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Ökonomik

Ampel: Kein Fortschritt auf dem Arbeitsmarkt

Von Julian Marius Plutz.

„Mehr Fortschritt wagen“ – lautet das Motto der neuen Bundesregierung aus SPD, Grüne und FDP. In Anlehnung an den ersten sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandts, „mehr Demokratie wagen“ von 1969, geht also Rot-Rot-Grün in die Vollen. „Mehr Pathos wagen“ ist, wenn man sich die gestellt-euphorischen Floskeln des Koalitionspapier anschaut, zumindest kaum noch möglich. Und apropos Fortschritt: Zum Thema „Arbeit“ findet sich im neuen Kabinett eine beängstigende Kontinuität in persona des zuständigen Ministers dessen einzige Überraschung die Existenz eines zweiten Vornamens sein dürfte: Wolfgang-Hubertus Heil.

Es ist kein Geheimnis, dass ich den Sozialdemokraten für eine außergewöhnliche Fehlbesetzung halte. Wo hier der „Fortschritt“ beim Koalitionsmotto geblieben ist, wenn man sich diese Personalie ansieht, kann kaum nachvollzogen werden. Denn Heil hat die ganz besondere Eigenschaft, Minister für Arbeit und Soziales – was letzteres auch sein mag – zu sein, ohne jenseits der Politik jemals gearbeitet zu haben.

Von einem Amt zum nächsten Posten

Der neue und alte Arbeitsminister wurde doch tatsächlich am Hubertustag 1972, daher wohl sein Name geboren. Nach dem Zivildienst begann er 1995 das Studium in Politikwissenschaften und Soziologie, welches er elf Jahre später an der Fernuniversität Hagen abschloss. Dazu war der Hubertus von 1994 bis 1998 Mitarbeiter einer Landtagsabgeordnete. Von 1995 bis 1997 war er außerdem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD in Brandenburg. Immerhin.

1998 zog er dann in den Bundestag ein. Der Rest ist die logische Geschichte einer Parteienkarriere. Vorsitzende einer Fraktionsgruppe, Generalsekretär, stellvertretender Vorsitzender der SPD und nun Fachminister. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Person, die niemals jenseits der eigenen Partei gearbeitet hat, den „gemeinen Arbeiter“ vertreten könnte. Hubertus Heil ist der klassische Politikerdarsteller aus der Retorte. Sein Lebenslauf erscheint deckungsgleich mit Hunderten seiner Kollegen. Genauso gut hätte er auch Gesundheitsminister werden können, Familienminister (unwahrscheinlich jedoch, weil er keine Frau ist) oder Entwicklungshilfeminister. Leider Gottes darf sich Hubertus Heil auf seine zweite Amtszeit als Arbeitsminister, oder wie es passender ist, Arbeitsverhinderungsminister, freuen.

Weniger Kündigungsschutz oder mehr Zeitarbeit?

Seine größte politische Dummheit in diesem Ministerium war wohl, die Arbeitnehmerüberlassung immer wieder zu beschneiden. Höhepunkt war sicherlich, im Zuge einer irrationalen Panik rund um Corona und Tönnies, die Zeitarbeit in Branchen der fleischverarbeitenden Industrie zu verbieten. Das bedeutete Arbeitslosigkeit auf Knopfdruck, dafür das gute Gefühl des arbeitsfernen Ministers, etwas ganz großes getan zu haben. Dabei sorgte er für Millionenverluste, steigende Preise und Menschen ohne Job.

Auch wenn diese Meinung unpopulär sein mag: Die hohe Anzahl an Arbeitsnehmerüberlassungsverträgen liegt auch daran, dass der Kündigungsschutz in Deutschland sehr rigide ist. So ist es tägliche Realität, dass ein Arbeitsgeber einen schlechten Mitarbeiter nicht, oder nur mit langen Fristen loswerden kann und ein arbeitsloser, guter potentieller Beschäftigte dafür nicht eingestellt werden kann, da man den Schlechten nicht losbekommt. Arbeitsnehmerüberlassung umgeht das in vielen Fällen, da das Risiko eines untauglichen Mitarbeiters, gerade zu Beginn, auf den Personaldienstleister ausgelagert wird.

Die Frage ist eine politisch-normative: Möchte die Politik einen hohen Standard an Kündigungsschutz suggerieren, in dem sie die Risiken auslagert und somit zumindest die potentielle Gefahr von Unübersichtlichkeiten und Missbrauch besteht, oder soll viel mehr das Unternehmen selbst flexibel auf Markt- und Belegschaftssituationen reagieren. Denn eines ist klar: Ein guter Mitarbeiter wird nicht entlassen, weil er gut ist, sondern, wenn es notwendig ist, weil es die Marktgegebenheiten erfordern und das Unternehmen ansonsten nicht überleben kann, was zur Folge hat, dass eine gesamte Belegschaft arbeitslos ist. Damit ist niemandem geholfen.

Mehr Geld ausgeben wagen

Doch so wenig es Sinn macht, mit einer linken Politik zu diskutieren, die alles und jeden kontrollieren möchte, „Telegram“, den Arbeitsmarkt und das Weltklima, um sie anschließend „sozial und ökologisch“ umzubauen, wie das die Grüne Ricarda Lang forderte, die an die Spitze ihrer Partei möchte. Das Gute ist: An Telegram haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen, genau so wenig sich das Weltklima sich nicht wie die Temperatur im Willy-Brand-Haus per Drehschalter verändern wird.

Und auch die Gesellschaft hat noch ein Wörtchen mitzureden, wenn sich Emporkömmlinge einer 15% Partei als Gesellschaftsingenieure betätigen wollen. Bleibt der Arbeitsmarkt, wo wir wieder bei Hubertus Heil und den Koalitionsvertrag sind. „Mehr Fortschritt wagen“. Also los!

So wie man das Papier liest, kommt man nicht umhin, dass die drei Parteien alle Probleme mit massiven Geldzahlungen – wie üblich ohne konkret zu werden – lösen wollen. So soll mit „Bund, Ländern und Kommunen ein Pakt aufgelegt werden“. Sodann sollen „tarifliche Ausgleichsfonds“ geschaffen werden. Auch die „Hilfe für Geflüchtete“ soll „geöffnet“ werden. Und wenn Sie mich fragen, was das alles bedeutet, so kann ich nur sagen: Keine Ahnung, aber es wird teuer.

Über eine Formulierung stolperte ich dann doch. Die Koalition „initiiert „außerbetriebliche Ausbildungsmöglichkeiten“, wobei „inszeniert“ das besser Wort gewesen wäre. Denn Ausbildungen außerhalb von Betrieben sind häufig Ausbildungen, die schlicht nicht gebraucht werden. Denn woher sollte eine staatliche Schule wissen, wie viele Bäcker, CNC Fräser oder Industriekaufleute gebraucht werden? Den Bedarf wissen lediglich die Unternehmen. Demnach bilden sie aus. „Außerbetriebliche Ausbildungen“ sind, zumindest in der Industrie und im Handwerk, teure Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Uninspirativer Koalitionsvertrag

Die fachliche Ferne und die „deformation professionelle“, bei unklarer Professon des Arbeitsministers jedoch, wird deutlich, wenn es um die Rolle der Bundesagentur für Arbeit (BA) geht. „Der Bundesagentur für Arbeit (BA) kommt eine stärkere Rolle bei der Qualifizierung und dazugehöriger Beratung zu. „

Wer einmal mit der BA zusammengearbeitet hat wird feststellen, dass es sich um eine reine Glücksache handelt, an einen fähigen Berater zu gelangen. Die Prozesse sind lang, die Mitarbeiter unmotiviert und selten willens, ihren „Kunden“, so heißen dort die Arbeitslosen, zu helfen. Wieselflink ist die BA nur dann, wenn ein Unternehmen über die Seite der Agentur für Arbeit eine Stelle ausgeschrieben hat, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen könnte. Diese ist dann sehr schnell offline.

Der Rest des Pamphlets strotzt nur von Allgemeinplätzen. Man wolle „CoWorkingSpaces“ schaffen, etwas, das private Unternehmen seit mehr als zehn Jahren anbieten. Der Mitarbeiter sollte ein „Recht auf Homeoffice“ haben, das, wenn möglich, längst praktiziert wird. In Betrieben, in denen es zwar technisch möglich, es aber aufgrund der Arbeit zu Unproduktivität kommen wird, ist dieses Recht nichts anderes als ein unzulässiger Eingriff in die Autonomie des Unternehmens.

Die SPD setzte sich durch


Ein Beispiel: Technisch betrachtet könnte die Redaktion einer Zeitung überall in Deutschland, oder der Welt verstreut sein. Praktisch gesehen ist dies in Teilen auch oft der Fall, z.B. wenn Reporter beim Ort des Geschehens sind. Und dennoch wird eine Redaktion, die vor Ort ist, wo man sich auch mal anschreien kann, die Tür schlagen, gemeinsam eine Zigarette rauchen oder einen Kaffee trinken kann und sich am Abend ein paar Bier gönnt, wesentlich produktiver und erfolgreicher sein. Meine Erfahrung in der Pandemiezeit ist, dass sich Kollegen nach der Präsenzarbeit gesehnt haben, als sie, zum Beispiel aufgrund der Kinderbetreuung, ins Home-Office verbannt wurden.

Die SPD kann sich durchaus glücklich schätzen: Die allermeisten Punkte, zuzüglich eines Mindestlohns von 12 Euro, wurden aus ihrem Programm übernommen. Und Hubertus Heil? Er ist als arbeitsferner Arbeitsminister dabei, an der „gesellschaftlichen Transformation“ im Maschinenraum der Volkswirtschaft mitzubasteln. Das Blöde nur: Er ist nicht nur nicht vom Fach, er hat auch keinerlei Expertise in Sachen Arbeit jenseits der Politik. Das mag für den einen, oder anderen Politiker genügen. Nicht aber für den Arbeitsminister.

Und so sucht man den „Fortschritt“ bei „mehr Fortschritt wagen“ vergebens. Stattdessen findet man mehr Bürokratie, mehr Geld ausgeben und weniger freiere Märkte. Hubertus Heil wird das nicht stören. Nach den vier Jahren wird er vielleicht wiedergewählt. Oder er geht gleich in Rente. Den echten Arbeitsmarkt jedenfalls muss der Sozialdemokrat jedenfalls nicht bemühen.

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