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Gesellschaft

Friedrich Merz – Über das Sterben von Hoffnung

Von Julian Marius Plutz.

Das Aufatmen der Basis war bis in die Südstadt von Nürnberg zu hören. Und das obwohl dort, wie auch in ganz Bayern die CSU herrscht und nicht die CDU. Aber dennoch: Erleichtert schienen die Unionsanhänger gewesen zu sein, auch im Diesseits des Weißwurstäquators, dass Friedrich Merz, zumindest laut Mitgliedervotum, neuer Vorsitzender der christlich-demokratischen Union werden wird.

Bei aller Kritik muss man dem Hünen aus dem Sauerland eines lassen: Nehmerqualitäten hat er. Nachdem er zweimal gescheitert war, nicht zuletzt durch äußerst durchschnittliche Reden an beiden Parteitagen, hat er sich nicht unterkriegen lassen, es ein drittes Mal zu versuchen. Mit Erfolg. Wobei die Konkurrenz, bei aller Liebe, keine wirkliche Konkurrenz war. Während Helge Braun das zementierte Abbild des merkelschen „Weiter so“ darstellte, war Nobert Röttgen zu blass, zu nichtssagend, um die leidgeprüfte CDU Basis zu überzeugen. Die Wahl von Merz ist die logische Konsequenz aus 16 Jahre Staatsverwaltung und größter politischer Fehler, die das Land noch lange beschäftigen wird.

Die Gretchenfrage ist die Impfpflicht

Gemeinsam mit Christina Stumpp aus Baden-Württenberg und Mario Czaja aus Berlin möchte Merz nun die Partei führen. Beide Politiker verfügen über kaum Renommee und Bekanntheit, so dass sie ihrem Chef nicht gefährlich werden könnten. Die sogenannte Teamlösung ist eine scheinbare Teamlösung, die auf einen einzigen Namen hört: Friedrich Merz. Er ist Programm, er soll die charismatische Person an der Spitze werden, die in der Opposition die Führungsrolle anstrebt. Eine Opposition, die aus zwei Parteien besteht, in der die eine, die Linke, nur noch gerade so in den Bundestag einziehen konnte. Und die andere, die AfD? Mit der will keiner zusammenarbeiten. Auch Merz macht dahingehend keinerlei Anstalten.

Doch ist die Gretchenfrage der deutschen Politik längst nicht mehr, ob es mehr oder weniger Steuern geben sollte, wie man mit Russland umzugehen hat, oder wie hoch der Mindestlohn ist. Nicht einmal die vermaledeite Migrationspolitik der alten Regierung, die die Ampel im wesentlichen übernehmen wird, gehört zu den brennenden Fragen dieser Zeit. Es bleibt und ist die politische Ausrichtung im Bezug auf ein Virus, der eine Atemwegserkrankung auslöst und – trotz aller Panik – keine Übersterblichkeit in Deutschland evozierte. Die Antworten auf diese verheerenden politischen Entscheidungen, Lockdowns, Berufsverbote, Ausgangssperren, eine Spaltung, die Merkel, Wieler und Spahn mit der moralischen Doppelaxt erzeugt hat, bleibt auch Friedrich Merz schuldig.

An Söder kommt er nicht vorbei

Zwar sieht er eine Impfpflicht skeptisch entgegen – aber eher aus technischen Gründen. Ausgeschlossen hat er sie nie und kann er auch nicht. Denn die neue Regierung hat diese bereits auf ihre Agenda gesetzt. Und zum Thema Weißwurstäquator: Markus Söder, Herr aller scharfen Maßnahmen, sitzt immer noch in den Startlöchern und wartet auf die kommenden Fehler seines Konkurrenten Merz. Er möchte ins Kanzleramt, koste es, was es wolle. Und Söder hat, neben seiner Regierungsverantwortung, einen Trumpf: Er ist und bleibt für die Impfpflicht. Für ihn ist das Virus, wie Macron es einmal sagte, eine kriegerische Angelegenheit. Dem Nürnberger geht es jedoch nicht um Leben und Tod. Es ist für den Franken die Chance, endlich die bundesweite Bedeutung zu ergattern, die ihm, seiner Meinung nach zumindest, zusteht. Endlich Kanzler werden. Ein Merz stört da nur.

Der neue Unionschef ist eingesperrt zwischen mehreren Fronten. Einerseits hat er die AfD in der Opposition sitzen, mit der er nicht kooperieren will. Andererseits gibt es diesen Regenten in Bayern, der ihm bis zur nächsten Wahl an den Versen kleben wird. Noch einmal wird Markus Söder nicht klein bei geben. Merz kann nur verlieren, obwohl er das erste mal seit langem mal wieder gewonnen hat.

Die Chance steht schlecht, dass Merz die CDU wieder in eine konservativ-freiheitliche Richtung lenken wird. Das liegt weniger an ihm, als eher an der Konstitution seiner Partei. 16 Jahre Merkel, als Vorsitzende noch etwas länger, verändern eine Institution. Merkel hat es geschafft, die wesentlichen konservativen Politiker in der Union kaltzustellen. Was bleibt sind Ja-Sager und halbe Sozialdemokraten wie Daniel Günther und Tobias Hans. Merz mag in seiner Karriereplanung ein Schritt weiter sein. Viel mehr wird es jedoch nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es. Aber sie stirbt.

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