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Kabarettismus am Nockherberg

Von Julian Marius Plutz.

Eines vorweg: Mit den aktuellen Kabarettisten können Sie mich in aller Regel jagen. Ja. Ob „Extra 3“, oder „Neues aus der Anstalt“. Ob Pispers, Rether und wie sie alle heißen. Meist überzeugt mich ihr Programm nicht. Nicht nur, weil die Themenauswahl selektiv ist und in das Weltbild der Protagonisten zu passen hat, was wiederum zur Folge hat, dass andere, wichtige Themen nicht vorkommen. Vor allem aber nervt mich das gewollt Ernste in den Nummern, wenn die Künstler von Bedeutung nur so triefend ihre völlig unmaßgebliche moralische Agenda präsentieren.

Auch viele Beiträgen von Dieter Nuhr oder Lisa Eckhart hauen mich nicht vom Hocker. Sie sind nett, ja, ja, Ok. Aber Sie wissen ja, wie die Schwester von „nett“ heißt. Einzig die skurrilen Interviews mit der Eckart unterhalten mich sehr, da sie auf eine unglaublich authentische und gleichzeitig so künstlich-sterilen Weise eine Originalität an den Tag legt, an die vielleicht noch an die wunderbare Monika Gruber heranreicht, wenn sie mal wieder in altbairisch die Merkwürdigkeiten des Alltags beschreibt. Noch mehr als das erheitert mich jedoch der regelmäßige Shitstorm um Lisa Eckhart von Leuten, die tatsächlich nicht in der Lage sind, zwischen Person und Kunstfigur zu unterscheiden. So doof zu sein ist auch irgendwie Kunst.

Lachen first, sich langweilen second

Aber dennoch: Deutsches Kabarett ist seit Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt nicht mehr das was es war oder viel mehr das, was es sein sollte: Den herrschenden Herrschaften mit Satire und Biss wenigstens für einen Moment das selbstgerechte Grinsen aus dem Gesicht zu zaubern. Ich selbst durfte Hüsch, aber auch Neuss, Beltz und Degenharts Werke einmal in einer kabarettistischen Revue, in der ich mitspielte, interpretieren. Mich beeindruckten damals vor allem die Texte vom Wolfgang Neuss („Ich finde Weizäcker gut. Aber nicht so gut, wie er tut“) und die vom schwarzen Schaf vom Niederrhein.

Wo Hüsch noch in „die sogenannten Intellektuellen“ das Establishment auf die seine Art verhöhnte, scheinen mir viele der heutigen Spaßerzeuger eben diesem Establishment gefallen zu wollen. Genauso spielte es sich in diesen Tagen in München ab. Auf dem Nokherberg, wo in diesem Jahr wieder das „Derblecken“ stattfand. Doch da mir die Sendung wärmstens empfohlen wurde, freute ich mich auf den Abend. Vielleicht werde ich eines besseren belehrt, beim diesjährigen Nockherberg. Weiß man‘s?

„Derblecken“ ist bayrisch und heißt kritisieren, verspotten. Gerne laut und gerne derb. Klassischerweise sitzen die Großkopferten vor Wurschtplatten, Riesenbrez‘n und Metallkrügen voll Starkbier und lachen sich bei jeder noch so schiefen Pointe ein Loch in den Bauch. Mit hochroter Visage und dem Puls kurz vor‘m Kammerflimmern schütteln sich die Politiker durch den Abend. Was sind unsere Herrschaften doch für humorige Wesen! Ja nicht den Anschein erwecken, man sei mit dem Programm nicht so einverstanden. Lachen first, sich langweilen second.

Maxi Schafroth war wie sein Vorname: Lieb und harmlos

Nachdem der Nokherberg 2020 aus lauter Schreck vor dem pandemischen Massensterben ausgefallen war, was dann selbst ausfiel, fand das Derblecken 2021 ohne Zuschauer statt. Maxi Schafroth führte in einem Solo den Zuschauer durch das Programm, in denen die Großkopferten, vom Eiwanger bis zur Schulze und natürlich unser aller Führer, Dr. Markus Söder via Webcam geschaltet waren. Jeder hatte seinen eigenen Bildschirm und jede Partei war auch vertreten. Schön. Moment, jede Partei? Leider hatten der Bayrische Rundfunk die größte Oppositionspartei im Bundestag vergessen. Dafür sah man Dietmar Bartsch, DIE LINKE, von einer Partei, die überhaupt nicht im Maximilianeum sitzt.

Der Standard will doppelt sein. Gerade radikalisierte sich die Linke mit ihren beiden neuen Vorsitzenden. Susanne Hennig-Wellsow unterzeichnete den Appell für eine antikapitalistische Linke, eine Gruppierung, die der Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich einstuft. Ebenso wie Marx 21, ein Bündnis, das die Co-Vorsitzende Janine Wissler mitgründete. All das wären Steilvorlagen fürs Derblecken, wenn schon mal der Fraktionsvorsitzende Bartsch „vor Ort“ ist. Wäre. Kein Wort davon. Auch der Versuch, die AfD per Verfassungsschutz zu beobachten, was krachend scheiterte, fand im Programm kein Platz, ebenso wie die 20 Abgeordneten der Ex-SED, die verfassungsfeindliche Gruppierungen unterstützen.

Das Programm vom Maxi Schafroth war wie sein Vorname: Lieb und harmlos. Mühe gab er sich, keine Frage und die choralen Gesangseinlagen waren aller Hören wert. Doch zu zaghaft, zu nett und zu respektvoll, fast schon anbiedernd schlingelte sich der Allgäuer durch den Abend. Und die Politiker? Sie lachten standesgemäß, was man, je länger der Abend wurde, um so häufiger und lauter hörte. Eigentlich hörte man irgendwann nur noch Katharina Schulze, die grüne fleischgewordene Infantilität. Jede Pointe beantwortete Mrs. Femizit mit einem Kichern oder gar einem Lachen. Ich habe keine Ahnung, welchen Sinn es macht, die völlig uninteressanten Reaktionen von Katharina Schulze zu präsentieren. Eins jedoch weiß ich ganz bestimmt: Es nervte tierisch.

Die Höchststrafe für Satiriker

Eingebettet war Schafroths Programm in einer 45 minütigen An- und einer 30 minütigen Abmoderation, die sich wie zweimal „Sieben Jahre in Tibet“ anfühlte. Ja. Ich habe keinen Schimmer, weshalb man alle 28 geschalteten Politiker vorher fragen muss: „Was erwarten Sie vom Nockherberg 2021?“ und nach der Show dann fragen muss: „Wie fanden Sie den Nockherberg 2021?“ Oder, vielleicht weiß ich es doch? Dieses anbiedernde Moderation erregt den Verdacht der Gefälligkeit. „Hoffentlich gfällt‘s dem Margus und dem Hubert!“

Kurze Antwort auf die Sorge: Ja, es gefiel. Ein jeder Politiker wurde nach dem Programm interviewt und jeder, wirklich jeder sagte das gleiche: „Mei, der Maxi hat des so schee gemocht!“ Ja, ja. So schee. Der Schwiegersohn vom Nockherberg wurde von allen herzlich geherzt und wäre es eine echte Live Veranstaltung ohne Abstandsregeln, käme er aus den Umarmungen nicht mehr raus. Den einzigen, eher sphärischen Unterschied machte Hubert Aiwanger. Der bayrische Wirtschaftsminister hörte sich an, als wäre er gerade auf dieser Mars Mission und repräsentierte eindrucksvoll den Stand der Digitalisierung in Bayern. „Aber auch so schee hat‘s der Maxi gemacht“, freute sich auch Claudia Roth. Na dann kann ja nix mehr schief gehen.

Die Höchststrafe für einen Satiriker ist es, vom Ziel seiner Satire gelobt zu werden. Der Maxi Schafroth wurde von jedem einzelnen Politiker bestraft. Und er hat selber Schuld. Wenn auch nur einer der Herrschaften seine Visage noch im Griff hat, bei mehr als 90 Minuten Zeit für Beleidigung und Spott, der betreibt kein Kabarett, sondern Kabarettismus. Wie der Hofnarr den König Bei Laune hielt, so degradiert sich Maxi Schafroth selbst zum Pausenclown des Establishment. Gefälligkeit und Satire geht nicht zusammen. Kabarett und politische Agenda auch nicht. Kabarett sollte nicht zum Kabarettismus verkommen.

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