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Gesellschaft

„I am jewish“ – Zum Attentat auf Daniel Pearl

Von Julian Marius Plutz.

Manche Bilder entfalten erst ihre volle Aussagekraft, wenn man den Kontext kennt. Ein Mann sitzt im Schneidersitz vor der Kamera. Er trägt einen Trainingsanzug und blickt mit müden Augen in die Linse. Ein weiteres Bild: Die gleiche Person hält eine Zeitung in den Händen um das aktuelle Datum zu belegen. Nächstes Bild: Eine Hand mit einer Pistole zielt auf den Kopf des Mannes, der den Trainingsanzug trägt.

Es handelt sich um den US-amerikanischen-israelischen Juden Daniel Pearl, der am 23. Januar 2002 von islamischen Terroristen entführt und sechs Tage später enthauptet wurde. der 41-Jährige angehende Familienvater war als Journalist in Pakistan, um über den Fall des britischen „Schuhbombers“ zu recherchieren. So nannte man Richard Reid, der Ende 2001 in einem Linienflug versuchte, einen Anschlag zu verüben. Ein Terrorakt, der nur durch eine mutige Stewardess, geistesgegenwärtige Passagiere und nicht zuletzt dem Zufall, das Wetter, verhindert werden konnte.

Mit der „gesegneten rechten Hand“ den Kopf abgeschlagen

Zunächst galt Pearl als verschollen; keiner wusste, wo er sich aufhielt. Je länger man nach ihm fahndete, desto wahrscheinlicher war eine Entführung und je länger das letzte Lebenszeichen zurücklag, desto wahrscheinlicher wurde sein Tod.

Und so kam es auch. Am 21. Februar 2002 wurden Medien ein Video zugespielt, das seine Ermordung zeigt. Der Schlächter war niemand geringeres als Chalid Scheich Mohammed, der die Tat 2007 im Gefangenenlager Guantanamo gestand. So er habe mit seiner „gesegneten rechten Hand den Kopf des amerikanischen Juden Daniel Pearl in Karachi abgeschlagen“. Die Täter mussten bereits vor Jahren jede Art von Menschlichkeit abgelegt haben. Anders ist eine solche Tat nicht erklärbar.

Chalid Mohammed gilt als einer der Chefplaner der Anschläge des 11. Septembers und soll sich um die Bezahlung der restlichen Terroristen, wie zum Beispiel die von Mohammed Atta gekümmert haben.

Beste internationale Buchverfilmung

Einer der Attentäter,  Omar Said Sheikh, der zunächst als Mörder von Pearl verurteilt wurde, kam im Januar 2021 frei. Von einem Justizirrtum sei die Rede gewesen, er wäre er nur Mittäter gewesen. Die Familie Pearl äußerte scharfe Kritik an dem Urteil und sprach von einer „Farce“. Die Freilassung der vier Männer bringe Journalisten weltweit und die Bevölkerung Pakistans in Gefahr. Die Familie rief die US-Regierung dazu auf, „alle nötigen Schritte“ zu unternehmen, um „diese Ungerechtigkeit zu korrigieren“. Der Vater von Daniel ist der bekannte Informatiker und Philosoph Judea Pearl.

Daniels Ehefrau Mariane Pearl, die zum Zeitpunkt der Ermordung im fünften Monat schwanger ist, verarbeitete die Tat in dem Buch „A Mighty Heart“, das ein Jahr später erschien. Es war der ausdrückliche Wunsch der Witwe, dass Angelina Jolie in der Buchverfilmung ihre Rolle übernimmt. Vermutlich war es der beste Film mit der besten spielerischen Leistung der Schauspielerin – bis heute. Und immerhin: Die Adaption als Drehbuch wurde bei der Frankfurter Buchmesse 2009 als „beste internationale Buchverfilmung“ ausgezeichnet.

Gefahren für kritische Journalisten

Obwohl diese Tat 20 Jahre her ist, berichten heute kaum Medien über den Fall. Im Geschäft um die heißeste und neueste Schlagzeile gehen Morde, die noch dazu so lange her sind, unter. Dabei umfasst der Fall zwei Dimensionen, die bis heute aktuell sind: Lebensgefahren, die Journalisten ausgesetzt sind und Antisemitismus.

Wo immer Rechercheure Geschichten ausgraben, die aus extremen Milieus entstammen, agieren sie am Rande der Lebensgefahr. So wurden in den vergangenen Jahren, zum Beispiel von Islamisten, immer wieder persönliche Daten von kritischen Journalisten veröffentlicht. „Wir besitzen eine Menge an Daten von dir, zum Beispiel wissen wir, wo du wohnst“, hieß es in einer Videobotschaft aus dem Jahr 2012, in denen nicht nur Artikel von Journalisten, sondern auch private Informationen und Bilder gezeigt wurden. Ihr Vergehen: Sie berichteten kritisch über die Koranverteilung in Fußgängerzonen deutscher Großstädte.

Reporter ohne Grenzen sieht die Situation für Kollegen in vielen Ländern kritisch. So verkündete im vergangenen Jahr die Taliban ihre „elf Regeln für den Journalismus“. So darf unter anderen weder kritisch über den Islam berichtet, noch dürfen Führer in Afghanistan überhaupt kritisiert werden. Zuwiderhandlung wird mit Berufsverbot und Gefängnis bestraft.

Nackter, blinder Antisemitismus

Die andere Dimension der Tat ist Antisemitismus. Judenhass ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses Planeten. Ein Welt ohne Antisemitismus ist so unvorstellbar geworden, wie eine Welt ohne Schwerkraft. Je dunkler und geschlossener eine Ideologie ist und je entkoppelter die Protagonisten von Menschlichkeit handeln, desto besser kann der Hass auf Juden gedeihen. Karatschi vom 29. Januar 2002, als Daniel Pearl enthauptet wurde, war von Humanismus ganz weit weg. Ein Moment, in dem nichts Gutes war und alles Böse Raum und Zeit dominierte. Wenn das Entsetzliche zum Standard wird und das Grauenhafte zum Gewöhnlichen, entgleitet die Welt in einen seelenlosen und bis zur Unkenntlichkeit entkernten Ort.

Die letzten Worte von Daniel Pearl sollen gewesen sein: „I am Jewish“. Michael Dickson, Schriftsteller und Geschäftsführer der NGO „StandwithUs“ in Jerusalem beschrieb es so:

„“I am Jewish.” The last words of American journalist Daniel Pearl – after he was kidnapped by jihadi terrorists, 20 years ago. Maybe they thought Danny Pearl was confessing but actually he was affirming his pride in his People. So I too say with pride: “I am Jewish.”

„Ich bin jüdisch.“ Die letzten Worte des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl – nachdem er vor 20 Jahren von Dschihad-Terroristen entführt wurde. Vielleicht dachten sie, Danny Pearl würde gestehen, aber tatsächlich bekräftigte er seinen Stolz auf sein Volk. So sage auch ich mit Stolz: „Ich bin jüdisch.“

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