Von Julian Marius Plutz.
Vor einiger Zeit Interviewte ich eine junge Frau, die 500 km alleine ins Ahrtal fuhr, um in ihrem Urlaub den Flutopfern zu helfen. Trotz des kaum erträgliche Leid und vor allem trotz eklatanten politischen Versagens, das wie üblich ohne Konsequenz blieb, beeindruckte n mich die Schilderungen der gegenseitigen Hilfe. Allein in meinem Umfeld kannte ich drei Personen, die spontan aufbrauchen, um wildfremden Menschen zur Hand zu gehen. Es sind die kleinen und großen Heldengeschichten, die dem zu Tode misshandelte Wort „Solidarität“ einen Hauch von Bedeutung schenken.
Viele andere dagegen spendeten Geld. Stand Anfang August kamen bereits 360 Millionen Euro zusammen. Die Erwartungshaltung der Spender war offenkundig: Das Geld möglichst gezielt für die Flutopfer einzusetzen. Ob für den Wiederaufbau ihrer Häuser, oder für Soforthilfe. Wichtig hierbei ist, dass es schnell und unbürokratisch bei den Betroffenen ankommt.
Auf der anderen Seite gibt es Frau Ina Scharrenbach. Frau Scharrenbach ist Mitglied der CDU und bekleidet in Nordrhein-Westfalen das Amt der Bauministerin. Am 17. September war sie zu Gast im Deutschlandfunk (DLF) und berichtete in einer, angesichts der Versäumnisse, was die Evakuierung anging, abenteuerlichen Selbstzufriedenheit über die Wiederaufbauhilfe und den vom Bund installieren Fond.
Die Spender zahlen doppelt
Doch wirklich brisant wird das Interview ab Minute 3:50. Der Moderator fragt die Politikerin nach den Spenden, inwiefern diese eingesetzt werden. Die Antwort der Ministerin macht deutlich, dass sich Privatpersonen die Geldbeträge im Prinzip hätte sparen können. Denn Gelspenden, so Frau Scharrenbach „werden abgezogen“. Das heißt, die 12,3 Milliarden Euro, die das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Wiederaufbaufond erhält, werden zunächst geschont, da die Spenden von Oma Gerda und Famile Winkler erst einmal aufgebraucht werden müssen. Das Irre dabei. Die Spender bezahlen mit ihren Steuergeldern ohnehin den Rettungsfond.
Anders gesagt: Der Staat versagt in einer präzedenslosen Art, was Frühwarnung und Evakuierung angeht. Er ist in der Bringschuld, sein eigenes Versagen wenigstens teilweise mit finanziellen Mitteln zu kompensieren. Doch was macht er stattdessen? Er spart Geld, indem der Staat die privaten Zuwendungen dem Wiederaufbaufond vorzieht. Familie Winkler und Oma Gerda unterstützen also nicht die Flutopfer, sondern den mitschuldigen Akteur dieser Flut: Den Staat selbst.
Der Deutschlandfunk schweigt
Frau Scharrenbach erzählt das in einer völligen Selbstverständlichkeit. Für sie ist es so, oder so nicht ihr Geld. Nichts riskiert sie, keine Verantwortung trägt sie. Sie ist nicht „Skin in the game“, wie Nicholas Taleb sage würde. Natürlich ist sie noch und natürlich bleibt sie auch weiterhin im Amt. die Ministerin verkörpert die personifizierte Politikverdrossenheit, die fleischgewordene Überheblichkeit und Ignoranz der Regenten. Diese Art von Amtsträger bestätigen Roger Köppels Eindruck, die deutsche Politik spiele sich in einem „hermetisch abgeriegelten Raumschiff“, die den Blick für die Realität längst verloren hat.
Und die Journaille? Dem routinierten Interviewer Jörg Münchenberg scheint die Tatsache, dass private Spenden die Aufgabe des staatlichen Hilfsfonds kompensieren, nicht aufgefallen zu sein. Oder es ist ihm egal. Ich habe immer öfter den Eindruck, dass gerade die Hauptstadt-Journalisten in ihrem Saturiertsein den Blick für höhere Sphären ihres Berufsstandes verloren haben. Politiker sind nicht zu kritisieren, sondern zu hofieren. Sicher, auch im Öffentlichen Rundfunk gibt es Ausnahmen, die wir dann wie den Fund eines vierblättrigen Kleeblattes feiern. Doch die Ausnahme sollte die Regel sein. Hofberichterstattung macht bereits Steffen Seifert.
Auch für die freiwilligen Helfer muss das Vorgehen der Ministerin wie der letzte Hohn vorkommen. Zu keinem Zeitpunkt erfuhren sie vom Staat Anerkennung, wenn man die Worthülsen des Bundespräsidenten einmal abzieht, der allen Ernstes noch einmal für eine zweite Amtszeit antreten möchte. Und Spender werden sich zweimal überlegen, beim nächsten mal erneut eine Überweisung zu tätigen, wenn sie damit im Zweifel den Staat finanzieren.
3 Antworten auf „Flutspenden kompensieren staatlichen Hilfsfond“
[…] Flutspenden kompensieren staatlichen Hilfsfond — Neomarius […]
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Sollten wirklich die Spenden von der staatlichen Aufbauhilfe abgezogen werden, ist dies eine Ungeheuerlichkeit und Ignoranz und lässt neben der Gefühllosigkeit staatlicher Entscheidungsträger auch die Tatsache außer acht, dass die staatliche Hilfe weder alle materiellen Schäden, geschweige denn das Leid und den Schmerz der Betroffenen kompensiert.
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Und deshalb spende ich nur noch direkt, kein DRK und co. kommt an meine Geldbörse.
Das kann ich nur jedem empfehlen.
Bei meiner kleinen Spende weiß ich, hundert Prozent sind angekommen und kein Staat weiß davon.
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