Von Julian Marius Plutz.
Als Fan von True Crime Podcasts bekommt man einen tiefen Einblick in viele Ebenen des menschlichen Seins. Als erstes sind die Täter zu nennen. Personen, die zu entsetzlichen Taten in der Lage sind. Taten, die man niemals nachvollziehen kann, geschweige denn verstehen. Taten, die jeden zivilisatorischen und empathischen Raum sprengen. Taten, die an dem Menschsein der Person zweifeln lassen.
Täter evozieren Opfer. Sie stehen oftmals weniger im Fokus, als die Täter, was verwundert. Sie sind doch die zentralen leidenden Figuren in einem Verbrechen. Sie verlieren ihr Leben, oder ihre Liebsten. Manche werden die Taten niemals mehr los. Die Täter haben es geschafft, sich in den Kopf, in die Psyche der Opfer zu pflanzen. Manchmal steuern sie ihr Leben in alle Ewigkeit ins Negative. Das ist das eigentliche Verbrechen. Dann ist das Böse nach Arendt zwar immer noch banal, aber verdammt schmerzhaft und langwierig.
Am Samstag zerbrach in Israel eine Welt. Das Land, das wie kein zweites für die Sicherheit von Juden steht, wurde zum Schauplatz zum Ort eines präzedenzlosen Massakers. Aus Gegenwart wurde Vergangenheit. Aus „steht“ wurde „stand“. Es ist ein Tag nach dem 6. Oktober, nachdem sich zum fünfzigsten Mal der Beginn des Jom-Kippur-Krieges jährte. Es ist der Tag, an dem seit der Shoah binnen 24 Stunden noch nie so viele Juden getötet wurden. Das Sicherheitsversprechen wurde gebrochen und mit diesem viele Menschen mehr.
Deutschland illuminiert das Brandenburger Tor in blau und weiß. Doch auch der Davidstern kann weder die Flecken der “Letzten Generation” auf den Säulen verbergen, noch den zum himmelschreienden Gratismut. Deutschland ist ein Land von vielen, das Gaza finanziell unterstützt hat. Wohin die vielen hundert Millionen auch geflossen sind, konnte man am Samstag sehen. Anders gesagt: Diese und die letzten Regierungen tragen eine Mitverantwortung für das große Schlachten in Israel. Solidaritätsbekundungen bekämpfen weder die Täter, noch helfen sie den Opfern. Sie dienen nur dem Selbstzweck, dem guten Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Glauben Sie.
Doch es stimmt nicht. Leute, die sich bis Freitagabend einen feuchten Kehricht um Israel geschert haben, tragen am Samstag betroffen-besoffen Israelflaggen. Ich kann diese Leute unmöglich ernst nehmen. Und sie tun es schon wieder: Sie betrauern tote Juden. Diese Nekrophilie ist zutiefst abstoßend und beschämt die Opfer und deren Angehörige. Vielleicht geht es morgen ja mal wieder zum nächsten Stolperstein oder zum nächstgelegenen Konzentrationslager. .
Die anderen suhlen sich in einer gefühlskalten Neutralität. “Ich kann beide Seiten verstehen”, heißt es dann. “Man muss auch die Palästinenser verstehen.” Ein viel gelesener Klassiker ist auch: “Nicht alle in Gaza sind von der Hamas”. Richtig. Und falsch. Niemand muss das Töten von Kindern und deren Eltern verstehen. Ist das die sogenannte andere Seite? Muss ich auch die Moslems verstehen, die im für sie sicheren Neukölln vor Freude über die toten Juden Süßigkeiten verteilen?
Eine Muslimin sagt im NDR, dass sie sich über die Anschläge gefreut hat. “Das ist sehr gut, dass die sowas geschafft haben”, sagt die Frau lachend. Sie habe deswegen zu Hause gefeiert. Ein anderer Moslem sagt, dass die Hamas gut sei und Israel schlecht. Auch diese Leute sind Täter, die Opfer erzeugen. Und dabei lächeln sie, als kämen sie gerade aus einem Hammam. Jedes weitere Wort mehr über solche Menschen wäre beleidigend. Ich will mich von niemandem so runterziehen lassen, dass ich die Person dafür hassen müsste. Doch so manch einer macht es mir damit gerade sehr schwer.
Es gibt keine Neutralität im Entsetzlichen. Wer auch nur ein “Aber…” im Bezug auf die Anschläge in Israel verliert, verliert seine moralische Integrität. Es ist nicht die Zeit für gespielte Objektivität. Doch für manche sind sogar die Grundzüge der Menschlichkeit eine unüberwindbare Hürde.
Das Böse ist die Abwesenheit von Empathie. So pathetisch es klingen mag: In diesen Tagen zeigt sich, wer Empathie empfinden und ausdrücken kann und wer nicht, sprich: Wer gut ist und wer böse.
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