Von Julian Marius Plutz.
Am 11. Oktober 2021 wurde der sogenannte Coming Out Day gefeiert. Seit 1988 gibt es diesen Tag, ausgehend vom am Second National March on Washington for Lesbian and Gay Rights. Damals nahmen in der US-Hauptstadt rund 500.000 Menschen teil, um für die Rechte von Schwulen und Lesben einzustehen. Mit Erfolg: In Deutschland haben Homosexuelle nahezu die gleichen Rechte, wie vergleichsweise heterosexuelle Partnerschaften. Sogar die „Ehe“ dürfen sie schließen, ein Bund, den bisher nur Mann und Frau eingehen durften.
Auch auf Twitter mehren sich unter dem Hashtag #comingoutday. Ich kann diese Aktionstendenz, etwas von sich nach außen zu tragen, bis zu einem Punkt durchaus nachvollziehen. Um so schöner ist es anzusehen, dass die Reaktionen auf das Bekenntnis zur Homosexualität häufig positiv, oder zumindest nicht negativ ausfällt. Mein Favorit war dieser:
Ich: Jo, Mum kann sein das ich irgendwann mal nen Freund oder ne Freundin mit nach Hause bringen.
Mutter: Jo, überrascht mich jetzt nicht.
Heuchelei auf Wohnzimmerniveau
Aber natürlich gibt es auch andere Fälle. In Serbien werden immer noch die Konversionstherapie angewandt, um die Homosexuellen „umpolten“ zu wollen. Im Iran entgehen Schwule den staatlich angeordneten Tod durch eine Geschlechtsumwandlung. Dann sind sie für sie Mullahs zwar immer noch Dreck, aber immerhin lebenswerter Dreck.
Auch in Quatar steht Homosexualität unter Strafe. In dem Land, das für seine Fußballbegeisterung weltberühmt ist, findet nächstes Jahr die Weltmeisterschaft statt. Deutschland hat sich just für das Turnier qualifiziert und keinen Moderator oder Reporter schien es zu stören, dass es sich bei der Monarchie um eine schwulenfeindliche, islamische Diktatur handelt.
Diese Heuchelei auf Wohnzimmerniveau, immerhin sieben Millionen Menschen sahen das Spiel Deutschland gegen Nordmazedonien, hat Struktur, endet jedoch jäh bei den etwas anderen Outings. Viele Leser wissen es, es ist auch kein Geheimnis und eigentlich auch völlig egal: Ich bin homosexuell. Mein Outing im Jugendalter lief familiär reibungslos, während es im Bekanntenkreis in Teilen schon etwas anders aussah. Einige wendeten sich von mir ab, was ich erst Monate und Jahre später richtig realisierte. Und dennoch: Mein Outing als Schwuler lief, wenn man sich andere Fälle ansieht, einigermaßen gut.
Eingesperrt zwischen gut und böse
Doch dann gab es noch ein weiteres Outing in meinem Leben. Eines, wie das andere bis heute anhält. Mein Outing als liberal-konservativer Autor. Ich musste erfahren, dass das Klischee dieser Gesellschaft stimmt. Offenkundig ist es kompliziert geworden, eine Meinung zu vertreten und diese mit Klarnamen zu postulieren, so lange diese jenseits des Mainstreams ist. Während mein Umfeld im Großen und Ganzen kein Problem mit meiner Homosexualität hat, gibt es, was meine politische Einstellung angeht, immer öfter Schwierigkeiten.
Dabei rede ich nicht von Diskussionen, die gab es und gibt es – Gott sei Dank – immer. Es geht viel mehr darum, dass viele, auch in öffentlicheren Diskussionen nicht in der Lage sind, zwischen Person und Meinung zu unterscheiden. Da wird nicht nur das Argument für schlecht gehalten, was natürlich völlig in Ordnung ist, sondern auch der Mensch an sich. Es handelt sich hier um eine quasi klerikale Betrachtung der Diskussionspartner: Eingesperrt zwischen Gut und Böse gibt es faktisch nichts.
Etablierte Diskrimierung
Viele Autoren, zum Beispiel von der Achse des Guten kennen das. Sie werden nicht zitiert, obwohl die Reichweite beträchtlich ist. Sie werden von Diskussionen ausgesperrt. Sie wissen ganz genau, dass sie aufgrund ihrer Beiträge in diversen Plattformen bei 90% aller anderen Medien nicht mehr publizieren werden können, da es „Ausschließlichkeitserklärungen“ mit „umstrittenen“ Medien gibt. YouTube und Facebook sperrt regelmäßig rechtswidrig, was immer erst Gerichte entscheiden müssen. Sogar Banken, wie im Falle von Boris Reitschuster, sehen sich als verlängerter Arm des politisch korrekten Totalitarismus und kündigen willkürlich Konten. Von den Presseschauen von NDR Info bis Deutschlandfunk, in denen zwar das Ex-SED Blatt regelmäßig „Neues Deutschland“ zitiert wird, nicht aber Tichy, Junge Freiheit oder achgut, einmal ganz abgesehen.
Diese Leute, die natürlich kein Problem mit Homosexuellen haben, würden nie zugeben, dass sie menschenfeindlich argumentieren. Doch genau das ist es: Wenn jemand, weil er für dieses, oder jenes Medium schreibt, ausgesperrt und diskriminiert wird, dann ist das nichts anderes, als wenn ein Homosexueller nicht so akzeptiert wird, wie er ist. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich kenne beides. Beides ist gleich schlimm. Doch nur eines davon wird gesellschaftlich toleriert.
Die saturierte Gesellschaft
So gesehen ist mein Beitrag zum Coming Out Day eben dieser: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Im Artikel 3 steht nicht: „Niemand darf benachteiligt werden, außer er hat eine vom Mainstream abweichende Meinung“. Wer dies denkt und lebt, sich aber als frohen, toleranten Menschen feiert, hat ein intellektuelles, aber vor allem moralisches Problem. Und wer in seiner Saturiertheit festgefahren ist und jedes Outing solange feiert, so wie es in den Zeitgeist passt, der kann auch getrost die WM bei den Schwulenfeinden schauen.
Eine Antwort auf „Mein Coming Out als „umstrittener“ Autor“
[…] Im Oktober schrieb ich über ein Thema, das mich seit Jahren betrifft: „Mein Outing als umstrittener Autor.“ […]
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