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Für „den Waltz“ sind Querdenker Vollidioten

Von Julian Marius Plutz.

Vor vielleicht 10 oder 12 Jahren war ich ein Abonnent des sogenannten Männermagazins „GQ“. Jetzt lachen Sie nicht! Ich war jung, dynamisch und wahnsinnig von mir und meinem Style überzeugt. Und außerdem gab es zum Vertrag eine hübsche Tasche dazu. In beige. Eine Zeit lang las ich die Zeitschrift recht gerne und wäre sie zwei oder drei Zacken politischer, bzw. überhaupt politisch ambitioniert gewesen, wäre ich vielleicht dabei geblieben. Aber die Beliebigkeit und Gefälligkeit, gerade was Interviews von Prominenten betrifft, war nach kurzer Zeit kaum auszuhalten. Und so verlor ich noch vor Ende des Abos die Lust und das Herrenheft ging den logischen Weg vom Wohnzimmertisch, ins Klo und in die Papiertonne.

An der beliebigen Gefälligkeit, oder besser, gefällige Beliebigkeit hat sich offenkundig nichts geändert. Und so gab Christoph Waltz dem Blatt die Ehre und ließ den Journalisten Einblick gewähren in die Hirn,- und Seelenwindungen des Schauspielers. Sie wissen schon: Der Waltz. Der beste Import aus Österreich seit Almdudler, Sigmund Freud, der Griesnockerlsupp’n und der Band Wanda. Der Waltz. Oscarpreisträger und Dauer-James-Bond-Bösewicht. Einer, der sich seiner Bedeutung und Kunst gewiss ist. Und einer, der auch politisch sein kann, wenn man ihn nur fragt. Und doch irgendwie einer von uns geblieben. Der Waltz eben.

Privilegiert und von oben herab

Nachdem das Gespräch mit knallharten Fragen aus dem Leben begonnen hatte, wie „Christoph Walz denkt manchmal, dass er etwas nicht kann?“ ging es sehr schnell philosophisch weiter: „Ist das große Können zu wissen, was man nicht kann?“. Waltz, stets Gentleman und Herr des hohen Wortes nahm die Einladungen gerne an und gab dem Blatt das, was es haben wollte: Banalitäten von Christoph Waltz, bis der Doktor kommt. So weit, so erwartbar. Doch als das Interview in Richtung Corona geht, zeigt der Schauspieler, wie es so in ihm denkt, wo wir wieder bei Freud wären. Und wie es in ihm denkt ist irgendwie auch erwartbar, aber anders. Und es zeigt, wie ein Medium wie GQ arbeitet.

Auf die Frage wie er die aktuelle Entwicklung sieht, antwortete er zunächst unklar und in Metaphern. „Lemminge“, die „auf die Klippe zu rennen und das für eine Heldentat halten“, von denen er hoffe, dass Ihnen „irgendwann mal ein Licht aufgeht“. Als der Journalist nachfragte, ob er damit die „Corona-Leugner“ meinte, freilich, ohne den Begriff zu definieren, antwortete der Waltz: „Diese Leute, die sich Querdenker nennen, denken entlang des Brettes, das sie vorm Kopf haben.“ Und weiter: „Wenn du das Tragen einer Maske als Beschränken deiner Grundrechte empfindest, dann hast du schon mal im Denkvorgang ein Problem. (…) Das ist einfach nur deppert.“

Nun mache ich einem hoch privilegierten Menschen keinen Vorwurf, dass er hoch privilegiert ist. Und ich finde es schön, dass es noch Kulturtreibende gibt, die nicht von den Corona-Maßnahmen betroffen sind, was der Waltz im Interview auch zugibt. Jeder Mensch ohne dieser staatlichen Freiheitsberaubung, ohne absurde, unmenschliche Berufsverbote, ist mir lieb. Aber wenn man privilegiert, ahnungslos und nicht betroffen über Leute spricht, die das Recht auf Widerwort in Anspruch nehmen und diese als „asoziale Vollidioten“ bezeichnet, dann muss ich die Frage zurückgeben: An welchem meterdicken Brett entlang denkt es im Waltz? Hält er so wenig von anderen Sichtweisen? Hat er so wenig Interesse, an den Bedenken anderer. Falls der Schauspieler oder der eine oder andere Leser an die Studie denkt, Querdenker seien Schuld an mehrere zehntausend Infektionen, sie verhalten sich also wie „asoziale Vollidioten“ empfehle ich diesen starken Artikel, oder diese Einschätzung. Darum soll es hier nicht gehen.

Schuster, bleib bei deinen Leisten!

Am erstaunlichsten jedoch finde ich den journalistischen Rahmen. In einem harmlos anmutetenden Lifestyle Magazin wird ein tendenziöses, propagandistisches und vor allem unwidersprochenes Werk aufgebaut, dass es einem Übel wird. Von „Querdenker“ zu „Corona Leugner“ zu den „asozialen Vollidioten“. Und keine einzige Definition. Keine Begründung. Nichts. Eine Behauptung jagt die nächste. Bei Christopher Hitchens habe ich gelernt: „Was ohne Beweise behauptet wird, kann auch ohne Beweise verworfen werden.“

Ich habe mir angewöhnt, nur noch über Dinge zu schreiben und zu reden, von denen ich Ahnung habe. Dem Waltz empfehle ich das ebenso. Offenkundig gibt es im Umfeld des zweitbekanntesteten Österreichers andere Meinungen zum Thema Covid und der Umgang mit der Politik nicht statt. Und ich würde den Waltz auch nicht als „asozialen Vollidioten“ bezeichnen. Das ist nicht mein Style. Aber die Frage nach der geistig moralischen Konstitution des 64-Jährigen muss erlaubt sein. Oder ist für ihn Charakter nur eine Frage des Schauspiels? Kritikern einer Maskenpflicht, das Denkvermögen abzusprechen, spricht jedenfalls nicht für ihn. Sind die Entscheider in Schweden, oder in einigen US-Bundesstaaten, die im Gegensatz zu den maskierten Staaten kaum Unterschiede zeigen, was COVID Tote angeht, bekloppt? Weiß es Christoph Waltz, Schauspieler aus Wien, einfach am besser, als Anders Tegnell?

Der Waltz sollte sich auf seine Kunst verlassen – da ist er gut und davon hat er Ahnung. Und die GQ sollte sich auf Fragen wie „Warum erfüllt Musik Sie so?“ konzentrieren, anstatt europäischen Prominenten die völlige Sensation zu entlocken, sie halten Trump für „irrsinnig.“ Oder sie besinnt sich auf echten Journalismus, statt gefälliger Beliebigkeit. Oder beliebiger Gefälligkeit. Vielleicht kommt das Magazin dann aus seiner Krise heraus.

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