Von Julian Marius Plutz.
Es ist etwas passiert, was eigentlich überfällig war. Ehrlich gesagt wunderte ich mich, dass es nicht schon viel früher passieren ist. Jörg Meuthen tritt zur Wahl als Bundessprecher der Alternative für Deutschland (AfD) nicht mehr an. Zu groß war wohl der Druck aus ihm weniger geneigten Landesverbänden. Aber auch aus den Fraktionsvorsitzenden, von der die eine, Frau Weidel, aus Meuthens Landesverband kommt, gab es immer wieder Gegenwind.
Was das für die Zukunft der AfD bedeutet, bleibt unklar. Klar ist jedoch: Jörg Meuthen stand in den sechs Jahren Amtszeit unermüdlich, fast stoisch für den freiheitlichen Flügel seiner Partei. Der dem klassischen Liberalismus stammende Ökonom war stets skeptisch, was die protektionistischen Ideen aus den Ostverbänden anging. Sein vorangingen Antrieb war sie Eigenverantwortung, während die anderen nach dem Staat riefen. An dieser uralten Fede, Paternalismus gegen Liberalismus, ist er letzten Endes gescheitert.
Im Osten längst Volkspartei
Dieses Spannungsverhältnis entlud sich spätestens für jeden sichtbar beim Thema Rente: Mit seiner Maximalforderung, die gesetzliche Rente abzuschaffen, ist der Mann aus Essen gescheitert. Der Satz von Björn Höcke schien sich durchgesetzt zu haben: „Es geht darum, die sozialen Errungenschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung gegen die zerstörerischen Kräfte des Raubtierkapitalismus zu verteidigen“. Eine Formulierung, die auch von Sarah Wagenknecht oder Kevin Kühnert hätte sein können.
Womöglich ist der liberale Wähler gar nicht in erster Linie das Kernklientel der AfD. Wählerbewegungen zeigen, dass die Alternative für Deutschland Ihr Potential eher aus frustrierten und ehemaligen SPD- und Unionswähler speisen. Und in dem ostdeutschen Bundesländern ist sie längst zur Volkspartei geworden. Forderung über eine Umwandlung des gesetzlichen Rente in ein kapitalgedecktes System, so diskutabel der Vorschlag auch sein mag, findet bei den meisten Arbeitern, was die größte Wählergruppe ausmacht, wenig Gehör.
Die Themen sind zu eng gestrickt
Vielleicht hat sich Meuthen auch einfach verrechnet. Anders als seine Kollegin Alice Weidel, die was ökonomische Themen angeht wohl vom gleichen Schlag ist, hat er seine Meinung zu Rente oder den Sozialsystemen immer offensiv vertreten. Dabei sind diese Punkte in der Partei längst keine Leitthemen mehr, falls es sie jemals welche waren. Heute geht es bei der AfD vorrangig um Flüchtlinge, Corona, Flüchtlinge und Corona.
Nicht falsch verstehen: Natürlich sind die Freiheitsbeschränkungen, die das Volk aufgrund des Corona-Regimes ertragen musste ein enorm wichtiges Thema, das viele anderen Punkte auf natürlicher Weise überschattet. Eben weil es uns alle im Alltag betrifft. Und sicherlich bedarf es auch mehr Diskurs um das Thema Einwanderung, gerade im Bezug auf Minderheitenschutz und staatlicher Ordnung. Auch hier hat Deutschland massive Fehler begangen. Doch jenseits dieser Felder bewegt das Land noch mehr. Die AfD wurde einst aufgrund der Eurokrise gegründet. Heute jedoch ist die Kritik an der Währung, an den absurd hohen Target-Salden, oder der Politik der EZB wenig zu hören. Eigentlich alles genuine AfD Positionen.
Von der FDP ist wenig zu erwarten
Das Problem ist: Die AfD ist längst keine Partei der klassisch liberalen Ökonomen. Lucke ist weg, Starbatty und Henkel ebenso. Nun tritt auch Jörg Meuthen nicht mehr als Bundessprecher an. Wahrscheinlich war eine Öffnung in Richtung Etatismus und Kümmererpartei ein wesentliches Erfolgsrezept der AfD. Inwiefern sie noch wahrhaftig bleibt, wenn die Corona-Maßnahmen vorbei sind, bleibt abzuwarten. Das „Gute“ daran ist: Wahrscheinlich wird der Wahnsinn epidemischer Art noch einige Zeit länger anhalten.
Das Unschöne an einer Kräfteverschiebung wäre jedoch, dass die Etatisten und Protektionisten das Ruder übernehmen und Freiheitliches, vielleicht sogar libertäre Standpunkte, in der Partei keinen Raum mehr finden werden. Doch nicht nur dort: Da die FDP sich gerade als Steigbügelhalter für Rot-Grün installieren lässt, ist zu diesem Thema auch von den selbsternannten Liberalen wenig zu erwarten.
Endgültiger Abschied vom Liberalismus?
Es droht die Gefahr, dass hier ein Vakuum entsteht, welches von den etablieren Parteien im Bundestag nicht mehr besetzt wird. Aus eben diesem Vakuum von nicht behandelten Themen sind die Grünen entstanden, aus dieser Lücke ist die Ex-SED aus Ruinen auferstanden und aufgrund dieser Tatsache gründete sich die AfD. Falls sich die Alternative für Deutschland endgültig vom Liberalismus verabschiedet, dürfte hier eine neue Bewegung erforderlich werden.
Björn Höcke indes wird es freuen. Für ihn war der Volkswirt Meuthen immer schon ein Dorn im Auge. Zu westlich, zu kapitalistisch, zu liberal. Es könnte zu der Stunde des Thüringers sein, der eigentlich aus Lünen stammt. Für Jörg Meuthen bedeutet das den Anfang vom Ende. Um den Professor ist es einsam geworden. Die Lautschläger und Marktschreier dagegen reiben sich die Hände und sind bereit, seinen Platz einzunehmen.
4 Antworten auf „Der einsame Professor Meuthen“
[…] Der einsame Professor Meuthen — Neomarius […]
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Herr Marius,
Beim Lesen dieses Artikels wurde mir bewusst, dass Sie es wohl ernst nehmen….Die AfD in meterweisen Versen als irgendwas beschreiben ohne zu erwähnen welche Gefahr v ihr ausgeht. Mutmaßlich fehlt es ihnen an Intellekt, was man auch am Schreibstil lesen kann (10 te Klasse)
Weiterhin fragte ich mich worüber Sie nun schreiben werden (hope not!), wenn Corona vorbei ist?
Sie tun mir leid, ähnlich wie alle anderen ostdeutschen AfD wähler.
Grüsse
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Eine bescheidene Frage, denn im Normalfall lasse ich keine anonymen, stumpfen Beleidigungen hier zu, aber jetzt mache ich es mal anders. Zur Frage, denn die ist ganz einfach: Warum lesen Sie hier und kommentieren seit Monaten, wie ein zurückgewiesener Lover? Wenn Sie hoffen, dass ich nicht weiter schreibe, weshalb kommentieren Sie hier überhaupt?
Und glauben Sie nicht, dass mich solche Beiträge treffen. Erstens bekomme ich im wesentlichen üblere Beiträge und zweitens, nun ja, für eine gepflegte und originelle Beschimpfung fehlt es Ihnen an Schneid und vor allem an Kreativität.
Grüße an den Gratler
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Ich habe die AfD bei der Wahl gewählt, aber weniger aus Überzeugung als vielmehr aus dem Frust heraus, dass die anderen Partei mir nichts mehr bieten können. Aber die AfD verpasst alle Steilvorlagen, die ihr die Politik der anderen bietet. Das fängt schon bei der Energiepolitik an. Habe ich im Wahlkampf etwas von den sich abzeichnenden Versorgungsproblemen gehört, eine Frage, die fast jeden Bürger umtreibt. Da hätte man sich positionieren können. Es kam nichts. Oder mal konkrete Pläne zur Einwanderung vorlegen. Das Gejammer darüber, dass die anderen sie nicht mitspielen lassen, interessiert mich nicht. An seinem Profil muss man schon selbst arbeiten. Bleiben wird die Partei, aber ohne Inhalte ist man eine Luftnummer.
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