieferte aus dem ersten Rettungspaket rund 15 Milliarden Euro. Hinzu kamen die Forderungen aus dem zweiten Paket von 130 Milliarden und 61 Milliarden aus dem dritten Paket, von denen Deutschland mit 29% beteiligt ist. Nicht erwähnt seien hier die Target Salden, die über eine Billionen Euro betragen. Diese Verbindlichkeiten entspringen aus dem Buchungssystem der nationalen Notenbanken mit der EZB bei Transaktionen von Unternehmen über die Landesgrenzen hinaus. Diese Kredite, einem Überziehungskredit ähnlich, sind so gut wie zinsfrei.

Durch Merkels Europolitik befindet sich Deutschland, trotz gegenteiliger vertraglicher Vereinbarung, in der unangenehmen Situation der Haftung, was Verbindlichkeiten anderer EU Länder angeht. Faktisch keine Partei stellte sich dagegen. Es war der wesentliche Grund, weshalb sich die AfD gründete. Diese Politik, um auf die Antwort auf die Frage Beginn einzugehen, bei der sie Journalistin explizit der AfD benannt hatte: Das hätte Frau Angela Merkel anders machen können.

Nicht minder historisch beispiellos erwies sich Merkels Flüchtlingspolitik. In einer Nacht- und Nebelaktion ordnete Merkel über das fleischgewordene Gesicht verfehlter Migration, Thomas „Demisere“ die de facto offenen Grenzen an, die bis heute in abgeschwächter Form gelten. Spätestens hier wählte die Kanzlerin die ganz grobe Axt, um die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben. Und nebenbei: Die Entscheidung, auf Grenzkontrollen zu verzichten, wirkte als Defibrillator für die AfD, die zu dem Zeitpunkt sich auf dem absteigenden Ast befand. Auch das hätte Frau Angela Merkel anders machen können.

Über die Corona-Maßnahmen, die das entgültige Entzweihen der Gesellschaft vervollkommnete, wurde bereits sehr viel geschrieben. Es ist sicher nicht allein ihr Verdienst, dennoch trägt sie Mitverantwortung für Massenvereinsamung, Staatsverschuldung und multiple Erosionen des Rechtsstaates. Eine Frau aus der ehemaligen DDR, in der Berufsverbote was kritische Künstler anging, miterlebt haben muss, lässt als Kanzlerin eben diese Grauenhaftigkeit zu: Musiker und Schauspieler sind nicht nur ihrer Einnahmen beraubt, sondern auch eines ihres wesentlichen Lebensinhalt: Das Auftreten vor dem Publikum. Das, liebe Frau Angela Merkel, könnten Sie anders machen.

Werte kommen, Werte gehen – Aber Merkel bleibt

Bei Jogis Malaise geht es lediglich um Fußball. Man kann sich die Spiele, die in aller Regel trotz hochveranlagtem Personal keine wirklichen Freuden fürs Auge darstellen, auch einfach sparen. Angela Merkel bleibt uns jedoch weiterhin erhalten. Und wenn sie sich für wahrlich unentbehrlich hält, tritt sie 2021 noch einmal an. Auszuschließen ist das nicht. Angela Merkel hat sich in ihrer Karriere so oft durchgebissen, dass sie sich ihre immer noch erstaunliche Machtbasis nicht ohne weiteres nehmen lassen dürfte. Werte kommen, Werte gehen. Aber Merkel bleibt.

Nach dem ewigen Verlangen der Deutschen nach der totalen Gewissheit, nehmen sie auch mittelmäßig bis schlechtes Personal in Kauf. Merkel und Löw haben ihren Zenit seit Jahren überschritten. Doch die Bequemlichkeit und die Lust am gewohnten Wahnsinn machen den Fortbestand beider Karrieren möglich. Was bei dem einen ein nachrangiges Übel ist, bedeutet bei Frau Angela Merkel falsche Politik, die in ihrer Präzedenzlosigkeit katastrophale Folgen mit sich bringt. Man kann nur hoffen, dass 2021 der Spuk ein Ende nimmt. Vielleicht hat ja dann auch Joachim Löw inzwischen seinen Job los.

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Warum Terrorbekämpfung vor Corona-Eindämmung geht

Von Julian Marius Plutz.

Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, als Frau M. das Wort ergriff. In meiner damaligen Arbeitsstelle hatten wir ein ausgiebige, im übrigen recht leidige, montägliche Besprechung mit ständigen Schulungsbeiträgen. Und Frau M. war eine Kollegin. Nur wenige Tage zuvor raffte der islamische Terror mit seinem gesandten Killerkommando 120 Menschen in Frankreich nieder. Das ließ die Kollegin nicht nur kalt, sie schien sich an der medialen Berichterstattung zu stören. Es würden doch tausende im Straßenverkehr sterben, das wäre auch keine Debatte wert. Terror passiere nun mal. Wie Überschwemmungen, Erdbeben, und eben Opfer bei Unfällen um das PKW. Sie fragte sich und uns, warum dieTatsache Terrorismus ernsthaft ein Thema sein soll.

Davon abgesehen, dass es beinahe wöchentlich Debatten um das Tempolimit gibt und bei Erdbeben selbstredend ausreichend berichtet wird: Diese überaus herzlosen Vergleiche sind nicht neue und für bestimmte Gruppen typisch. Und auch heute in Verbindung mit Covid-19 und den wieder stärker werdenden islamischen Terrorismus in Europa werden alte Analogien durch neuen Schläuche gepfiffen, in der Hoffnung, man wirke selbst pfiffig und klug. Um dem gleich vorweg zu nehmen: Nein, diese Argumentation wirkt nicht schlau. Sie ist verräterisch und sagt vieles über die innere Konstitution derer aus, die sie verwenden.

Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit

Zunächst ist es interessant zu wissen, von welcher Verschuldensform wir bei den Ereignissen sprechen. Wenn ein Terrorist einen anderen erschießt, handelt er vorsätzlich. Er führt die Tat wissentlich und willentlich aus. Sein festes Ziel ist der Tod von Menschen. Bei den allermeisten Verkehrstoten handelt es sich, wenn es überhaupt ein eindeutig bestimmbarer Täter definierbar ist, um ein fahrlässiges Verschulden, wobei auch hier in der Schwere der Verantwortung in „grobe“ und „leichte“ Fahrlässigkeit abgestuft wird. In dem Fall fehlt es dem Täter an nötige Sorgfalt, Aufmerksamkeit oder Vorsicht. Aufgrund dessen kam es zu einem Unfall. Fährt ein Mensch wissentlich in eine Menschenmenge, reden wir nicht mehr von Verkehrstoten, sondern von Terroropfer oder Opfer von Amokfahrten. Ausdrücklich möchte ich diese furchtbaren, illegalen Straßenrennen nennen, bei denen Unbeteiligte gestorben sind und die Täter hart bestraft wurden.

Die Unterscheidung „fahrlässig“ und „vorsätzlich“ ist enorm wichtig für die Einordnung von Taten. Natürlich ist es überaus tragisch und schwer verzeihlich, wenn jemand übermüdet einen Unfall mit Todesfolge verursacht. Es ist jedoch absolut unverzeihlich, wenn ein Mensch im Vollbesitz seiner Geisteskraft, willentlich, Menschen tötet. Denn so schlimm auch Verkehrsunfälle sein mögen: Im Straßenverkehr und im Leben an sich, wenn Menschen auf andere Menschen treffen, passiert es, dass Menschen Fehler machen. Technischer Fortschritt hilft hier, gerade was das Automobil aufgeht, diese Fehler zu minimieren. Staatliches Eingreifen kann ebenfalls behilflich sein, stößt aber schnell an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Und an Grenzen von Verhältnismäßigkeitkeiten. Theoretisch könnte die Polizei alle fünf Kilometer Autobahnstrecke die Fahrer auf Alkohol und Drogen testen. Doch das sprengt Budget sowie Logik und Bürgerrechtler würden sich mit Recht fragen, in welchem Polizeistaat wir denn lebten.

Das Schweigen der Bürgerrechtler

In diesem Jahr ist das erste mal ein Virus in Deutschland so präsent, dass sich die Regierungen bemüßigt fühlte, dagegen vorzugehen. Mit Berufsverboten, Kontakteinschränkungen und Demonstrationsverboten versuchen die Herrschenden, Corona Herr zu werden. Ich habe das lauthalse Schweigen der Bürgerrechtler beinahe täglich im Ohr. Ein erschreckendes Nichts kam von Seiten derer, die ansonsten hinter jeder Antiterrorgesetze einen neuen Überwachungsstaat vermuten. So wird die neueste Vorhabe der EU, dass aufgrund der Terrorgefahr sichere Verschlüsselung per Gesetz unmöglich gemacht wird, in den sozialen Medien hart kritisiert. Und bestimmt nicht ohne Grund: Denn die Arbeit von Journalisten und Informanten der Wahrheit würde dadurch erschwert, Skandale zum Beispiel über die eigene Regierung zu recherchieren. Es könnte ja jemand eben derer mitlesen.

Ich verstehe die Bedenken. Doch ich wünschte mir ein ähnliches Engagement, wenn es um Kontaktbeschränkungen, wie zum Beispiel den Reiseverboten geht. Da scheint der Zweck das Mittel zu heiligen. Die Bekämpfung des Virus ist offenbar so relevant, dass fast alles möglich ist. So kassieren Gerichte Einschränkungen und kaum einer der Bürgerrechtler geht tatsächlich auf die Barrikaden. Keiner fragt sich ob der Verhältnismäßigkeit, die sie in ihrem Metier, zum Beispiel des Datenschutzes doch bis auf das Blut verteidigen. Dabei werden heute wie nie zuvor politische Entscheidungen gerichtlich gestoppt, weil die Einschränkung der Rechte in keinem Verhältnis zur Wirksamkeit der Maßnahmen stehen. Ein klassisches Thema für Bürgerrechtler. Eigentlich.

Viren gehören zum Leben – Terror nicht

Ein Virus kann nicht vorsätzlich handeln. Ein Virus handelt gar nicht. Denn Handeln bedeutet, eine Wahlmöglichkeit zu haben. Das Virus kennt nur ein Ziel – und das ist die eigene Reproduktion. Und auch Tote aufgrund eine viralen Erkrankung sterben nicht vorsätzlich. Nicht selten haben sie bereits morbide Vorerkrankungen. Es kann sein, dass der eine oder andere an Covid stirbt oder gestorben ist, weil andere fahrlässig gehandelt hat. Ganz bestimmt ist das so. Aber wollen wir dann einen Staat, der alle potentiellen Risikoherde, die es in einem Menschenleben gibt, eliminiert? Der Alltag ist ein einziges Risiko. Wir lachen und stoßen dabei Viren und Bakterien aus. Wir haben Sex und ab und an infizieren wir uns dabei. Wir gehen zu Veranstaltungen und am Neujahr umarmen wir fremde Menschen. Wir besuchen in Altenheimen zu unseren lieben Alten. Davor gehen wir über die Straße und könnten überfahren werden.

In gewisser Hinsicht sind Terroristen ähnlich wie Viren. Sie haben eine 100% Mortalität im Sinne. Doch im Gegensatz zu Infektionskrankheiten, die nun mal zum Leben gehören, ist das Schlachten der Terroristen ein vorsätzlicher, vermeidbarer Akt. Wenn Sicherheit noch ein Wert ist in Zeiten banal werdenden Politiker, dann doch das Ausweichliche zu bekämpfen, anstatt Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen völlig aus dem Auge zu verlieren.

Es ist wichtig, dem islamischen Terror den Raum einzuräumen, den er verdient. Viele Medien scheinen das begriffen zu haben. Am Ende des Tages sind die vorrangigen Ziele der Terroristen Randgruppen, die nicht in ihr bigottes Weltbild passen. Gruppen, die ohnehin aufgrund ihrer Andersartigkeit mit Anfeindungen leben müssen. Diese werden doppelt bestraft. Durch die Terrortat selbst und durch die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft, die lieber Jagd auf Viren macht, anstatt die prominentesten Gefahren, die vorsätzlichen Taten, zu bekämpfen.

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Schrecklicher Verdacht: Sie sind rechts?!

von Julian Marius Plutz

Hoch stand das Moralintermometer, als Herbert Grönemeyer keinen Milimeter nach rechts ins Mikrofon krakeelte und damit Menschenmassen, die zuvor noch „Wann ist ein Mann ein Mann“ hören durften, entzückte. Ich komm‘ nicht drauf, an welchen ehemaligen Politiker einer ziemlich hart rechten Partei er mich erinnert. Ich weiß nur, dass der Nachname mit „G“ beginnt. Sei es drum, ganz mutig gefiel sich der Herbert, ist er doch im Recht, so gegen rechts. Wer will schon dafür sein?

Mir geht es gar nicht um die Person Grönemeyer, der ansonsten überaus sympathisch und humorvoll wirkt. Nicht zuletzt dürfen seine Hits an keinem Karaokeabend fehlen. Ja. Und seine Texte verbergen außerordentliche Rätsel. Heißt es in „Mensch“ etwa „es tut gleich mäßig weh“ oder doch „es tut gleichmäßig weh“? Wissen Sie‘s? Die Antwort bitte in die Kommentare. Wie auch immer und wie gesagt: Es geht nicht um die Person, eher um den Mechanismus dahinter. Was ist „rechts“? Ist der Begriff überhaupt noch zeitgemäß oder dient er nur als Schlagwort zur Diffamierung?

Im Zweifel liberal

Die Frage „was ist rechts“ ist einerseits leicht. So versuchte ich mich vor einiger Zeit an dieser sicherlich unvollständigen Abgrenzung. Ergebnis: Rechte sehen Menschen grundsätzlich als ungleich an, auch was ihre Wertigkeit angeht. Sei es aufgrund der Herkunft, der Staatsangehörigkeit, des Geschlechtes, oder Ähnliches. Also benötigt eine Gesellschaft, aber auch eine Weltgemeinschaft klare Hierarchien und Kollektive. Letzteres ist im Übrigen die große Gemeinsamkeit zur Linken. Während Linke als Kollektiv zb „die Arbeiter“ oder „die Flüchtlinge“ auserkoren haben, sind mögliche Kollektive der Rechten „Das Volk“ „die weiße Rasse“, etc.

Andererseits ist „wer oder was ist rechts“ im Praxistest ungleich komplizierter. Ist Boris Palmer, wie gerne zugeschrieben, ein Rechter, weil die unkontrollierte Migrationspolitik kritisierte? Oder ist eine Alice Schwarzer rechts, weil sie eben die Agenda Angela der offenen Grenzen für falsch hält? Ist es rechts, wenn man der Bundeswehr positiv gegenübersteht? Und ist man neuerdings rechts, weil man viele Corona Maßnahmen hinterfragt? Zu dem Schluss muss man kommen, wenn man die hiesigen Debatten verfolgt.

Die letzte Zuschreibung ist die Obskurste. Denn gegen staatliche Maßnahmen zu sein, ist zunächst eine freiheitliche Angelegenheit. Der ganze Ethos des Liberalismus ist geprägt von einem tiefen Skeptizismus, was staatliches Handeln angeht. Wohin Rechte eine klare, hierarchisch geklärte Herrschaft erwarten, am besten mit einem Führer an der Spitze, wählt der Liberale den unbequemen Weg der dezentralen und individuellen Entscheidungen. Natürlich nicht in Gänze und ganz ohne Staat scheint es auch nicht zu gehen. Doch da die Voraussetzungen des Liberalismus der Individualismus ist, heißt die höchste Entität ist nicht der Staat, sondern eben das Individuum, werden staatliche Handlungen im Zweifel kritisiert.

Sie merken, wie unsinnig die Behauptung ist, die Kritik an den Maßnahmen zur Bewältigung von COVID seien per se rechts. Sie wird partiell rechts, ganz bestimmt sogar, wenn aus der Skepsis eine Melange aus Verschwörungstheorien und rechten Ideologien ergibt. Doch das sind, meiner Einschätzung nach die wenigsten. Und sie sind auch nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, wogegen sich der Protest richtet. Und wenn sie gegen staatliche Maßnahmen gehen, ist das zunächst eine freiheitliche Idee. Sie wird freilich ganz und gar unfrei, wenn nach Abschaffung des ohnehin schon autoritären Staat ein noch autoritärerer Staat nach eigenen Vorstellung erschaffen wird. Klar. Doch die Haltung, skeptisch gegenüber den Maßnahmen zu sein, ist ein Liberalismus.

Rechts und Links verschwimmen

Ohnehin evoziert Corona beeindruckende Rochaden in den politischen Spektren. So habe ich mit viel Lust den Podcast „The Curve“ mit Augstein und Fleischhauer gehört. Zum einen halte ich beide, jenseits ihrer politischen Haltung, für absolute Sympathieträger und sehr fähige Entertainer im besten Sinne, was die Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Podcasts ist. Zum anderen musste ich feststellen, dass ich zunehmend dem dezidiert linken Augstein zustimmte, zumindest was die Corona Maßnahmen anging. Während Fleischhauer die Maßnahmen tendenziell verteidigte, zweifelte sein Gegenüber. Nun ist Fleischhauer trotz zahlloser Zuschreibungen nicht wirklich rechts, zumindest aber alles andere als links. Und auch bei Augstein wird sich der eh schon autoritäre Staat nach Abschaffung in einen sicherlich ähnlich, wenn nicht sogar noch autoritäreren, sozialistischen Staat verwandeln. Doch auch Augsteins Moment der Ablehnung vieler Maßnahmen kommt aus einem freiheitlichen Gedanken.

Ich persönlich werde immer wieder als „Rechter“ eingestuft, was ich für einigermaßen erstaunlich halte. Dabei wird der Begriff weniger als politische Richtung gesehen, sondern mehr als Kampfbegriff. Und da „rechts“ bei nicht wenigen „rechtsextrem“, also Glatzen, drittes Reich und Gaskammern bedeutet, ist klar, wohin die Reise geht. Im Moment des Aufbringen des Etikettes ist der soziale Tod gewiss. Denn mit Rechten ist es wie mit den Schmuddekindern: Man spielt nicht mit denen.

Doch es sind längst nicht alle so. Für viele ist Differenzieren mehr als eine mathematische Methode. Aber was bleibt ist der Kampf mit ungleichen Mitteln. Wenn ich einen Linken, was ich nicht tun würde, vorwerfe, es sei ein „Volksverräter“, ernte ich allenfalls ein Schulterzucken, wenn nicht sogar ein Kopfnicken. Damit kann man keinen abwerten, was auch völlig okay ist. Die Zuschreibung der gleichen Seite, ich sei ein „Rassist“, unabhängig ob es stimmt, oder nicht, hat gesellschaftlich gravierende Folgen. Vielleicht sollten beide Seiten, und wahrscheinlich sollte auch ich, das eine oder andere mal, verbal abrüsten.

Auf dem Höhepunkt der Moralinsause schrie der Grönemeyer einen vielsagenden Satz ins Publikum. „Dann liegt es an uns zu diktieren, wie ’ne Gesellschaft auszusehen hat“. Das klingt mehr nach Autoritarismus, als ich von den allermeisten fremdbeschriebenen Rechten kenne. Im Juste Milieu wurde dieser Satz nicht mit Empörung kommentiert, was verwundert. Zeigt er doch des Geistes Kind, das Grönemeyer in einer kostenlosen Mutigkeit an sein Publikum richtet. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber Diktieren tun Diktatoren. Und das ist das letzte, was ich möchte.

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Corona und die wachsende Einsamkeit

Von Julian Marius Plutz.

Nun also auch ich. Quarantäne. Kontakt mit einer womöglich infizierten Person. Dazu noch ein wenig Halsschmerz und Husten. Da ging ich auf Nummer sicher und ließ mich testen. Bis dahin bleibt der Julian Marius unter Verschluss. Bei Brahms und Burger King verfasse ich dies Werk und hoffe, anders als Johann Mühlegg, dass bereits die a-Probe ausreicht, um mich zu entlasten.

Das Szenario des Testens war ein solch absurdes Stück, dass ich überlegt habe, es überhaupt aufzuschreiben. Glaubt mir doch keiner! Doch auch hier möchte ich erneut Jonathan Frakes zitieren: „Diese Geschichte ist wahr! Da haben wir Sie nicht auf den Arm genommen“. Ja.

Von der Kosmonautin getestet

Alles begann mit dem Anruf beim Hausarzt. „Ja, kommen Sie am Donnerstag um 10:40 und klingeln Sie drei mal. Dann kommt jemand.“Oha! Sofort erinnerte ich mich an eine verruchte und überaus hässlichen Schwulenkneipe in Neukölln, in der ich vor Ewigkeiten mit dem Franz war und er auch drei- oder viermal klingeln musste – als Erkennungszeichen. Ob dann, wie in Berlin, auch bei der Praxis der Sehschlitz an der Tür aufgeht und ich auf Corona beäugt werde?

Kurze Antwort: Nein. Als ich drei mal klingelte, kam nach einer Zeit eine Arzthelferin hinunter in die Kälte. Sie nahm meine Versicherungskarte mit und lief wacker die drei Stockwerke nach oben. Wenige Minuten passiere es: Ein Kosmonaut stiefelte nach unten und sagte mit einer mir bekannter Stimme: „Hier hams ihre Kartn“. Sofort erkannte ich an dem leichten, aber hörbaren oberbayerischen Akzent meine Ärztin, die nun zur Austronautin umgeschult hatte. Mit Visier und Mundschutz, weißen Ganzkörperraumanzug und Stiefeln, sicher mit bleiernden Sohlen wie bei Tim und Struppis „Schritte auf dem Mond“, gab sie mir meine Krankenversicherungskarte, die eigentlich Gesundheitskarte heißt. „Gengernse bitte mit?“ Aber natürlich, Mrs. Ride.

Wir gingen um das Haus, das ein vier stöckiger Altbau ist. Ich nahm an, die Praxis hat im Parterre eine Coronateststube eingerichtet. Doch weit gefehlt, als mich die Cosmonautin bat, mich zwischen zwei Autos zu stellen, war mir klar. DAS ist die Testumgebung. Nun gut. Mund auf, Stäbchen rein – kurz aufgestoßen. Noch ehe ich mich in meiner Ehre verletzt fühlte, kam die Assistentin der Kosmonautin, allerdings gar nicht im Raumanzug, um die Ecke und gab der Frau Ride Zettel und Stift.

„So, I schreib sie etzat erst mal krank bis Freitag“, sagte sie, nachdem sie meine Nase mit dem Teststäbchen gefühlt zerstörte. Wie, was, krank, warum? Ach so, Quarantäne. Sehr arbeitnehmerfreundlich, muss ich sagen. Na gut, noch mit der Krankschreibung in der Hand, rief ich meinen Chef an, der gar nicht amüsiert war. Aber was will er machen. Auch wenn der Zeitgeist alles andere als geistreich ist, müssen wir uns der Herrschaft beugen.

Die Maßnahmen schaffen Einsamkeiten

Wir leben in einer Zeit, in der ich mehr Angst vor den Maßnahmen, als vor dem Virus selbst habe. Eine mutmaßliche Infektion an mir und eine Verbreiterung im Kollegenkreis hätte maßive Auswirkungen: Wir können den Laden für wenigstens 14 Tage dicht machen. Was das für Konsequenzen haben würde, in Zeiten klammer Umsätze – eben wegen Corona Maßnahmen – muss ich nicht betonen. Also Quarantäne, „in aller Freundschaft“, klassische Musik und Junk Food. Fett und doof werden gegen Corona. Jawoll! Aber immer mit dem wichtigen Hinweis: „Bleiben Sie gesund“. Immerhin passiert das ganze bei schöner Musik.

Die Chance besteht natürlich, dass der eine oder andere in der Quarantäne dahinrafft. Dass sind dann wohl einer dieser Kollateralschäden. Und es hat auch etwas praktisches, denn tot ist man nicht mehr infektiös. So verhungert der Infizierte oder tötet sich selbst ob der Einsamkeit. Für die Menschen und für die Volksgesundheit. Das sind die wahren Märtyrer, ihnen gebührt ein Mahnmal.

Jetzt mal wirklich ehrlich, Hans Erich: Einsamkeit ist ein großes Thema. Und da meine ich weniger mich, auch wenn es schöneres gibt, auf einen hoffentlich korrekten Test in einer 1 Zimmer Wohnung zu warten. Ich rede von den wirklich Einsamen, die auch vor Corona prekär unterwegs waren, was soziale Kontakte anging. Ich rede von den hart arbeitenden Menschen, die wegen dem Job 400 km und mehr umgezogen sind und in einer nicht mehr ganz fremden, aber lange noch nicht heimischen Großstadt leben. Diese, im übrigen absolute Leistungsträger dieser Gesellschaft, sind durch die Lockdown Maßnahmen besonders hart getroffen.

Ich höre immer wieder Leuten zu, die den Maßnahmen positiv entgegen stehen. Maßnahmen, wie Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Ausschankverbote. Nicht selten sind das Menschen, die im wohl verdienten Haus mit Nachwuchs und Mann, oder Frau leben. In 100 qm, mit Garten und mit familiärer Gesellschaft lässt sich über einen Lockdown freilich kommoder reden, als mit sich alleine auf 30qm. Und wenn Sie zehn oder zwölf Stunden arbeiten und es in Bayern nicht mal mehr zum Einkaufen schaffen, weil 20 Uhr Öffnungszeiten „ja wohl ausreicht“ (wer entscheidet das?) haben Sie in Nordrhein-Westfalen diesbezüglich noch Glück. Und auch gleich wieder Pech, denn auf ein Kölsch mit Siggi oder Ursula wird es nicht ausgehen, sind doch die Bars zu. Eben noch wie doof Geld für Hygienestandards bezahlt, dürfen sie wieder schließen. Temporäres Berufsverbot von Staates Willen. Und für manche, die eben in der Stadt noch nicht so viele Menschen kennen, ist das Kölsch zum Abend ein wichtiger, ja nötiger sozialer Kontakt, der wegfällt. Staatliche Maßnahmen schaffen soziale Brutalitäten und wenige machen sich darüber Gedanken.

Unnötig zu betonen, wie grauenhaft die Berufsverbote nicht nur für die Gastronomie, sondern auch für Kulturschaffende sein muss. So wollte ich endlich bei meinem nächsten Köln Besuch bei Gerd Buurmann vorbeischauen, der die Kunst und Kultur in diesem Beitrag fabelhaft vertrat. Das muss ich wohl verschieben in der Hoffnung, dass es gerade die Kleinkunst über den erneuten Lockdown schafft.

Ich hoffe, dass spätestens am Montag mein Ergebnis vorliegt. Auch wenn ich gern für mich bin, einkaufen gehen würde ich schon gerne selbst und entscheiden, wann ich alleine sein mag. Keine Dates, denn das sind ja unnötige Begegnungen mit Menschen. Liebe, wie Buurmann schreibt, wird zum Risiko des Lebens stilisiert. Man könne sich ja infizieren. Nicht nur das Virus ist in seiner Erkrankung brutal, sondern auch die Maßnahmen, die Einsamkeit manifestiert.