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Julians Coronatagebuch Teil 3 – Neurologische Ausfälle nicht ausgeschlossen

„Die“ Wissenschaft, die spätestens seit der Klimadebatte als Singularium durch die Debatten wabert, ist sich einig: Stand jetzt, 23.3.2020, verursacht Corona keine neurologischen Schäden. Ich bin mir da ja nicht so sicher. Nicht nur einmal hörte ich vor Tagen, dass man jetzt endlich mal Zeit findet, zu (oder zur?) IKEA zu fahren und beim Obi war man ja auch lange nicht mehr. Wenn der Wahnsinn pandemisch wird, drehen die Leute komplett hohl. Warum nicht gleich in die Sauna und anschließend mit Dörte in den Swinger Club, wo Matze und Claudi schon warten? „Corona ist für alle da“, um einen Werbejingle etwas abzuwandeln. Wahre Blödheit erkennt man in der Krise.

Und noch ein zweiter Fall lässt mich zweifeln, ob das Virus nicht doch das Stammhirn angreift. Wo wir bei Volker Quaschning wären, seines Zeichen professoraler Kronzeuge der jugendlichen Freitagsprotestierer. Mindestens auf Twitter jedoch legt er ein ähnliches Niveau an den Tag, Stichwort Neurologie, wie eine an Creutzfeld-Jakob erkrankte Kuh. Das liest sich dann so:

quatsching

Nun ist nicht alles mit -krise am Ende gleich. Die Ölkrise aus den Siebzigern hat mit der akuten Sportkrise ungefähr so viel gemein, wie ein Veganer mit einer zünftigen Schlachtplatte. Aber das ist Herrn Quaschning nicht so wichtig. Ebenso die Tatsache, dass von Bogotá die Straßen eben auch wegen des Smogs umgestaltet hat. Gewissermaßen eine Melange aus beidem und nicht nur alleine wegen Corona handelte der Bürgermeister so. Aber geschenkt, das passt nicht in die Agenda des Aktivistenprofs.

Ohnehin habe ich den Eindruck, dass den Klimabewegten der Virus alleine deswegen nicht passt, weil es ihr Thema fast vollständig verdrängt hat. Andererseits feiern argumentationsresistente Leute, aka „Klimawandel, also i hab noch kan gsehn“, dass nicht mehr über eben Klimawandel gesprochen wird. Beide sind auf ihre Art Zyniker. Mal ehrlich: Meine Leib- und Nierenthemen spielen momentan ebenfalls keine Rolle, einfach, weil es momentan ein einziges Thema gibt, das so akut ist, dass es keine anderen Themen in den Vordergrund schaffen. Das ändert sich. Wir ändern uns. Wir werden lernen, mit der Pandemie umzugehen. Dann wandelt sich auch der Diskurs.

Dabei gäbe es auch andere Themen. „Der Flügel“ der AfD, wobei niemand genau weiß, woher dieser leicht debile Name „Flügel“ kommt, wird innerparteilich verboten. Sagt Oberflügelmann Höcke. Noch mal von vorne: Der Flügelmann Höcke sagt, der Flügel wird aufgelöst, er selbst bleibt aber in der AfD. Wiederholen wir das ruhig ein drittes mal: Björn Höcke, Oberflügel, verbietet den Flügel, ist aber noch in der AfD. Er verbietet sich quasi selbst, bleibt aber irgendwie doch AfD. Und das geht! Wenn man mal davon absieht, dass dieser Move so durchschaubar ist, wie die neuen Plexiglasscheiben bei Aldi an der Kasse, ist das doch ein ziemliches Logik-Desaster.

Waren Sie heute auch so überrascht, wie leer die deutschen Großstädte sind? Ein Freund berichtet von gähnender Leere in Hannover, ein Bekannter das selbe in München. Und ich, hier in Nürnberg muss sagen, ja. Die Leute halten sich an die Regeln, die offensichtlich nötig waren. Und da die Bau- und Möbelmärkte nun auch geschlossen haben, um den letzten Hirni zu erklären, was Sache ist, muss man auch nicht mehr nach draußen. Ist ja auch zu kalt.

Da ich am Wochenende endgültig zum Universalexperten mutiert bin, indem ich in den zwei Tagen mehr Dokus geschaut habe, als in den letzten 20 Jahren (gefühlt), möchte ich Ihnen zwei Filme ans Herz legen. Die erste ist Die Akte Otto Warmbier. Was wie der Name eines Charakters vom Sams klingt, ist in Wahrheit die tragische Geschichte eines US- Bürgers, der in Nordkorea in Gefangenschaft war und an den Folgen dieser verstarb. Gut gemacht, wenn man mal den üblichen, wenn auch in dem Fall seichten und latenten öffentlich- rechtlichen Antiamerikanismus abzieht.

Die zweite Doku heißt  Homöopathie – Sanfte Medizin oder Hokuspokus? Der Name ist Programm und ausgewogen nähern sich die Macher dem Thema. Es werden also auch reichlich Beführworter Hahnemanns Ansatzes genannt. Das ist in sofern nicht nur fair, sondern auch hilfreich, da sich die Globulisten damit selbst entlarven. Denn über Erfahrungsevidenz („Ich hab damit gute Erfahrung gemacht“. – „Ich kenn‘ jemanden, der geheilt wurde“, „Wer heilt, hat recht“) hinaus finden sich keine Argumente für „die sanfte Medizin.“ Man kommt ohnehin sehr schnell an die Grenzen der Argumente, einfach, weil über zwei verschiedene Dinge gesprochen wird. Hier die evidenzbasierte Medizin, dort der Heilungsglaube. Frei nach dem Motto von Gilbert Chesterton.“Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben Sie an jeden Unsinn“.

 

 

 

 

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Julians Coronatagebuch Teil 2

In Zeiten der Krise ändert sich auch das Konsumverhalten. Klar. Nachdem alles andere geschlossen hatte, entdeckten gewisse, ich sag’ es wertfrei, Individuen Baumärkte und Gartencenter als den neuen heißen Scheiß und rannten wie die Bekloppten zu Obi und Co. Ich bin zwar auch bisweilen nicht so schlau, aber so doof dann doch nicht. Wobei ich mich ertappte zu überlegen, zur Bahnhofsbuchhandlung zu pilgern. Keine Sorge, habe ich nicht gemacht.

Mein verändertes Konsumieren drückt sich aus im Visuellen. So entdeckte ich auf einem Streamingdienst eine Dokuserie über R. Kelly. Nicht, dass ich Fan wäre, aber selbst eine schlechte Musikerdokus über schlechte Musiker ist immer noch sehenswert. Dachte ich zumindest. Die war aber so grottenschlecht gemacht, dramaturgisch etwa zu vergleichen mit einem Porno, bei dem verschiedene Filme zusammengeschnitten sind – allerdings nur die letzen drei Minuten.

Will sagen (einer der zahllosen grässlichen Floskeln von Sascha Lobo. „Will sagen“. -„Ja sag halt, verdammtnochma!“), dass alle paar Minuten irgendein unfassbarer Skandal wartete, der unsagbar tragisch war und in meinem Bild zu bleiben, als vorläufigen Höhepunkt stilisiert wurde. Das ganze wiederholte sich im fünf Minuten Takt. Gut, nach der dritten 14 Jährigen, mit der der Sänger Sex hatte, weiß man ungefär, wie der sechste oder neunte Skandal ausgeht. Richtig, er hatte Sex mit 14 Jährigen! Wie auch immer, ich schaute das mit abwechselnder Be- und Entgeisterung, garniert mit einer ausgewachsenen Müdigkeit, ausgewachsener zumindest als die meisten Sexpartner von R.Kelly. Vor allem zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen.

Erstens: Was für ein greisliche Musik ist RnB? Sorry, für alle Fans und ja, bestimmt war das für die Emanzipation der Schwarzen wichtig. Aber bitte, die Musik geht gar nicht! Irgendwelche ranzigen Gospels werden massentauglich in eine von Schmieröl nur so triefenden Beat gezwängt. Dazu singt jemand, in dem Fall Robert Kelly sowas von schmalzig, dass Frank Sinatra dagegen wie eine Hard Rock Legende daherkommt. Das ganze in einem Video, wo jedesmal die halbe Familie mitspielt, die wiederum vor einem Auto im Nebel steht und wohl eine Panne hat. Wobei sich die Frage stellt, wie sieben Leute in einen Fünfsitzer passen. Aber ok. Die Familie im Nebel vor dem Auto mit der Panne, in das sie gar nicht alle Platz finden, glotzen in die Kamera, singen oder schnippen oder klatschen zum Beat: „Halleluja, wir haben eine Panne! Only god can judge me. When does the ADAC arrive?“

Zweitens: Dass der R. Kelly eine Drecksau ist, ein Straftäter, da sind wir uns einig. Aber wie bekloppt waren denn die Eltern? Es wurden mehrere Mütter und Väter gezeigt, die ihre teilweise 13 Jährige Tochter über Tage bei ihm parkten, obwohl sie ihn gar nicht kannten. Sie waren einfach Fans. Und dann kommt die Produktionsfirma und wedelt mit den Dollarscheinen, damit sie tränenreich in die Kamera ihren zauberhaften Satz sagen können: „I had no idea!“

Ich habe aber auch ganz gute Dokus gesehen. Über Colonia Dignidad, eine Sekte, die thematisch gar nicht so weit weg ist von R.Kelly. Oder über diesen Kronprinz von Saudi-Arabien. Die Tage gehen schon rum und morgen bin ich wieder, Achtung epische Aussage, Teil der Grundversorgung.

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Julians Coronatagebuch. Teil 1

Ich schreibe diesen Blog und überhaupt schreibe ich während klassische Musik läuft. Nicht, weil ich so unfassbar intellektuell und kultiviert bin, sicher nicht, sondern weil es mich konzentrierter denken lässt. Und so beginne ich mich gerade unglaublich aufzuregen, ohne eine einzige Zeile geschrieben zu haben. Ja! Denn auf verdammtnochma’ jedem Klassik Radiosender hört man gerade alles, wirklich alles und jedem Kram. Außer Musik. Da redet eine Frau, da lacht ein Kind, da sinniert ein Mann. Beim neunten Sender dann, oh Wunder, endlich Streichmusik. Ich freue mich und fange an, zu schreiben. Doch der Elan endete jäh, denn das Stück dauert genau 28 Sekunden, bis eine wahnsinnig intensiv klingende Herrensrimme raunt: „Sie waren Romantiker! Waren Rebellen und sie waren Zauberer der Musik.“ – Und die Redaktion hatte und hat den Arsch offen. Mein Druck steigt.

Eigentlich wollte ich gut gelaunt über die Vorzüge der quasi Quarantäne in Zeiten Coronas schreiben. Doch die Laune ist im Keller, nachdem ich während des ersten Absatz noch drei mal den Sender wechseln musste, weil immer irgendein Vollidiot dazwischenquatschen musste, wie die Navi-Tante im Auto ins Lieblingshörspiel an der spannendsten Stelle „demnächst links halten und auf die A3 Richtung Frankfurt dann rechts halten“ hineinblöckt. Da ist Laune im Keller, die Aggression auf dem Weg zum Dachstuhl und aufgrund der Rage habe ich mich längst verfahren in Richtung A-Leckmichfett, Ausfahrt „Kackhausen“.

Vorzüge, Corona. Steile Überleitung, ja, doch sie geht. Zumindest bei einigen Leitmedien. Wenn ich so in den hiesigen Zeitungen lese, was die Kommentatoren so schreiben, welche Vorzüge dieses Corona und Trallala so haben, so denke ich mir einen Satz, den Satz des Tages, der Wochen, ach, der Jahre: „Gehts eigentlich noch?“ Ja, im Ernst! Gehts eigentlich noch? Da schreibt einer bei beim SPIEGEL, genauso das gleiche, wie eine bei SZ oder einer oder eine oder eines bei WELT. Alle sind sich einig. Sogar der Steingart schließt sich im Morning Briefing in seiner „hach wie bin ich heute positiv“ Stimme an: Der Shutdown ist auch eine Chance, zu entschleunigen und in sich zu kehren und mal so richtig zu sich zu kommen. Wie erwähnt: Gehts eigentlich noch?! I‘ hab Kammerflattern.

Zum ersten: Wenn ich entschleunigen will, dann mache ich das, wann ich es will. Dann schaue ich „in aller Freundschaft“, umarme Bäume im Wald oder besorge mir Valium. Dazu brauch‘ ich niemanden und am wenigsten einen Virus. Was ist das denn für eine Logik? Das ist wie bei diesen Granatendenkern, die bei Funklöchern sowas von sich geben: „Aja, ma‘ muss ja a net immer uffs Handy gugge‘, kamma ja a‘ mal sei lass‘“. Ja, Herr Dings, der das grad gesagt hat, man kann vieles. Denken, zum Beispiel. Oder einfach selber entscheiden, wann man auf das Handy glotzt, oder nicht? Vielleicht brauchen Sie, lieber Herr Dings, eine lückenhafte Netzabdeckung, weil sie zu doof sind, normal mit ihrem Smartphone umzugehen. Ich krieg‘ das noch selber hin.

Zum zweiten ist dieses „hach, dank Corona entschleunigen wir jetzt“ natürlich eine geile Aussage für 34 Jährige, alerte Journalisten, die nun mal zwei Wochen noch mehr sinnlose Netflix Serien bingen (Anm. Redaktion (hehe, ich halt): Bingen heißt, wenn man hemmungslos Serien o.ä. im Internet schaut und gar nicht mehr aufhört) und die sowieso fast nur von zu Hause aus arbeiten. Läuft bei euch. Aber für den Rentner, der jetzt seine Enkel oder für die Eltern, die ihre Kinder nicht mehr sehen können und nicht mit Skype, Discort, WhatsApp, Snapchat, FaceTime und Pornohub, halt ne, das nicht, aufgewachsen sind, ist das nicht so super entschleunigt. Und für die Kinder, die wenigstens die nächsten Wochen keine Freunde treffen können, auch nicht. Und, mit Verlaub: Ich selbst fühl‘ mich auch nicht tiefenentspannt, weil entschleunigt, eher angespannt, weil eingeschränkt.

Ich wollt‘ doch etwas positives schreiben. Hm. Ach ja, ich habe meine Ablage abgearbeitet im Büro. Und ich habe vor einigen Tagen einen wildfremden Typen etwa in meinem Alter zufällig auf Nürnbergs Straßen getroffen, der mich fragte, wie es mir geht und das wir jetzt alle zusammenhalten sollen. Einfach so sprach der mich an und sagte echt kluge, schöne Sachen. Das gab mir mehr Zuversicht, als der siebte „lasst uns entschleunigen“ Artikel.

Inzwischen bin ich auf YouTube umgestiegen, da kommen ganze Konzerte ohne Unterbrechung. Hätten wir das auch geklärt.

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Mein Anfang vom Ende – Über die Bayern, Dietmar Hopp und diese Tradition

Ich bin Bayernfan.

Damit habe ich schon wenigstens 50% der Leserschaft gegen mich. Und ich versteh‘s. Ne, ehrlich, der FCB tut wirklich viel, unfassbar unsympathisch zu wirken. Da wäre der cholerische Langzeitchef mit höchster Geber-, und geringster Nehmerqualität. Hoeneß, eine beleidigte Leberwurst vor dem Herren hat sicher auch seine guten, humanistischen Seiten. Sympathie gehört jedoch nicht zu seinen Softskills. Und wenn dann zwei ausgewachsene Geschäftsleute bei etwas Kritik mit dem dem Grundgesetz wedeln, genauer gesagt Artikel 1 und die Würde des Menschen, dann ist das für mich als einigermaßen vernunftbegabten Bayernfan nur noch peinlich.

Gut, der Stöhneß , äh Hoeneß ist nun weg. Aber auch das übrige Führungsensemble strotzt vor Antipathien und Bad Vibrations. Doch am meisten stört mich ihr Sponsoring mit Qatar, ein frauen- wie schwulenfeindliches Gottesregime, das gegen alles steht, was eine liberale Gesellschaft ausmacht. Seit bestimmt zwei Jahren denke ich daran, mich von meinem Verein loszusagen. Aber am End‘ da überwiegte die Emotion für das tolle Spiel. Aber ja, es macht mir immer weniger Spaß.

Und wenn dann noch Bayernfans Dietmar Hopp, Hoffenheims Gönner, aufs übelste schmähen, ein Mann, der in einem Monat mehr gesellschaftliches Engagement an den Tag legt, wie der gesamte Bayernblock nebst Verwandtschaft im ganzen Leben, dann regt mich das nur noch auf. Was für eine Schande ist das denn bitte, jemanden Tod sehen zu wollen, der einem nichts, aber gar nichts getan hat? Wo ist da Artikel 1 des Grundgesetzes? Immerhin haben die Chefes gut reagiert.

Das Phänomen ist nicht neu. Laut Hoffenheims Präsident wird Hopp seit 2008 so geschmäht. Was sich geändert hat, ist der Umgang des Schiedsrichter mit solchen Plakaten. Nach dreimaliger Aufforderung, das Plakat zu entfernen, wird das Spiel abgebrochen. Und das hätte nicht nur, aber eben auch in Sinsheim passieren müssen. Was für randlose Arschlöcher müssen das sein, wie maximal wollen sie Hopp, Hoffenheim, aber auch ihren eigenen Verein schaden?

Für die medial hochgelobten Geste beider Teams, dass sie sich in den letzten Minuten den Ball gegenseitig zupassten, gibt es ein Wort: Gratismut. Hoffenheim hatte beim Stand 0:6 gegen sich nix zu verlieren, Bayern dagegen nix mehr zu gewinnen. Wäre das Spiel zu dem Zeitpunkt auf der Kippe gestanden, sähen wir sicherlich ganz andere Szenen. So konnte ich mit der Geste nach anfänglichen Verständnis inzwischen wenig anfangen.

Der Hass und Neid auf Hoffenheim und Leipzig hat Tradition. Denn genau darum geht es den Schmähern: Um Tradition. Da beide Vereine nicht auf eine lange Geschichte blicken können, sind sie für manche per se weniger wert. Vor einiger Zeit diskutierte ich mit zwei Nürnberg Fans, ein Verein, dessen Tradition in den letzen Jahren vor allem im Fahrstuhlgewerbe angesiedelt war. Aber immerhin Tradition. Die sahen das genauso. Keine Tradition ist irgendwie schlecht.

Verstehen Sie mich richtig. Ich habe „ale ale ale ale eh BVB, Hurensöööööhne“ zwar nie mitgegröhlt und finde das im Fanchor zwar recht daneben, aber es ist noch im Rahmen, weil es nicht gegen eine Person geht, sondern gegen ein Fankollektiv. Dietmar Hopp ist kein Verein, er vielleicht der Geldgeber. Vor allem aber ist er Mensch und für Individuen gelten sensiblere Rechte.

Ich versuchte sodann, den Begriff Tradition als keinen grundsätzlich positiv konnotierten Begriff zu erklären. Denn die erwähnte Auf-und Absstiegkultur des FCN ist zwar irgendwie traditionell, aber wenigstens für die Fans nicht erfreulich. Europa hat eine felsenfeste antisemitische Tradtition, trotzdem war die Zeit eher nicht so cool. Für die Juden. Tradition ist kein Wert, es ist eine Zustandsbeschreibung über einen gewissen, wenigstens längeren Zeitraum. Der kann ganz toll sein, mittelmäßig oder schrecklich.

Vor allem aber ist er kein Grund, einen Verein herabzusetzen, bloß weil er etwas jünger ist, als der ehrenrührige FCN oder B oder K oder welcher auch immer. Und wenn Hopp oder der Mateschitz bei RB Leipzig investiert, übrigens mit extrem langem Atem über Jahrzehnte, dann ist das eine gute Idee, mindestens für den Nichtbayernfan. Denn RB hat es geschafft, dass die Bundesliga wieder spannender wird, was sogenannte Traditionsvereine seit Jahren nicht mehr hinkriegen. Ich prophezeie: Der nächste Bundesligsmeister heißt, wenn nicht Bayern, RB Leipzig.

Ob ich in einem Jahr noch Anhänger bin dieses Vereins, ich weiß es nicht. Die Lust singt, wegen Führung, wegen Qatar und solcher ekelhaften Fanaktionen. Die Leichtigkeit geht verloren, für die doch schönste Nebensache der Welt stehen sollte. Und wenn ich beim nächsten mal bei HoWe, Hoeneßs Wurstfabrik, zufällig den Uli treffe, möchte ich ihm genau das gerne sagen.

Doch dazu wird es nicht kommen, hat er doch das Geschäft längst an seinen Sohn abgegeben.

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Gestern war ich intellektuell (kurz)

Ab und zu habe ich so Ideen, ich Paradiesvogel, ich verrücktes Huhn, ich. Neulich zum Beispiel bestellte ich bei meinem Thailänder (wichtig, immer „meinem“ dazusagen) nicht wie üblich Nummel Dleiundachzig, sondern die Nummel Einhundeltfünf. Im Darm herrschte dann anschließend Fasching, ganz ohne Corona, und geschmeckt hat es auch nicht besser als die Dleiundachzig. Naja. Hauptsach‘ Gsund.

Auch gestern hatte ich so eine verrückte Idee, keine kulinarische, dafür eine intellektuelle. Ich gehe zu einer Lesung. Ja. Warum auch nicht? Sich mit einem Hefeweizen zwischen die Stirn klemmend in einen wohl temperierten Raum zu setzen und den prosaischen Ergüssen eines bedeutenden Autors zu lauschen, klingt doch ganz kommod. Dachte ich.

Ich muss dazu sagen, dass meine Eltern mit von der Partie waren, denn sie hatten ihre zwei Karten gewonnen. Ich dagegen nicht und da kam mir die erwähnte verrückte Idee: Ich geh’ mit. Geboten war irgendein Buch von einem Faller und einem Zirner. Letzteres Gesicht ist mir ein durchaus bekanntes, so habe ich es schon im Fernsehen gesehen. Und so begann um Punkt 20 Uhr das Spektakulum.

In sonorer Whiskeyliebhaberstimme, rauchig und sexy, leider nicht so versoffen, verraucht und versaut wie Bukowski, trug der Zirner ein Gedicht auf Englisch vor und der andere spielte dabei Kontrabass. „Why not?“, Würde der gepflegte Amerikaner sagen. Oder einfach nur „why“. Nachdem das Gedicht zu Ende war, packte der Zirner seine Flöte aus. Seine Querflöte natürlich, ihr Schlawiner. Und dann spielten sie und ich muss sagen, das klang ganz gut. Ja, wirklich! Es folgte ein Wechsel von Vortrag und Musik und Musik und Vortrag. Das Buch würde ich nie lesen und die Texte haben mich auch nicht vom Hocker gehauen. Aber 45 Minuten ging das alles ganz flott runter, ebenso wie das Hefeweizen.

Das Buch ist irgendwie autobiographisch, was okay ist, aber die Biografie vom Zirner und Faller ist jetzt nicht das, was mich brennend interessiert. Aber fair enough, ich hab‘ was neues probiert. Nach einiger Zeit und nachdem sich die anfängliche Aufmerksamkeit in schwere Augen umwandelte, begann ich das Publikum zu beobachten. Schräg vor mir saß ein Ehepaar, intellektuell bis in die Haarspitzen, die immer wieder bei Stellen, die alles waren, außer lustig, lachten. Aber nicht so, wie wenn jemand etwas komisches sagt, sondern so, naja, intellektuell zustimmend. So ein Hihi. Leise, belesen, kontrolliert.

Der Zirner sei‘ Oma, wie wir Franken sagen, hieß „Zwieback“ mit Nachnamen – Intellektuelles Gekicher. Der Zirner wurde geboren und schrie. Sein Vater, ausgestattet mit einem absoluten Gehör, nannte ihn „Es“. Nicht aber, weil er sein Kind als Sache sah, sondern weil der Ton des Kreischens eben ein „Es“ war und kein „Dis“. Diesen Sparwitz hat sich das der Zirner sicher ausgedacht, aber, er funktionierte. Denn das Paar von schräg gegenüber kicherte intellektuell. Bestimmt schauen sie Arte. Nur Arte.

Mit zunehmender Uhrzeit machte es sich bei mir die Müdigkeit breit und ich kann sagen, dass ich ab Minute 50 regelmäßig wegsackte. Nur kurz, vermute ich zumindest, denn ab und an erwachte ich ob eines hohen Tons. Dann schaute ich zu den Intellektuellen von gegenüber, nicht weil ich die so spannend finde, sondern viel mehr, weil mein Sichtfeld ob der physischen Schwere stark verengt war. Ich sehe Lächeln, intellektuelles Lächeln, „ich habe gerade den Scheibenwischer geschaut“ Lächeln. Dann schauen sie sich an und wippen ganz leicht -intellektuelles Wippen – zur Musik.

Ach ja, die Musik. Zunächst komm‘ ich nicht umhin zu sagen, es handelt es sich bei dem Zirner und dem Faller um zwei absolute Könner. Ehrlich, die können was und manch ein Stück würde ich mir auch privat (als wäre ich dienstlich auf einer Lesung) anhören. Aber je länger es wurde, desto jazziger klangen die Songs (amerikanische Aussprache). Und bluesiger. Viel Blues, klopfen im Takt auf dem Bass und dann die Querflöte, verspielt und gewollt nicht im Takt und dissonant. Und dann Bass, jetzt mit Bogen, wo hat er denn nur so schnell her? Meine Augen klappen weg.

Der Jazzfan hat es jetzt spätestens bemerkt, eigentlich der gemeine Musikfan: Ich habe keine Ahnung. Für mich ist „ey man muss die Platte (auch wichtig immer „Platte“ zu sagen, statt Album) einfach mehrfach hören“ ein anderes Wort für „Die Platte ist einfach scheisse“. Ich höre gern mal den Mahler oder den Bartok, komplexe Musik, aber einen Zugang hatte ich bei beiden zu Beginn. Aber belassen wir es ruhig bei: Ich habe keine Ahnung. Für den Abend war ich auch viel zu müd‘ um Ahnung zu entwickeln.

Um halb 10 trug der Zirner, wieder auf Englisch, das Gedicht vom Anfang vor und ich wusste, das ist das Ende der Veranstaltung. Euphorisch und mit Lust auf eine Zigarette schnappte ich mein intellektuelles Jackett und ging nach draußen. „Kann ich eine Zigarette haben?“ fragte ich das Ehepaar, das gerade intellektuell rauchte. Ich bekam, was ich wollte und da ich auf meine Eltern warten musste, dachte ich, ich mach‘ mal Smalltalk.

„Wie hat es Ihnen denn gefallen“? Es folgte ein Monolog, wie gelungen die Musik, gerade der Bass mit der jüdischen Herkunft harmonierte (Juden und Bass?! Okay. Ja. Why not, sagt der Ami) und seine Biografie immer auch eine musikalische Prägung hatte. Ich rauchte so schnell, wie ich nur konnte. Bitte keine Frage an mich. Ich zog an dem Glimmstängel wie ein Weltmeister und fast hätte ich die Zigarette gegessen, als die Frage kam, allerdings nicht die, die ich erwartet hatte

„Sind Sie der Veranstalter?“, erkundigt sich der sehr hochdeutsch sprechende, sehr intellektuelle Mann mit Giovanni DiLaurenzo Krause. „Nein“, erwiderte ich und in dem Moment kamen meine Eltern nach draußen. Mit leichten Kreislaufproblemen, da ich meine erste Zigarette am Tag in 90 Sekunden verspeiste, gingen wir zum Auto. I‘ hab‘s geschafft. Schlimm war es nicht, 45 Minuten gingen runter wie Öl. Am End‘ gewann die Müdigkeit überhand. Passiert.

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Der rechte Ekel – Wie der Terror in Hanau pervertiert wird

Man drückt schon mal ein Auge zu, wenn es den eigenen Verein betrifft. Ich kenn‘ das von mir und den Bayern. Was beim Fußball ein nebensächliches Ärgernis ist, weil es sich nur um eine Nebensache handelt, wird es bei der Politik ärgerlich. Und bei Terroranschlägen ekelhaft.

So wird dieser Tage ob des grausigen Anschlages in Hanau seziert, bis der Chirurg kommt. Der Täter sei ein Amokläufer gewesen, was die Sache natürlich um einiges besser macht. Auf keinen Fall war er ein Terrorist. Klar. Das können die Angehörigen sicherlich unterschreiben und bei der Beerdigung sagt dann der Bruder des einen Toten zur Mutter: „Stell dir mal vor, er wäre einem Terroranschlag zum Opfer gefallen. Da wäre er ja irgendwie ganz anders tot!“. Nicht.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagt, dass der wohl psychische Probleme hatte, wie überraschend, aber er sich auch ganz klar dem rechten Spektrum gesehen hat und den Anschlag mit rechten Ideologien begründete. Leuchtgranaten wie Jörg Meuthen, dessen akademische Weihe den Wert eines durchschnittlichen Pennystocks inne hat oder Bjön aka Landolf Lanig Höcke springen genau auf diesen Zug und es ekelt mich nur noch an.

Die Taktik auf das Oberstübchen des Täter aus dem vermeintlich gleichen Lager zu setzen, wenn dieser mal wieder ausartete, ist nicht neu. Das kennt man von Anschlägen von Muslimen oder Linken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Und der kleine Neonazi mit Waffe war dann halt psychisch krank und wusste nicht was er tat. Vielleicht war es ja wirklich so. Aber die gleichen würden das Argument beim nächsten islamischen Terroranschlag niemals durchgehen lassen. Je nach Einzelfall auch völlig zurecht. Nur dann bitte auf allen Seiten.

Eigentlich wundert mich, dass das bekannte Argument „ja aber im Straßenverkehr sterben viel mehr mehr Leute“ noch nicht gefallen ist. Das nutzen Leute mit besonderes hoher emphatischen Kompetenz, oder ohne Ironie, Menschen mit Herzen aus Holz.

Mit dem „es war ein Amoklauf“ Argument versucht AfD den Fall unpolitisch zu machen, damit keine ideologische Ähnlichkeiten aufkommen. Und es klingt auch erst mal formal richtig: In dem Manifest des Täters kommt das Wort AfD nicht vor. Dennoch bedienen Teile der AfD rechte Verschwörungstheorien, wie Umvolkung, Antisemitismus oder Antiamerikanismus, was auch in des Terroristen Pamphlets enthalten ist. Es ist gar nicht zu trennen: Extremismen funktionieren nur mit Verschwörung, da ein so starker kratischer Eingriff in das Individuum nur mit extrem krassen, unzumutbaren Zuständen gerechtfertigt werden könnte.

Richtig ist aber auch, dass die AfD nicht Hauptverantwortung trägt. Um Wahnsinnstaten bedarf es mehr, als Wahnsinnsworte. So trägt der unsägliche Elmar Brok auch keine Schuld, dass der Bundessprecher der Werteunion wegen Bedrohungen zurückgetreten ist, weil er seine Organisation mehrfach als „Krebsgeschwür“ bezeichnet hat, das „entfernt“ werden muss. Schrecklich war seine Aussage trotzdem.

Und so muss man über die ideologische Nähe von AfD zu rechten Terror reden, unbedingt sogar. Aber bitte ohne Schuldzuweisungen, wie es Ralf Stegner und viele andere tun. Die AfD hat nicht geschossen, sie war nicht Thema in den Gedanken des Täters. Der beste Kampf gegen die AfD ist „was wäre wenn“. Was passiert, wenn die AfD an die Macht kommt? Das ist wesentlich wirksamer als die Nazikeule, die, nebenbei bemerkt, die echten Nazis ziemlich weiss wäscht.

Gegen Terror hilft nicht reden oder Sozialarbeit, oder Umarmungen. Was wirklich wirksam ist und was Freiheitsrechte nicht über Gebühr einschränkt, weiß ich nicht. Was ich weiß, dass diese Vereinsmeierei zum kotzen ist. Bei den Bayern geht es noch, Fußball ist eine Nebensache. Aber politischen Extremismus, der Tote fordert, unterschiedlich zu behandeln, weil einem die eine Ideologie näher erscheint, ist problematisch. Für den Linken war die RAF notwendiges Übel, trotz vieler Tote. Manch ein Muslim stört sich nicht übermäßig ob Anschläge und für den Rechten war der Attentäter von Hanau ein psychisch gestörter.

Es ekelt nur noch. Ich hoffe, dass die Angehörigen irgendwie weiterleben können. Ich weiß von Erzählungen, wie in Nürnberg über Jahre ein ganzes Viertel wie gelähmt war, als in Franken das große Schlachten des NSU begann. Ich hoffe, es geht für sie weiter, an einem Punkt, an dem es kaum weitergehen kann.

Was eine Traurigkeit, was für ein Verbrechen.

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Flüchtlinge und Zeitarbeit – Über Wahrheit und Mythos

Der bekannte Spruch vom Valentins Karl, seines Zeichens Komödiant aus Oberbayern, wurde eigentlich schon zu Tode bemüht und hat sich damit selbst erfüllt. Doch, was soll’s, zu gut passt er. „Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem“. So. Meine Texte sind in aller Regel nicht das neu erfundene Rad. So exklusiv sind meine Gedanken dann doch nicht, auch wenn mich mein Umfeld das immer mal glauben lässt, wenn ich von ungläubigen Blicken begleitet meine Meinung mitteile. Doch das nur am Rande der Physik.

Interessant ist der wirklich exklusivere Blick, nämlich der persönliche. Mich gibt es ja nur einmal. Und so werden meine Texte von Zeit zu Zeit genau das, was ich früher kategorisch ausschloss: Persönlich. Auch wenn es zweihunderttausendmal den Artikel gibt, warum die inzwischen ins fünfte Jahr gehende Flüchtlingspolitik Merkels ein grober Fehler war und ist, so kann es nur einen einzigen Artikel aus meiner persönlichen Sicht, aus meinem beruflichen Umfeld geben. Richtig, den, den Sie gerade lesen. Mir geht es um ein Plädoyer für eine Branche, die besser ist als ihr Ruf, viel besser und die mehr Integrationsarbeit leistet, als es Teddywerfer je könnten.

Seit nun mehr zwei Jahren arbeite ich im Personalvertrieb, genauer gesagt bei einer Personaldienstleistung. Neben Direktvermittlungen bieten wir unseren Kunden auch die Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) an, was landläufig als Zeitarbeit bezeichnet wird. Da wir einige Firmen haben, die Produktionshelfer suchen, ist das Klientel zu rund 80% ausländisch, unter ihnen auch Migranten mit Flüchtlingsstatus. Neben Rumänen und Bulgaren gehören zu unseren Mitarbeitern vor allem Äthiopier und Iraner, vereinzelnd Afghanen und Syrer.

Die Herleitung vom Helferbereich zu Nichtdeutschen, die ich nonchalant unterstellte, ist real. Das Bildungs-, vor allem aber das Sprachniveau ist bei den meisten katastrophal. Jeder Mensch mit gesunden Menschenverstand wusste, dass die naive Vorstellung einiger Linken, es kämen Hirnchirurgen und Elektriker ins Land, wohlfeil war. Ich habe es hier jedoch mit den praktischen Fällen zu tun. Wenn eine aktuelle Studie sagt, dass 50% der sogenannten Flüchtlinge arbeiten, was heißt, dass 50% von mehr als 1 Millionen zu Hause sitzen, dann können Sie sich sicher sein, dass die allermeisten über AÜ beschäftigt sind.

Ich will Ihnen sagen, warum das so ist, indem ich einen durchschnittlichen Tag bei uns im Büro schildere. Wir sind relativ zentral und haben daher viele Walk In’s, sprich, Menschen, die ohne Termin zu uns kommen und sich bewerben möchten. Bei dem erwähnten Klientel gehört ist die Sprachbarriere zum festen Bestandteil des Bewerbungsprozesses. Manche sprechen kein Wort deutsch und haben einen Übersetzer dabei, einen Bekannten, der schlecht, aber immerhin etwas deutsch kann. Andere kommen ohne Begleitung und haben den „Dolmetscher“ am Handy, was die Sache nicht leichter macht. Und manche können weder lesen, noch schreiben.

Man stelle sich vor, diese Leute bewerben sich so direkt bei einem Unternehmen. Der Personaler hat weder die Zeit, noch die Kompetenz diese Leute einzustellen. Daher kommen sie zu uns. Wir erklären Ihnen, dass sie einen Lebenslauf brauchen, den sie zu einer Einstellung benötigen. Wir schicken ihn dann, je nach Bedarf, zum Gesundheitsamt, wenn er eine Belehrung für die Stelle braucht, was der Fall ist, wenn er in einem Betrieb eingesetzt wird, das Lebensmittel herstellt.

Kaum ein Unternehmen ist in der Lage, das zu stemmen. Das Risiko ist zu hoch, dass der Bewerber abspringt und die Zeit ist zu knapp, dieses Risiko bei einem Bedarf von 10 oder 20 oder 50 Helfern in Kauf zu nehmen. Deshalb entstanden Personaldienstleister, die diesen Service bieten. Und natürlich gibt es hier auch schwarze Schafe, wie überall, aber die Mehrheit macht einen guten Job. Das merken wir an den genannten Walk In‘s, die fast immer aufgrund von Empfehlungen kommen. Entweder Ex-Mitarbeiter oder aktuelle Mitarbeiter, die mit der Arbeit zufrieden waren, bzw sind.

Und damit bin ich bei einem Kernpunkt meines Anliegens, nach der Frage des „warum“. Warum tun wir das? Die Antwort ist einfach und wenig heroisch: Weil wir damit Geld verdienen. So wie der Bäcker die Brötchen backt, um sie zu verkaufen, bieten wir die Dienstleistung an, weil wir wachsen wollen. Ja. Und wenn ein Mitarbeiter einen Vorschuss will, dann wird er ihn bekommen, nicht weil wir die Caritas sind, sondern wir möchten, dass er weiter bei uns bleibt und uns weiterempfiehlt. Weil wir davon leben, dass er arbeitet und uns gut findet. Es ist vorgekommen, dass wir die Miete von Mitarbeitern direkt an den Vermieter überwiesen haben, weil dieser kurz vor der Räumungsklage stand und er dann auf der Straße leben müsste. Jedes Unternehmen muss auch seiner Verantwortung für die Belegschaft nachkommen, wie ich finde.

Das Gerede über die böse Zeitarbeit, die die Menschen ausbeutet, ist unsäglich, zumal diese Vorurteile von Leuten kommen, die sich nicht mit der Materie befasst haben. Maximal kennen sie „den einen Fall“, wo jemand vermeintlich ausgebeutet wurde. Die zahllosen anständigen Firmen schaffen es freilich nicht in die Nachrichten. AÜ ist wichtig, nicht nur als Antwort auf einen rigiden Kündigungsschutz, der Einstellung verhindert, sondern auch um eine notwendige Serviceleistung für Bewerber und Unternehmen anzubieten, ohne die es weniger Beschäftigung, also mehr Arbeitslosigkeit gäbe.

Hier empfehle ich den Blick in die Realität. Was ist besser? Ein Migrant, der Hartz IV empfängt, also auf Steuerzahlerkosten lebt, oder einer, der sich selbst finanziert, dabei vielleicht die Sprache besser lernt, übernommen wird, aufsteigen kann? Soziale Teilhabe heißt auch einer Beschäftigung nachzugehen. Ich kann Ihnen einige Fälle schildern, dass jemand für 10 Euro/h über AÜ begonnen hat zu arbeiten und heute unbefristet beim Kundenunternehmen angestellt ist. Als Linienführer, oder sogar Schichtleiter und bei beiden Positionen wesentlich mehr verdient. Das geht, wenn man will. Wir haben einen Kunden, der nach 9 Monaten gute Leute übernimmt, die dann 2400€ brutto im Monat verdienen. Als ungelernte Helfer wohlgemerkt.

Ein großes Problem ist und bleibt die Sprache. Wenn jemand nach fünf Jahren das schöne Deutsch nicht mal insoweit beherrscht, dass ich der Person den Weg zur Arbeit erklären kann, wenn Leute nach Jahren nicht wissen, wo das Rathaus in ihrer Heimatstadt ist, wenn sich diese Leute dann noch beschweren, zu wenig zu verdienen, obwohl sie keine nennenswerte Kompetenzen aufweisen können, läuft etwas schief. Ich bin der Meinung, dass Leute mit dieser Haltung nicht in Deutschland bleiben sollen, zumal dieses Klientel mit der Einstellung sowieso auf kurz oder lang auf Steuergeld leben werden. Wertvoller als Gold? Vielleicht, aber auf lange Sicht mindestens so teuer wie Gold.

Natürlich sind nicht alle so. Es gibt auch viele sehr gute Mitarbeiter, die gerne bei uns arbeiten. Die Frage ist schlicht, ob man es überhaupt so weit kommen lassen hätte sollen, dass so viele unqualifizierte Einwanderer, die nachweislich keine Flüchtlinge sind, im Land sind. Aber das werden Merkel und Konsortien mit ihrem Gewissen vereinbaren, wenn so weit vorhanden. „Jetzt sind sie nun mal da“, hat die Kanzlerin gesagt, eine Bankrotterklärung sondergleichen, die nichts als Gleichgültigkeit ausdrückt. Für mich bedeutet der Satz Berufsalltag. Doch ich bin auch kein Politiker.

Als letztes möchte ich auf die Ausweise der Flüchtlinge eingehen. Da auf wundersamerweise jeder, absolut jeder Äthiopier seinen Pass bei der Flucht aus ihrem bürgerkriegslosen Land verloren hat, bekommen sie eine sogenannte Fiktionsbescheinigung. Der Name ist Programm, denn um Fiction geht es. So sind die fast alle Äthiopier nicht nur erstaunlich jung geblieben, sie sind auch häufig am 1.1.1997 oder 1998 geboren. Die 2015 gerade noch 17 Jahre alten Migranten waren hier besonders geburtenstark und kraft deutscher Gesetzgebung unbegleitet, also besonders asylbedürftig. Ein Schelm, der Böses denkt.

Es ist häufig vorgekommen, dass bei meinen Schilderungen, welche Dienstleistung wir für Bewerber anbieten, der Staat angerufen wird. „Da muss es doch eine Behörde dafür geben“, denkt es im deutschen Michel. Und ja, es gibt tatsächlich die Agentur für Arbeit, die jedoch niemals hinreichend unsere Arbeit leisten könnte. Die Antwort habe ich bereits genannt: Es fehlt der Eigennutz. Sicher, es gibt motivierte Mitarbeiter im Amt, doch ihr Streben nach Erfolg wird in Behörden systematisch konterkariert, da eine Wirtschaftlichkeitsrechnung fehlt. Oder wie es Nicolaus Taleb schrieb: Sie sind nicht „Skin in the Game“. Sie können keine Verantwortung für ihr Handeln tragen, weil sie nichts riskieren. Wenn wir unseren Job nicht machen, sind wir pleite. Ich glaube ferner, dass ethisches Handeln nur dann erfolgen kann, wenn man für die Konsequenzen Verantwortung trägt.

Merkels präzedenzlose Flüchtlingspolitik hat den Arbeitsmarkt verändert. Die stete Erzählung von den Facharbeitern, die kommen, war ebenso falsch wie das Narrativ der demographischen Krise, die durch ungesteuerte Zuwanderung bewältigt würde. Nichts davon stimmt. Auf lange Sicht wird der Sozialstaat mit Migration von potentiellen Arbeitslosen nicht gerettet, sondern zerstört. Deutschland muss sich entscheiden: Sozialstaat oder offene Grenzen.

Arbeitnehmerüberlassung ist hier elementar und ohne Zeitarbeit müsste der Steuerzahler noch wesentlich mehr aufwenden. Das alleine müsste doch zu ein wenig Anerkennung, zumindest zu nicht vorurteilbeladene Gespräche führen. „Nix wissen, aber alles erklären können“, sagte der Nordrhein-westfälische Kabarretist Hanns Dieter Hüsch dazu.

Mit einem Oberbayer begann ich, ein Niederrheinländer schließt den Blog. Wenn das mal nicht rund ist.

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Die Freiheit im kleinsten Kreis

Es gibt Themen, über die schreibt es sich sehr leicht. Über die Verstrickungen in moralischen Widersprüchen der Linken, über das faschistoide am Islam oder die Bigotterie der katholischen Kirche. Es braucht nur einen Funken, ein Fauxpas eines Beteiligten oder eine Anregung von Jürgen und der Blog beginnt zu lodern.

Und dann gibt es Themen, da fällt es mir schwer, einen Beitrag zu verfassen. So war ich sprachlos bei der Aktion des Zentrums politischer Schönheit, als sie Björn Höcke das Holocaustdenkmal von Berlin vor die Haustür pflanzten und nicht minder fassungslos, als die selben Aktivisten in der Hauptstadt ein alternatives Denkmal, angeblich mit der Asche von Auschwitzopfer, errichteten.

Das Thema heute, was mich den Tag über beschäftigte, fällt eher in die zweite Kategorie, aber irgendwie anders. Weil es persönlich ist. Und da ich Persönliches weitestgehend aus meinem Schreiben heraushalte, ist das sozusagen eine Premiere. Naja. teilweise.

Es begann mit dem interessanten Politikschauspiel der Tage in Thüringen. Selten war Politik so porno, so spannend und so grotesk. Das war House of Cards, Hindafing und Romeo in Julia in einem. Das war das, was Rainer Hank in „Lob der Macht“ beschrieb. Im Zuge dessen kriegte ich eine Nachricht eines, ich würde sagen guten Bekannten, die mich dann doch überraschte:

Ich hab nur gesehen dass es zwischen uns insofern ein Problem gibt, als dass es für dich keines zu sein scheint, dass Kemmerich nur wegen der AfD MP in Thüringen wurde. Ich hab mich die Tage dazu entschlossen den Kontakt zu solchen Leuten in und aus meinem Umfeld zu meiden. Tut mir leid

Bevor ich auf die Reaktion eingehe, möchte ich darlegen, warum ich kein moralisches Problem erkennen kann, dass ein FDP Ministerpräsident von Rechten gewählt wird. Kemmerich war nach der Wahl immer noch der selbe. Er ist dadurch nicht Rechter geworden, er ist überhaupt nicht rechts, außer man weiß nicht oder will nicht wissen, was der Begriff bedeutet. Er bleibt freiheitlich, egal wer ihn wählt. So wenig wie er Linker wäre, wenn er von den Linken gewählt wurde.

Die Situation im dritten Wahlgang war, dass ein Kandidat einer rechten bis rechtsextremen Partei gegen einen Kandidaten einer linken bis linksextremen Partei gegen einen Partei der Mitte antrat. Kemmerich war der einzige aus dem gemäßigten Lager. Dass die AfD dies für sich nutzte, um das erste mal so etwas wie Macht zu demonstrieren, ist offensichtlich. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass Kemmerich ein solider „Mitte-Mann“ ist. Was soll sich an dem Votum ändern? Seine Persönlichkeit, seine Haltung, sein Liberalismus? Unsinn, gar nix ändert es.

Jetzt werden viele sagen, „ja, aber das wertet die AfD auf“. Da muss ich sagen, nein. Die AfD wird damit endlich entsprechend auf Augenhöhe im parlamentarischen Sinn, nicht im politischen, gesehen. Denn, auch wenn es weh tut, sie sind eine demokratisch gewählte Partei, die als Fraktion in einem Landtag eine demokratische Aufgabe erfüllt. Und natürlich gehört dazu, in aller erste Linie sogar, dass sie an Abstimmungen teilnehmen. Was ist das denn für eine Logik: Wenn die AfD für etwas vernünftiges stimmt, ist das dann falsch? Nebenbei bemerkt gäbe es die Partei gar nicht, hätte die FDP nicht für den ersten Griechenland-Rettungsschirm gestimmt, sondern die Koalition an der Frage platzen lassen, weil gerade dieser EU Politik für eine ordoliberale Partei ein K.O. Kriterium hätte sein sollen.

Wenn die AfD nun für Ramelow gestimmt hätte, dürfte dieser dann auch nicht Ministerpräsident werden? Wie man es dreht und wendet, ich kann kein moralisches Problem erkennen. Anders verhielte es sich freilich bei einer Regierungsbeteiligung, zumindest bei der Thüringer AfD oder sogar ein AfD Ministerpräsidenten. Aber wir über eine Tolerierung. Und ganz ehrlich: Wie spannend wäre dieses Regieren denn, wenn sich FDP jedes mal eine neue Mehrheit suchen würde? Die gleichen Leute, die eine Minderheitsregierung feierten, vorausgesetzt die Grünen sind beteiligt, springen auf die Barrikaden, als das die FDP machte. Wohlfeil.

Abschließend zum inhaltlichen Teil möchte ich mich der DIE LINKE widmen. Ich weiß, es ist wenig populär, aber diese Partei ist der Rechtsnachfolger der SED. Insgesamt hat sie sich vier mal umbenannt, aber nie neugegründet. Ich halte diesen Aspekt für wesentlich, gerade da immer gesagt wird, die hätten damit nichts zu tun und Ramelow sei eh gemäßigt. Mehrere Abgeordnete im Thüringer Landtag haben lupenreine SED oder Stasikarrieren hinter sich. Der oft vorgekommene Bruch der Biografien bei Ostdeutschen fand bei diesen Herrschaften bedenkenswerte Kontinuität. Und zum Thema gemäßigt und Ramelow: Es stimmt zwar, dass er wider Parteiräson die Wirtschaft nicht an die Wand gefahren hat, trotzdem hat sie sich nicht wie erwartet entfaltet und viele Unternehmer hofften, freilich hinter vorgehaltenen Hand, dass der Bodo nicht gewählt würde. Ein Linker Ministerpräsident und sei er noch so gemäßigt, macht eine Partei salonfähig, die Extremismus toleriert und finanziert, Enteignungen will, bis der Papst kommt, kurz, einen Systemwechsel herbeisehnt, das Millionen Tote forderte.

Zurück zu der Aussage des guten Bekannten:

Ich hab nur gesehen dass es zwischen uns insofern ein Problem gibt, als dass es für dich keines zu sein scheint, dass Kemmerich nur wegen der AfD MP in Thüringen wurde. Ich hab mich die Tage dazu entschlossen den Kontakt zu solchen Leuten in und aus meinem Umfeld zu meiden. Tut mir leid

Ich möchte keine Generalabrechnung mit der Person machen, darum geht es nicht. Diese Reaktion zeigt mir, dass der viel zitierte „Riss durch die Gesellschaft“ auch bei mir angekommen ist. Wer Menschen selektiert aufgrund ihrer Meinung, inwieweit ist er besser, als jemand, der Menschen aufgrund Hautfarbe, Religion oder Sexualität aussortiert? Ich weiß, was es heißt, Diskriminierung zu erleben. Ich kenne das Gefühl, wenn sich Teile des Freundeskreises abwenden, weil man homosexuell ist. Und ich wünsche niemanden, absolut niemanden, dass er diese Erfahrung macht. Wenn man über Dritte erfährt, Jahre später, wie damalige Freunde über einen geredet haben, dann ist das nicht schön.

Was will ich damit sagen? Auch wenn ich harte Worte wähle, einseitig bin und polemisch, eines bin ich gewiss nicht: Ein Diskriminierer. Weil ich weiß, wie das ist, wenn man darunter leidet. Ich bin mit Neonazis essen gegangen, habe Antisemiten die Hand geschüttelt kenne lupenreine Frauenfeinde. Das muss nicht jeder tun und wahrscheinlich würden diese Leute kaum Freunde werden, einfach, weil diese Eigenschaften beim Kennenlernen per se sehr unsymypathisch wirken. Wohl aber bekannt miteinander könnte man sein. Warum nicht? Werte ich sie damit auf? Gebe ich ihnen eine Bühne? Ist alles private politisch?

Zumal ich noch nicht mal für eine AfD Regierungsbeteiligung bin. Am wenigsten in Thüringen. Ich halte von der AfD spätestens seit 2015 wenig, seit 2017 gar nichts mehr. Teile der Partei sind gefährlich, brandgefährlich sogar. Und wenn man mich fragt, warum ich denn nie gegen die AfD schreibe, und dafür ständig gegen die Grünen, dann antworte ich: Ja, stimmt. Ich tu das, weil jeder gegen die AfD schreibt. Es langweilt. Die Kritik an rechts ist fertig geschrieben. Sie ist in vielen Punkten berechtigt. Doch die Kritk an links steckt immer noch in den Kinderschuhen und ist in der Mainstreampresse faktisch nicht vorhanden. Und es macht auch viel mehr Spaß, ein wenig gegen den Strom zu schreiben.

Wie furchtbar wäre es denn, wenn man nur Bekannte um sich herum hat, die die gleichen Meinung sind? Wie ätzend steril und fade geklärt müssen sich Abende abspielen? Alle klopfen sich auf die Schulter und Schenkel und sind sich von A wie Atomstrom (böse) bis Z wie Zigarettenwerbung (noch böserer) einig. Da hab‘ ichs doch gern etwas kantiger. Und wissen Sie was? Gestern war ich bei meinem Freund und er war bei dem Thema Thüringen völlig anderer Meinung. Und ob Sie es glauben oder nicht, wir sind heute noch zusammen.

Die Freiheit der Meinung ist ein urliberales Prinzip. Natürlich muss nicht jeder mit jedem befreundet sein und ganz ehrlich, wenn ich nur Freunde hätte, die meine Meinung teilen, wäre mein Leben verdammt einsam. Ich habe nie darüber nachgedacht, jetzt tu ich es, wie politisch mein Bekantenkreis denn unterwegs ist. Jetzt tat ich es doch und, oh wunder, von libertär bis links und unpolitisch ist alles dabei und mir ist das gerade Recht. Diese Eigenschaft wünsche ich mir bei anderen auch.

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„Die Moral ist kaputt“ – Über Bösmenschen, Klimagaga und Besserdeutsche

„Das ist ein freies Land“, heißt es ja gern, meist dann, wenn man etwas tut oder sagt, was einem anderen nicht passt. Nackensteaks vom Schwein auf dem Kohlegrill brutzeln, die man vorher beim Landmetzger via 150 Pferdestärken-starken SUV geholt hat, eingewickelt in einer mindestens innen mit Plastik beschichteten Papierfolie. Das ganze in einer, puh Glück gehabt, Papiertüte. Keine Ahnung, wie bei der die Ökobilanz ist, bestimmt beschissen, aber immerhin kein Plastik, das materialisierte Feindbild grünbewegter Moralfantasten. Dass sie ohne PVC und wie diese Polydings alle heißen ihren Alltag aus laktosefreier, biodynamischer, Demeter-Ziegenmilch als Melange im Fair Trade Kopi Luwak Cappuccino gar nicht bewältigen können, geschenkt. Ist der Feind erst mal geboren, erkennt man auch sei‘ Freud‘ am Leben.

„Das ist ein freies Land“, sagt dann der Bösmenschen zum Besseren, zum Besserdeutschen, der diesen Vorgang mit dem Steak kritisiert. Das Ding ist, der Böse hat völlig recht. Denn so lange Führer Habeck die grünen Notstandsgesetze nicht beschlossen hat, wird das auch so bleiben. Und wir können aufatmen. Die Konzentrationslager, die heute besser in Schuss sind, als beim Richtfest, würden die Grünen nicht wieder beleben, wie Henryk Broder richtig erkannt hat. Die CO2 Bilanz der Öfen wäre zu verheerend. Wobei das auch nur eine Frage der Mathematik ist. Je jünger man ist, desto größer wäre der potentielle CO2 Füßabdruck. Also müsste man…ich schweife etwas ab, Sie haben’s bemerkt.

Warum erzähle ich Ihnen das? Bei all dem Klamauk bleibt der Zynismus, der immer auch Bitternis transportiert. „Das ist ein freies Land“, ja, ok. Freier als Nordkorea, oder die Türkei. Doch während im Totalitarismus eine kleine Elite sagt, was zu tun ist, scheint mir, dass sich der Deutsche ganz freiwillig in die Fremdsteuerung begibt. Und so sind solche Tagesschau Kommentare nur im ersten Moment unglaublich. Tatsächlich spricht Herr Beckhardt aus, wie es in vielen Deutschen denkt. „Verbietet, ich schaff‘ es nicht allein“. Eine Studie in Selbstaufgabe und Unmündigkeit. Und Selbsthass, klar. Aber der ist im Alman fest implementiert.

Die laute Jugend, die Freitags die Zukunft sucht und am Samstag bei Starbucks sich den eben konsumierten Zara Einkauf zeigt, so scheint es, sieht es mit der Freiheit auch eher flexibel. Inlandsflüge verbieten, ey who cares, oder gleich alle Flüge so sakrisch teuer machen, dass die Unterschicht sich das gar nicht mehr leisten kann. Warum auch nicht? Luisa Neubauer war eh schon überall und falls sie ein Land vergessen haben sollte, Familie Reemtsma zahlt das schon. Ich kann den Futurekids ehrlich gesagt keinen Vorwurf machen. Es wird ihnen ja vorgelebt.

Denn wenn nicht mehr bloß vom „Klimawandel“ gesprochen wird, sondern von der „Klimakrise“, „Klimakatastrophe“, dann verstehe ich, dass Greta und Co in Panik geraten. Letztens hörte ich das Wort „Klimazid“, eine Abwandlung von“ Genozid“. Spätestens hier beginnt es, unappetitlich zu werden. Über die unsägliche Debatte eines unsäglichen linken Aktivisten, der von „Klimaholocaust“ getwittert hat, will ich gar nicht reden. So wichtig ist der Typ nicht. Aber absurd unterhaltsam. Folgen Sie auf Twitter @tomradtkede, Sie werden es nicht bereuen.

Mir geht es um das Erzählmuster dahinter, das Narrativ, wenn Sie’s so wollen. Man stilisiert ein vermeintliches Problem auf ein so hohes moralisches Podest, bis alles erlaubt ist. Es ist kein Zufall, dass der Duden exakt zwei zusammengesetzte Substantive, die mit -leugner enden, kennt. Die Moral ist kaputt. Vergleiche mit Massenmorden und das absolute Einschränken von individueller Freiheit für das große Ganze. Im Krieg und im Klimawandel ist alles erlaubt. Von der Maas bis an die Memel. Und wenn man tatsächlich glaubt und hier zitiere ich ein FFF-Aktivisten, der im vergangenen Jahr beim Tagesgespräch von WDR 5 sagte, „in fünf, oder zehn oder 15 Jahren“ wird die Welt untergehen, wenn man das glaubt, dann wird man radikal. Ist doch klar. Dann macht man keine Gefangene. Dann ist der Massenmord an Juden, Zigeunern, Homos und Andersdenkende ein Fliegenschiss. Ein „Zwischenfall der Geschichte“ würde Monstranz Sloterdijk sagen.

Wie spanne ich jetzt den Bogen von Sloterdijk zu Schweinesteaks, ohne „ad hominem“ zu werden. Hm. Ne, ich lass‘ es. Nur so viel, es hat nichts mit seiner Philosophie zu tun.

Aber es ist doch so: Die Floskel „das ist ein freies Land“ verliert im Zeitalter der Hypermoral an Bedeutung. Sie können entweder den Ablasshandel mitmachen und bei Denn’s Biomarkt überteuerte Tomaten kaufen, dann gehören Sie zu den Guten. Oder Sie gehen zum Lidl und kaufen da Ihre Paradeiser. In der Plastiktüte. Dann sind Sie nicht so gut. Sie können sich übrigens getröstet sehen: Das Nackenstesk im oben genannten Beispiel war „bio“.

Gott sei Dank.

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Die linksliberale Lüge

Sascha Lobo ist es. Der Richter von der Lage der Nation auch. Gerhart Baum und der Schnarrendings der FDP sagt man es nach und den vielen, die weiland auf den inzwischen längst entgleisten Schulz-Zug aufsprangen, ebenso. Sie sind alle, na, na? Richtig. Linksliberal.

In der Wikipedia finden Sie darüber einen wuchtigen Beitrag, der auch gar nix auslässt. Von Karl Grün bis zum wackeren Friedrich Naumann, von der Piratenpartei, bis, na klar, zu den Grünen. Ja, sogar die Ex-SED, DIE LINKE, ist mit von der Partie. Allesamt sind nach den Autoren irgendwie linksliberal. Daneben gibt es in dem besagten Artikel einen Zeitstrahl, ab wann die FDP eben linksliberal war, ab wann lediglich wirtschaftsliberal. So tat es in der Silvesternacht 1968 einen Schlag und die Mitglieder der Liberalen wachten auf und waren, ja, Sie ahnen es, linksliberal. So schnell kann’s gehen.

Der Begriff ist in Deutschland geprägt von der sozialliberalen Koalition, also die Koalition mit SPD mit FDP ab 1969 und ebenso geprägt von der zwei Jahre später entstandenen Freiburger Thesen. Ich möchte nicht zu sehr in die Geschichte gehen, zur so viel: Hier manifestierte sich der erste etymologische Fauxpas. Man entwarf das Wort „sozialliberal“ und weil „sozial“ ja irgendwie links ist, tauschte man beide Wörter aus. Das Problem an dem Wort „sozial“ ist, das wusste bereits der Hayek, es ist ein Wieselwort. Klebt man es an ein anderes, bedeutet der Begriff alles und nichts. So gibt es die soziale Frage, Sozialwohnungen, die Sozialdemokratie, der Sozialstaat und den Sozialliberalismus. Und alle bedeuten etwas völlig anderes, ja, mehr noch, das „sozial“ in den Worten bedeutet etwas völlig anderes. Es wieselt so umher und bei politischen Befriffen wie sozialer Frieden, soziales Gewissen, soziale Marktwirtschaft versteht jeder etwas anderes.

Heute hört man ab und an noch „sozialliberal“, häufiger jedoch „sozial“ mit „links“ davor. Ich möchte den Autoren diverser Bücher über das Thema nicht zu nahe zu treten, dennoch halte ich das Wort für ein Oxymoron. So wenig wie der Papst in eine Jüdin ist und Schimmel schwarz sein können oder Schalke Meister wird. Gib’s nicht. Es gibt auch keinen liberalen Kommunismus, oder einen liberalen Islam, auch wenn uns letzteres gerne gesagt wird. Es gibt liberale Muslime, keine Frage, aber wenn dann trotz ihres Glaubens, so wie Stauffenberg vermutlich Nationalsozialist war, aber eben kein Massenmörder. Trotz seiner Ideologie hatte er Herz und Verstand nicht verloren.

Unter „Links“ versteht man grundsätzlich, dass jeder Mensch gleich ist, ich schrieb darüber vor einiger Zeit. Als ideologisches Konzept dient der Sozialismus, der den Kapitalismus überwinden will, die Arbeiterklasse aus der Unterdrückung befreien mag und aus ihrer eigenen Klasse, weil es im Idealzustand keine mehr gibt. Also Klassen, nicht Arbeiter. Wobei sich das mit der Arbeit auch erledigt haben dürfte, aber das nur am Rande der Physik.

Hier beginnt das Problem. Der Liberalismus steht zwar für Gleichheit, aber eben nur vor dem Gesetz und weniger als gewünschten gesellschaftlichen Zustand. Während die Rechte in Hierachien denkt und Ungleichheit in Ethnie und Kultur sieht, hinterfragt der Liberale stets Autoritäten. Das endet bei vielen Linken spätestens, wenn die großen, sozialen Fragen zu lösen sind und daher mehr Steuern eingetrieben werden sollen, was ein enormer autoritärer Akt ist, oder zum Zwecke der Allgemeinheit Hausbesitzer enteignet werden.

Zum Zwecke das Kollektiv zu befrieden, sind bei rechts, aber auch bei links, viele Mittel recht. Hier wird das Oxymoron am deutlichsten. Der Liberalismus entstand aus dem Individualismus. Der Sozialismus ist eine durch und durch kollektivistische Veranstaltung. Ob „Die Arbeiter“, „die Flüchtlinge“, „die sozial Schwachen“, ein Kollektiv findet sich immer, um den geleugneten und verkappten Egoismus, sprich den Altruismus zu rechtfertigen. Der Liberale kann da nur staunen und sich abgrenzen.

Wie soll das also denklogisch funktionieren? Eine kollektivistische, etatistischen Idee, die ihre Ziele nur mit Befehl und Gehorsam durchsetzen kann, zu vereinen mit dem Gegenteil, eine individualistische Vorstellung von Gesellschaft, die Autoritäten hinterfragt? Sie können koalieren, klar, wie 1969. Ich verstehe den Befriff „sozialliberal“ hier auch eher als Kolaborationsbegriff. Hier die Sozialdemokraten, dort die Liberalen. Aber als politische Denkweise taugt der Begriff nicht. Er ist unlogisch und falsch. Er verwirrt.

Sascha Lobo, Sie merken, die Haarbürste triggert mich, beschrieb seinen Linksliberalismus folgendermaßen.“

Ich bin (…) linksliberal im Sinne der gesellschaftlichen Freiheit. Ich bin für die Ehe für alle, für Abtreibung (…). In der wirtschaftlichen Freiheit möchte ich aber Begrenzung, einen angemessenen Mindestlohn, Begrenzung von Mieten (…).

So würden sich wohl auch die allermeisten Linksliberalen beschreiben. Und auch hier liegt ein fulminanter Denkfehler vor, den ich sehr häufig feststelle. Es ist das Selbstverständnis, zwischen „Wirtschaft“ und „Gesellschaft“ zu unterscheiden. Hier kommt einmal mehr die gute, alte marxistische Ideologie, der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, zu Tage. Die Wirtschaft, das Kapital eben, das sich über die Arbeit, die Gesellschaft behauptet, es knechtet und ausbeutet. Eine zeitgemäße Herangehensweise sieht anders aus.

Es gibt nicht „die Wirtschaft“ und dann „die Gesellschaft“. Würden Sie sagen, der Chef in Ihrem Unternehmen, der Eigentümer ist, der Donnerstags Schafkopf spielt, drei Kinder hat und Mitglied im Sportverein ist, ist nicht Teil der Gesellschaft, weil er „die Wirtschaft“ ist? Natürlich nicht. Ich bin der Meinung und das hat auch der Friedman gesagt, keine Angst, der Milton und nicht der Michel:

Es gibt keine gesellschaftliche Freiheit ohne ökonomische Freiheit.

Ich würde das ergänzen in:

Ökonomische Freiheit ist gesellschaftliche Freiheit. Ersteres ist Teil vom zweiten.

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn Leute glauben, die Beherrschung der Wirtschaft sei nur von untergeordneter Bedeutung und diese nonchalant für vermeintlich moralisch höhere Ziele, die oft sauer werden, in Kauf nehmen. Die Freiheit, ein Geschäft zu eröffnen, ein Haus zu bauen, eine Investition zu tätigen, eine Banane zu kaufen ist denknotwendig gesellschaftliche Freiheit. Ich muss nicht betonen, wie negativ sich die geringere wirtschaftliche Freiheit auswirkt und wie gesellschaftlich sie wird, wenn man in der Mangelwirtschaft lebt. DDR, Venezuela, Kuba und Co lassen grüßen.

Linksliberal ist also meiner Meinung nach ein Oxymoron. Es geht nicht zusammen, wie Kanibalen und Veganismus, Köln und Düsseldorf, Käse in der Knackwurst und ich mit Sascha Lobo.