Von Julian Marius Plutz.
Ich saß mit Freunden „Zur Goldenen Gans“. Boote der Wasserwacht fuhren mit Blaulicht den Main entlang, an dem der Biergarten lag. Würzburg im Sommer ist sehr nah am Paradies, wenn die Alte Mainbrücke von Weinliebhabern überflutet ist und man, ich geb’s gern zu, genervt ist, weil es dauert, bis man endlich ans andere Ufer gelangt, weil die Menschen dort stehen und Silvaner, Bacchus und der Sorte mehr trinken.
Wir wunderten uns bei Brotzeit und Kaltgetränk, was wohl passiert sei. Unsere Endgeräte sorgten für Klärung Die heile Welt, wie ein Freund, der dort mit mir studierte und die Stadt immer so bezeichnete, erlebte den nackten Terror. „Heile, Heile Segen“ war gestern.
Plötzlich war alles voll von Polizei. Auf dem Handy lasen wir, dass im Zug, der von Treuchtlingen über Ansbach bis nach Würzburg fuhr, ein Mann mit einer Axt die Fahrgäste attackierte. Weil er es konnte und weil er sich auf den Koran bezog. Mit „allahu akbar“ begann die Schlachtung und mit dem selben Schlachtruf endete seine Tat.
Es war genau der Zug, in dem ich hunderte Male, so auch an diesem Abend, saß. Zwei Stunden trennten mich, um ein potentielles Opfer dieser Tat gewesen zu sein. Aber ich saß im Biergarten mit Freunden und trank naturtrübes Bier. Ich nahm einen anderen Zug.
Am 25.06.2021 kam das Grauen, das auf den Namen Terror hört, zurück in die vermutlich schönste Stadt der Welt. Ein 24- Jähriger Somalier tötete im Herzen der kleinen Metropole, am wunderschönen Barbarossa-Platz, drei Menschen. Fünf andere Personen verletzte er. Ich kontaktierte sofort meine Freunde und Bekannte, wie es ihnen geht. Sie saßen tatsächlich, wie damals mit mir vor fünf Jahren, im Biergarten der „Goldenen Gans“. Diese Geschichte ist wahr und ich bin Gott froh, dass niemanden etwas passiert ist, den ich zu meinem Bekanntenkreis zähle. Und dennoch entsetzt mich die Tat. Es ist etwas passiert, was niemals hätte geschehen dürfen. Diese Tat erzeugt Opfer.
Neben den expliziten Opfern von Terror, die Opfer und die Angehörigen, evoziert Terror auch Opfer impliziter Art. Die, die sich fürchten. Terror verbreitet Angst. Ein mir nahestehender Mensch hatte über Monate Probleme, nach der Axt-Attacke in der Regionalbahn, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sicherlich ist dieses Beispiel ein Extremfall. Es zeigt aber, was Terror bewirken kann. Sie müssen verstehen, was das mit Menschen macht. Es verschüchtert nicht nur, es schüchtert ein. Es macht krank und zerfetzt Seelen.
Würzburg hält diese Tat aus. Natürlich wird die Stadt das tun. Aber es hinterlässt Narben. Vor der Frage „wie“ kann ein Terrorist agieren, kommt das „warum“. Warum tut ein Mensch ein solch entsetzliches Verbrechen? Und „wie“ kann man ihn daran hindern?
Das Fass, das ich aufmache, hat einen Boden. Es liegt im Jahr 2015. Und nur weil ich Glück hatte, vor fünf Jahren in der „Goldenen Gans“ gesessen zu haben und nur weil meine Freunde am 25.06., am Tag des Messers in Würzburg genau in diesem Biergarten saßen, heißt das nicht, dass andere Menschen verschont geblieben sind. Es ist das Entsetzliche von Gewalt. Es ist die schlimmste Tat, die man einer Person antun kann. Ihr das Leben zu nehmen.
Ich komm‘ nicht umhin. Wir müssen dem ein Ende setzen. Es geht nicht mehr weiter. Das hat Würzburg, Franken, Bayern, das hat Deutschland und die aufgeklärte Welt nicht verdient.
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