Von Julian Marius Plutz.
Als Bewohner Bayerns kommt man nicht umhin, sich mit der CSU zu befassen. Mitglieder der Partei sind in allen wesentlichen demokratischen Institutionen im Freistaat vertreten und entgegen der zuverlässigen Reflexe ihrer Gegner, alles niederzureden, kann die Partei durchaus Verdienste vorweisen. Sonst würden sie nicht so konstant von so vielen Menschen gewählt werden. Und doch halte ich die CSU im Großen und Ganzen für eine Partei von Mitläufern, ja, von Lemmingen, die Zusehens Wahlerfolg vor Inhalte setzt. Das möchte ich Ihnen erklären.
Eine wesentliche und gleichzeitig unerträgliche Eigenschaft vieler CSU Anhänger ist ihre schier grenzenlose Obrigkeitshörigkeit. So brauchte es eine absurde Odyssee von Lügen um eine Fürther Landrätin, bis endlich Edmund Stoiber als Landesvater zurücktreten musste. Beim Fall Gabriele Pauli handelte es sich um ein beispielloses Stück Hybris und Anmaßung des damaligen Ministerpräsidenten, was in dieser Form wirklich nur in der christlich-sozialen Union stattfinden konnte. Nirgendwo sonst gäbe es über Monate ein solches Gezerre und Gezeter, bis endlich der überfällige Posten geräumt wird. Das muss man der SPD lassen, dass sie mit unliebsamen Führungskräften gerne kurzen Prozess macht.
Auch Horst Seehofer wehrte sich über zwei Jahre, den CSU Vorsitz zu räumen. Als Innenminister findet der sympathische Großvater und Modelleisenbahner aus Ingolstadt de facto nicht statt. „Das Phantom“, wie er aufgrund seiner Unsichtbarkeit in Berlin genannt wird, lebt politisch seit Jahren so weit über dem Zenit, so dass seine Unantastbarkeit nur noch mit Denkmalschutz zu erklären ist. Alte Barracken darf man nun mal nicht abreißen. Den CSU Anhängern ist das recht, so lange das Wahlergebnis stimmt. Diese bedenkliche Art von Erfolgsethik ist in einer Demokratie auf lange Sicht gefährlich. In Person gegossen erfüllt dies Markus Söders Herrschaft im Umgang mit COVID.
Inhaltslose Opportunisten
Ich kann und möchte nicht müde werden, zu betonen, wie freiheitsberaubend und entmündigend die Maßnahmen rund um das Virus für uns alle sind. Und wenn es nach Söder ging, hätten wir noch mit wesentlich schärferen Verboten zu kämpfen. Ich weiß von Anhängern in der CSU, ob im Bekanntenkreis, oder in den sozialen Medien, wie unzufrieden sie mit der Corona Politik ihres Parteichefs sind. Doch glauben Sie, dass auch nur einer wirklich Widerstand gegen die illiberalste Politik seit 1945 organisiert? „Wer soll denn sonst Ministerpräsident werden?“, antwortete mir ein Bekannter unlängst, der sich in der CSU engagiert. Wer diesen Satz ernst meint, beginnt, absolutistisch zu denken. Diesen Satz leben auch Erdogan-Anhänger. Der Geist dahinter ist diktatorisch und entlarvt das Mitglied als Mitläufer, als Erfolgsfan. Das sagt Ihnen übrigens ein Anhänger des FC Bayern München.
Der inhaltlose Opportunismus von den Fanboys und -girls der Großkopferten im Maximilianeum fällt seit dem auf, seit CSU-Führer nicht mehr genuine CSU Politik machten, oder konkreter, seit sie konservativ meinen zu sein, aber tatsächlich in vielen Beispielen lediglich aktionistisch sind. Zwar murrt die Basis, wenn Söder in Sachen Landwirtschafts,- so wie Klimapolitik Politik der Grünen übernimmt. Wirklich erregt wirken die schwarzen Lemminge am Ende des Tages nicht, folgen sie doch ihrem Markus so stoisch, wie Nomadenvölkern den Sternen. Mich macht diese bereitwillige Entkopplung von Inhalten zur Partei sprachlos. Es muss naiv von mir gewesen sein, als ich einst dachte, bei einer Parteimitgliedschaft handle es sich um eine Angelegenheit aus Überzeugung. Zumindest wenn ich mir viele in der CSU ansehe.
Besonders jedoch amüsieren mich Behauptungen von CSU Anhängern, sie seien die einzige konservative Kraft in Deutschland. Davon abgesehen, dass der Vater des Konservatismus, Edmund Burke, die CSU nicht mal mit der Beißzange anfassen würde, handelt es sich hier um ein intellektuell dürftiges Lagerdenken. Denn zunächst ist konservativ sein weniger eine politische Richtung, sondern eine Frage von Haltung zu gesellschaftlichen Werten.
Die CSU hat den Konservatismus nicht exklusiv
Ich bezeichne mich in einigen Punkten durchaus als konservativ. So halte ich Tugenden, wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Standhaftigkeit für durchwegs erstrebenswert. Höfliche Umgangsformen, das Grüßen oder das selbstverständliche „Sie“, vor einem „Du“, sind für nicht nicht nur gemeinschaftliche Routinen, sondern wünschenswert, um ein harmonisches und wertschätzendes Miteinander zu gewährleisten. Die kleinste, gesellschaftliche Entität, die Familie, ist wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Gemeinwesens. Ich teile Wolfram Weimers Gedanken in „das konservative Manifest“ völlig, wenn er schreibt, der Konservative ist dem „Sein näher als der Möglichkeit“, „dem Leben näher als der Theorie“, „dem Einzelnen näher als der Gesellschaft“. Als zentrales Instrument gilt hierbei: Der „gesunde Menschenverstand“.
Und dennoch habe ich nie, oder werde wohl auch nicht in absehbarer Zeit die CSU wählen. Ist die Partei doch kaum in der Lage, freiheitliche Werte zu achten. Am Ende ist die Gesellschaft zu abstrakt und anonym, die Gemeinschaft in vielen Fällen nicht oder nicht mehr vorhanden. Was bleibt sind die erwähnten familiären Strukturen, auf die ein selbst bestimmtes Individuum fußt.
Es ist doch so: So wenig, wie die FDP den Liberalismus gepachtet hat, hat die Union den Konservativismus exklusiv für sich erstanden. Konservative können in vielen Parteien sein, sogar – auch wenn es manche nicht wahrhaben mögen – in der AfD. Bei genauer Betrachtung egalisieren sich konservative Werte im unbändigen Machtwillen von Söder. Jeden Tag wird die CSU ein wenig mehr grün und ein bisschen mehr rot, bis sie am Ende im immer gleichen Sumpf des geistigen Kartells von den anderen, schon lange nicht mehr unterscheidbaren Parteien angekommen sind.
Die Mitglieder an der Basis könnten dies verhindern, indem sie das tun, wofür Parteien einmal gegründet wurden: Für Inhalte zu streiten, weil man sie für richtig hält und nicht Inhalte vertreten, weil man für diese gewählt wird. Die Kritiker im Verborgenen wären glaubwürdiger, wenn sie ihren Verdruss nicht im Stillen, sondern lauthals an exponierten Stellen vortrugen. Sie wären ehrlich zu sich, wenn sie endlich aufstehen und sich von ihrem über Dekaden implementieren Devotismus emanzipierten. Dann könnten sie ihre Partei wieder unterscheidbarer machten. Sie wären dann selbst bestimmte Individuen in einer konservativen Partei.
Die CDU hat sich mit der Wahl von Armin Laschet gegen Inhalte und für die den Machterhalt entschieden. Die Schwesterpartei aus Bayern ist auf dem besten Weg, es ihr gleichzutun. Ihre Führung hat sich dazu entschieden. Doch das letzte Wort hat die Basis.