Von Julian Marius Plutz.
Henry Frömmichen ist ein frommer, junger Katholik.
Ok, ok, meine Wortwitze waren schon einmal geistreicher. Aber es stimmt. Denn der 21-Jährige wollte Priester werden. Nun wurde er vom Priesterseminar „freigestellt„, wie wir Personaler gerne euphemistisch formulieren. Er wird also kein Priester werden. Nun ist der Mann aus Baden-Württemberg enttäuscht, weil er ja so fromm ist.
Im Schreiben der Leitung des Seminars heißt es zur Begründung: „Ihr Umgang mit sozialen Medien lässt erkennen, dass Sie derzeit nicht für eine Ausbildung zum Priester geeignete Voraussetzungen mitbringen.“ Das saß. Und heißt, dass ich in 100 Jahren nicht die Voraussetzungen mitbringen werde, Pfarrer zu werden. Nun habe ich diesbezüglich auch gar keine Ambitionen, wohl aber der Henry, der nun um so trauriger ist. Doch was ist passiert? Beleidigte er per Twitter den Pontifex? Setzte er ein „Like“ unter einen Post von Richard Dawkins? Leugnete er die künstliche Befruchtung der Heiligen Maria? Verwechselte er Karfreitag mit Aschermittwoch ?! Eines vorweg genommen: Er tat nichts davon. Henry Frömmchen hat lediglich – oder immerhin – vergessen, die AGBs seines Vereins zu lesen. Doch der Reihe nach.
Auf Instagram veröffentlichte er ein Bild von sich und dem „Prince Charming“. Der Prince Charming ist der schwule Bachelor. Ja. Der Bachelor ist nicht etwa ein Hochschulabsolvent, sondern der Teilnehmer einer sinn- und geschmacksentleerten Sendung auf dem Qualitätssender Vox, in der ein Mann, der Junggeselle ist, sich den Partner fürs Leben sucht. Und ja, es tut mir leid, dass ich Sie mit einem solchen televisiven Krampf behelligen muss. Aber der „Prince Charming“ gehört zur Geschichte. Das Bild mit ihm und Herrn Frömmicher genügte offenkundig der Seminarleitung, die Ausbildung zum Pfarrer zu beenden. Hart und nicht besonders fair. Aber, wenn man ehrlich ist, nur folgerichtig. Die Frage, woher die Entscheider eine schwule Trashsendung kennen, konnte nicht abschließend geklärt werden.
Sie verachten uns
Das Problem ist: Der Henry ist homosexuell. Und Schwule mag die katholische Kirche nun mal gar nicht gern, was sich inzwischen herum gesprochen haben sollte. Dieser Verein hat einfach etwas gegen uns. Das ist nicht sehr nett, das ist, meinetwegen Diskriminierung. Doch das sind die Tatsachen, mit denen man als schwuler Katholik konfrontiert ist. Man muss ja dort kein Mitglied sein. Man kann austreten und woanders eintreten. Zu den Jungen Liberalen zum Beispiel, wo es teilweise schwuler zugeht, als beim Eurovision Song Contest. Oder beim Fanclub der Village People, oder bei den Grünen, wenn man eine Ersatzreligion sucht. Oder man gründet seinen eigenen Glaubensverein. Warum auch nicht? Optisch stimmt es aber schon: Die Kleiderordnung im Vatikan ist ein einziges Transvestietereignis. Es bleibt aber, wie es ist. Sie mögen nicht, dass wir homosexuell leben. Wozu dann krampfhaft dort Mitglied sein zu wollen?
Es stimmt auch, dass gerade der Vatikan, aber auch bestimmte katholische Milieus in Deutschland in ihrer Verkapptheit, heimlich und halboffen homosexuell sind und damit Schwule anziehen. Und bei vielen derer, die dazukommen, ist ihre Neigung ein Geheimnis. Und bei manchen ein Offenes. Und dennoch muss ein schwuler Mann, der Priester werden will, den Weg des verkrampften, sich versteckenden Homosexuellen gehen. Sein offenkundiger Partner ist dann „ein Freund“, der zwar immer bei Kirchenveranstaltungen dabei ist – aber nie im Status einer Beziehung. Wer tatsächlich diesen halb-ehrlichen Weg bestreiten mag, der soll das tun. Die Wahrheit ist aber die: Im Herzen mögen sie dich nicht. Sie mögen sich, wenn sie schwul sind, nicht einmal selbst. Sie verachten euch und sie verachten sich.
Henry Frömmichen beendete tatsächlich für seinen Traum, Priester zu werden, seine vorherige Beziehung mit einem Mann. Der Dank dafür ist, dass die Entscheider in München den jungen Mann vom Seminar entfernten. Spätestens jetzt hätte ihm auffallen sollen, dass die katholische Kirche ihn, so wie er ist, nicht will. Doch statt den Verein zu hinterfragen, machte sich Henry zu einer Person, die der Klerus akzeptiert. Er verstellte sich, um zu gefallen. Sicherlich wäre „Verrat“ an den Homosexuellen eine zu harte Formulierung. Aber ich halte es schon für bemerkenswert, dass man für abergläubisches Klimbim seine sexuelle Identität verleugnet. Das ist schon bei katholischen Pfarrern, die heterosexuell sind, ein irres und gesundheitlich fragwürdiges Unterfangen. Doch bei Homos im Zölibat wird nicht nur die Ausübung unterbunden, sondern auch die ganze Existenz verneint. Für diesen ethisch abenteuerlichen Spagat scheinen immer noch viele Männer bereit sein. Jeder, wie er mag. Und Einknickende soll man nicht aufhalten.
Irgendwann ist es Zeit, zu gehen
Aufhalten lässt sich der Henry auch gar nicht, wenn es um die Mitgliedschaft in seiner Kirche geht. Die Kirche, die ihn nicht leiden kann. „Jetzt bleib ich erst recht in der Kirche und schau, wie ich für meine Kirche kämpfen kann“, sagt er. Für diese unerklärliche Naivität gibt es durchaus wesentlich tragischere Beispiele aus der Geschichte. So litt auch Hans-Joachim Schoeps am Stockholm-Syndrom. Der Jude war nicht nur überzeugter Nationalsozialist, er gründete auch 1933 den Verein „Gefolgschaft deutscher Juden“, eher er 1938 nach Schweden immigrierte. Seine Eltern blieben. Mutter wurde 1942 im KZ Theresienstadt ermordet – Vater fand den Tod durch Vergasung in Ausschwitz.
Sicher, der Henry wird nicht umgebracht. Und dennoch blieb er wie Schoeps Mitglied eines Vereins, die ihn ganz offensichtlich nicht leiden kann. Die katholische Kirche mag eben kein schwules Leben. An dem Punkt ist die Kirche so wenig reformierbar, wie der Islam in diesem und vielen anderen Themen der Aufklärung, die immerhin der Vatikan, trotz vehementem Widerstand, irgendwann akzeptieren musste. Beim Thema Homosexualität beißt sich der schöne Henry die Zähne aus – da haben sich bereits ganz andere Kaliber versucht und scheiterten.
Vielleicht ist es Zeit zu gehen, wenn man merkt, dass man nicht erwünscht ist. Herr Frömmichen und andere können ihre Frömmichkeit, Kalauer hin oder her, woanders ausleben. In der katholischen Kirche ist, wenn man ehrlich ist, kein Platz für Homosexuelle. Das ist schade, das ist bitter. Aber es ist nun mal so. Die AGBs schreiben die Geschäftsführer. Und die haben entschieden, keine Schwulen zu mögen.
Zeit, der Tatsache endlich ins Auge zu blicken.